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Aus dem Institut<br />

Forschungs- und<br />

Editionsprojekt<br />

»Anne Franks Tagebücher«<br />

Neue historisch-kritische<br />

Ausgabe<br />

Nach beinahe dreißig Jahren<br />

wird im Rahmen eines internationalen<br />

Forschungsprojektes des Fritz<br />

Bauer Instituts für die Erforschung und die<br />

Geschichte des Holocaust in Frankfurt am<br />

Main und des Lichtenberg-Kollegs, des Institute<br />

of Advanced Study der Universität<br />

Göttingen, eine neue kritische Edition der<br />

Tagebücher der Anne Frank entstehen. Diese<br />

unterscheidet sich wesentlich von der ersten<br />

kritischen Ausgabe. In einer zweibändigen<br />

Version sollen zum einen eine neue kritische<br />

und annotierte Übersetzung der originalen<br />

Texte, zum anderen die aktuellen<br />

Forschungsergebnisse des Projektes enthalten<br />

sein. Die Historiker Raphael Gross,<br />

Direktor des Fritz Bauer Instituts, und Martin<br />

van Gelderen, Direktor des Lichtenberg-<br />

Kollegs, treten als Herausgeber auf. Die<br />

englische Fassung wird voraussichtlich bei<br />

Cambridge University Press, die deutsche<br />

Ausgabe beim Fischer Verlag und die niederländische<br />

bei Uitgeverij Prometheus/Bert<br />

Bakker erscheinen. Als Übersetzer arbeitet<br />

Rolf Erdorf für die deutsche Version mit<br />

dem Forschungsteam zusammen.<br />

Die Edition und der Essayband<br />

Das Tagebuch der Anne Frank, das vor allem<br />

ihre Eintragungen im Amsterdamer Versteck<br />

zwischen dem 12. Juni 1942 und dem 1. August<br />

1944 enthält, hat weltweit die Auseinandersetzung<br />

mit dem Zweiten Weltkrieg<br />

und dem Holocaust maßgeblich bestimmt.<br />

Ihre Aufzeichnungen existieren in drei verschiedenen<br />

Fassungen: Ihre ursprünglichen<br />

Eintragungen (Fassung A) überarbeitete Anne<br />

ab etwa April 1944 für eine eventuelle<br />

spätere Veröffentlichung (Fassung B). Als<br />

ihr Vater Otto Frank 1945 in den Besitz der<br />

Bücher kam, schuf er für die Veröffentlichung<br />

eine dritte Version (Fassung C).<br />

Anders als die erste kritische Ausgabe<br />

von 1986, die den Beweis der Echtheit der<br />

Tagebücher führte, konzentriert sich die<br />

geplante neue Ausgabe auf den Text selbst.<br />

Die Annotationen sollen sowohl den Bruch<br />

im Leben des 14-jährigen Mädchens, der<br />

sich auch sprachlich fassen lässt, deutlich<br />

machen als auch die direkte Umgebung und<br />

den zeitlichen Horizont Anne Franks beleuchten.<br />

Anne Frank wird sichtbar als eine<br />

Jugendliche, die sich zwischen zwei Sprachen<br />

bewegte und spürbar von ihrer Lektüre<br />

der niederländischen Jugendliteratur beeinflusst<br />

war. Für die neue Übersetzung wird<br />

darauf geachtet, die ursprüngliche Sprache<br />

Annes historisch angemessen darzustellen.<br />

Rolf Erdorf, bekannter und mehrfach ausgezeichneter<br />

Übersetzer für niederländische<br />

Kinder- und Jugendliteratur, konnte für die<br />

deutsche Übersetzung gewonnen werden.<br />

Hauptanliegen des Übersetzers ist es, das<br />

14-jährige Mädchen Anne in den Texten<br />

wieder erkennbar zu machen und ihre Sprache<br />

in der ihr eigenen literarischen Qualität<br />

nachzuzeichnen. Martin van Gelderen, in<br />

den Niederlanden geboren und aufgewachsen,<br />

erläutert dazu: »In den Gesprächen mit<br />

den Übersetzern ist deutlich geworden, dass<br />

eine neue Übersetzung unbedingt nötig ist.«<br />

Da der ursprüngliche Text zu weiten Teilen<br />

die historische Verankerung verlor und<br />

für recht breit gefasste menschenrechtliche<br />

oder moralische Ziele verwendet wurde,<br />

soll die Geschichte des Tagebuchs vor dem<br />

Hintergrund einer eher vergleichenden europäischen,<br />

bisweilen sogar globalen Kultur-,<br />

Geistes-, Literatur- und Politikgeschichte interpretiert<br />

werden. Band 2 setzt sich demnach<br />

mit den Tagebüchern und deren bedeutsamer<br />

internationaler Wirkungsgeschichte auseinander.<br />

Im Mittelpunkt dieses Forschungsvorhabens<br />

steht somit die genaue Kontextualisierung<br />

sowie die Rezeptionsgeschichte der<br />

vergangenen Jahrzehnte, sei es im öffentlichen<br />

Raum, in der Literaturkritik oder von<br />

Seiten der Verlage. Ebenso von Interesse<br />

sind aber auch die Interpretationen, die der<br />

Text durch die Dramatisierung auf der Bühne,<br />

durch Bearbeitungen für das Kino oder<br />

für musikalische Inszenierungen erfahren<br />

hat. Raphael Gross betont: »Die Tagebücher<br />

sind eine Art Urtext aller Auseinandersetzung<br />

mit dem Holocaust geworden. Eine kritische<br />

Ausgabe und eine historische Kontextualisierung<br />

sind wissenschaftshistorisch eine<br />

zentrale Aufgabe der Holocaustforschung.«<br />

Staatsministerin Monika Grütters, die<br />

Beauftragte der Bundesregierung für Kultur<br />

und Medien, begründet die Unterstützung<br />

der Bundesregierung für dieses groß<br />

angelegte Vorhaben: »Anne Frank ist zum<br />

Gesicht der Opfer des Holocaust geworden.<br />

Sie hat durch ihre Aufzeichnungen Generationen<br />

junger Menschen zur Auseinandersetzung<br />

mit dem nationalsozialistischen Terror<br />

bewogen. Die umfassende wissenschaftliche<br />

Bearbeitung dieses wichtigen literarischen<br />

Erbes wird uns wertvolle Einblicke in die<br />

Persönlichkeit von Anne Frank und ihre große<br />

Wirkung auf die Rezeption des Holocaust<br />

geben.«<br />

Forschungsteam<br />

Am Lichtenberg-Kolleg konnten dank der<br />

finanziellen Unterstützung des Forschungsprojektes<br />

durch Mittel des Anne Frank Fonds<br />

in Basel und der Beauftragten der Bundesregierung<br />

für Kultur und Medien drei Junior<br />

Research Fellowships für dieses Projekt eingerichtet<br />

werden. Hier arbeiten Kata Bohus<br />

und Iwona Gusc zur Rezeptionsgeschichte<br />

aus verschiedenen Perspektiven. Gerben<br />

Zaagsma forscht zum historischen Kontext<br />

der Tagebücher und erstellt die Annotationen.<br />

Zum Forscherteam gehören außerdem<br />

Senior Fellows mit internationaler Reputation.<br />

Neben den Herausgebern sind das u.a.<br />

Dan Diner (Leipzig/Tel Aviv), Bob Moore<br />

(Sheffield), Mark Roseman (Bloomington),<br />

Bo Strath (Helsinki), Frank van Vree (Amsterdam),<br />

Kees Ribbens (Amsterdam) und<br />

Hanna Yablonka (Beer Sheva). Das Projekt<br />

arbeitet zudem eng mit dem Familie Frank<br />

Zentrum in Frankfurt am Main zusammen,<br />

wo die Archive der Familien und des Anne<br />

Frank Fonds lagern.<br />

Aus dem Institut<br />

Neues Forschungsprojekt<br />

Deutsch-israelische Beziehungen<br />

in den Geisteswissenschaften<br />

zwischen 1970<br />

und 2000. Studie zu Wissenschaft<br />

und Bilateralität<br />

Mitte der 1950er Jahre<br />

wurden erste Kontakte<br />

zwischen deutschen und israelischen Naturwissenschaftlern<br />

und dem Repräsentanten<br />

des Weizmann Instituts geknüpft. Dies<br />

war der Anfang einer bis heute andauernden<br />

engen wissenschaftlichen Zusammenarbeit<br />

zwischen den beiden Ländern, die<br />

als Erfolgsgeschichte erzählt wird. Diese<br />

Kontakte bereiteten den Boden für die erst<br />

1965 offiziell aufgenommenen politischen<br />

Beziehungen zwischen Deutschland und<br />

Israel.<br />

Diese bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit<br />

fand und findet vornehmlich<br />

auf dem Gebiet von Technologie und Naturwissenschaften<br />

statt und hatte von Beginn an<br />

keinen symmetrischen Charakter.<br />

Das geplante Forschungsprojekt wird<br />

entlang der Biographien der zentralen<br />

Personen in Wissenschaft, Politik und<br />

Wissenschaftsverwaltung die Anfänge<br />

der deutsch-israelischen Kooperation auf<br />

geisteswissenschaftlichem Gebiet herausarbeiten.<br />

Hierbei sollen beispielhaft die<br />

Geschichtswissenschaft und die Germanistik<br />

in den Blick genommen werden, zwei<br />

Disziplinen, die nicht nur stark national<br />

konnotiert sind, sondern auch intensiv an<br />

der wissenschaftlichen Zusammenarbeit<br />

seit den 1970er Jahren beteiligt waren.<br />

Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund:<br />

› Welche politischen und wissenschaftlichen<br />

Interessen verfolgten deutsche und israelische<br />

Wissenschaftspolitiker und Wissenschaftler<br />

in den Geisteswissenschaften zu<br />

Beginn ihrer Zusammenarbeit?<br />

› Stimmten diese Interessen überein oder<br />

lagen Differenzen vor?<br />

› Welche Rolle spielte auf beiden Seiten<br />

die Vorstellung, auf diese Weise eine<br />

Wiedergutmachung für die im Nationalsozialismus<br />

vertriebenen und ermordeten<br />

Wissenschaftler sowie die Vernichtung<br />

ihrer Forschungsfelder zu leisten?<br />

› Wie haben sich die ursprünglichen Interessen<br />

im Laufe der Kooperation gewandelt?<br />

Das Projekt ist eine Kooperation des Fritz<br />

Bauer Instituts, des Franz Rosenzweig Minerva<br />

Forschungszentrums an der Hebräischen<br />

Universität Jerusalem und des van<br />

Leer Jerusalem Institute. Es ist auf drei Jahre<br />

angelegt. In einer Monographie werden die<br />

Ursprünge und Entwicklung der wissenschaftlichen<br />

Zusammenarbeit in Israel untersucht.<br />

Eine zweite widmet sich der Frage<br />

nach der Rückwirkung der finanziellen<br />

Förderung israelischer Forschungsprojekte<br />

und Institute mit deutschen Mitteln auf die<br />

beiden Disziplinen in Deutschland.<br />

Projektteam<br />

› Prof. Dr. Raphael Gross, Fritz Bauer Institut<br />

/ Simon-Dubnow-Institut für jüdische<br />

Geschichte und Kultur e.V. an der Universität<br />

Leipzig<br />

› Prof. Dr. Gabriel Motzkin, Van Leer Institut,<br />

Jerusalem<br />

› Prof. Dr. Yfaat Weiss, Franz Rosenzweig<br />

Minerva Research Center, Hebrew University<br />

Jerusalem<br />

› Dr. Irene Aue-Ben-David, Van Leer Institut/Franz<br />

Rosenzweig Minerva Research<br />

Center, Jerusalem<br />

› Jenny Hestermann, Fritz Bauer Institut<br />

Einzigartiges<br />

Originaldokument,<br />

erstmals vollständig<br />

veröffentlicht<br />

1500 Deutsche mit »weißer<br />

Weste«, von den Allierten für den<br />

Neubeginn vorgesehen – ein<br />

spannendes »Who‘s who« der<br />

Hoffnungsträger<br />

400 Seiten<br />

mit über 140 Faksimiles<br />

ISBN 978-3-7766-2756-5<br />

ca. 28,– € (D)<br />

www.herbig-verlag.de<br />

HERBiG<br />

96<br />

Nachrichten und Berichte<br />

<strong>Einsicht</strong> <strong>13</strong> Frühjahr 2015 97

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