Einsicht-13
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Aus dem Institut<br />
Forschungs- und<br />
Editionsprojekt<br />
»Anne Franks Tagebücher«<br />
Neue historisch-kritische<br />
Ausgabe<br />
Nach beinahe dreißig Jahren<br />
wird im Rahmen eines internationalen<br />
Forschungsprojektes des Fritz<br />
Bauer Instituts für die Erforschung und die<br />
Geschichte des Holocaust in Frankfurt am<br />
Main und des Lichtenberg-Kollegs, des Institute<br />
of Advanced Study der Universität<br />
Göttingen, eine neue kritische Edition der<br />
Tagebücher der Anne Frank entstehen. Diese<br />
unterscheidet sich wesentlich von der ersten<br />
kritischen Ausgabe. In einer zweibändigen<br />
Version sollen zum einen eine neue kritische<br />
und annotierte Übersetzung der originalen<br />
Texte, zum anderen die aktuellen<br />
Forschungsergebnisse des Projektes enthalten<br />
sein. Die Historiker Raphael Gross,<br />
Direktor des Fritz Bauer Instituts, und Martin<br />
van Gelderen, Direktor des Lichtenberg-<br />
Kollegs, treten als Herausgeber auf. Die<br />
englische Fassung wird voraussichtlich bei<br />
Cambridge University Press, die deutsche<br />
Ausgabe beim Fischer Verlag und die niederländische<br />
bei Uitgeverij Prometheus/Bert<br />
Bakker erscheinen. Als Übersetzer arbeitet<br />
Rolf Erdorf für die deutsche Version mit<br />
dem Forschungsteam zusammen.<br />
Die Edition und der Essayband<br />
Das Tagebuch der Anne Frank, das vor allem<br />
ihre Eintragungen im Amsterdamer Versteck<br />
zwischen dem 12. Juni 1942 und dem 1. August<br />
1944 enthält, hat weltweit die Auseinandersetzung<br />
mit dem Zweiten Weltkrieg<br />
und dem Holocaust maßgeblich bestimmt.<br />
Ihre Aufzeichnungen existieren in drei verschiedenen<br />
Fassungen: Ihre ursprünglichen<br />
Eintragungen (Fassung A) überarbeitete Anne<br />
ab etwa April 1944 für eine eventuelle<br />
spätere Veröffentlichung (Fassung B). Als<br />
ihr Vater Otto Frank 1945 in den Besitz der<br />
Bücher kam, schuf er für die Veröffentlichung<br />
eine dritte Version (Fassung C).<br />
Anders als die erste kritische Ausgabe<br />
von 1986, die den Beweis der Echtheit der<br />
Tagebücher führte, konzentriert sich die<br />
geplante neue Ausgabe auf den Text selbst.<br />
Die Annotationen sollen sowohl den Bruch<br />
im Leben des 14-jährigen Mädchens, der<br />
sich auch sprachlich fassen lässt, deutlich<br />
machen als auch die direkte Umgebung und<br />
den zeitlichen Horizont Anne Franks beleuchten.<br />
Anne Frank wird sichtbar als eine<br />
Jugendliche, die sich zwischen zwei Sprachen<br />
bewegte und spürbar von ihrer Lektüre<br />
der niederländischen Jugendliteratur beeinflusst<br />
war. Für die neue Übersetzung wird<br />
darauf geachtet, die ursprüngliche Sprache<br />
Annes historisch angemessen darzustellen.<br />
Rolf Erdorf, bekannter und mehrfach ausgezeichneter<br />
Übersetzer für niederländische<br />
Kinder- und Jugendliteratur, konnte für die<br />
deutsche Übersetzung gewonnen werden.<br />
Hauptanliegen des Übersetzers ist es, das<br />
14-jährige Mädchen Anne in den Texten<br />
wieder erkennbar zu machen und ihre Sprache<br />
in der ihr eigenen literarischen Qualität<br />
nachzuzeichnen. Martin van Gelderen, in<br />
den Niederlanden geboren und aufgewachsen,<br />
erläutert dazu: »In den Gesprächen mit<br />
den Übersetzern ist deutlich geworden, dass<br />
eine neue Übersetzung unbedingt nötig ist.«<br />
Da der ursprüngliche Text zu weiten Teilen<br />
die historische Verankerung verlor und<br />
für recht breit gefasste menschenrechtliche<br />
oder moralische Ziele verwendet wurde,<br />
soll die Geschichte des Tagebuchs vor dem<br />
Hintergrund einer eher vergleichenden europäischen,<br />
bisweilen sogar globalen Kultur-,<br />
Geistes-, Literatur- und Politikgeschichte interpretiert<br />
werden. Band 2 setzt sich demnach<br />
mit den Tagebüchern und deren bedeutsamer<br />
internationaler Wirkungsgeschichte auseinander.<br />
Im Mittelpunkt dieses Forschungsvorhabens<br />
steht somit die genaue Kontextualisierung<br />
sowie die Rezeptionsgeschichte der<br />
vergangenen Jahrzehnte, sei es im öffentlichen<br />
Raum, in der Literaturkritik oder von<br />
Seiten der Verlage. Ebenso von Interesse<br />
sind aber auch die Interpretationen, die der<br />
Text durch die Dramatisierung auf der Bühne,<br />
durch Bearbeitungen für das Kino oder<br />
für musikalische Inszenierungen erfahren<br />
hat. Raphael Gross betont: »Die Tagebücher<br />
sind eine Art Urtext aller Auseinandersetzung<br />
mit dem Holocaust geworden. Eine kritische<br />
Ausgabe und eine historische Kontextualisierung<br />
sind wissenschaftshistorisch eine<br />
zentrale Aufgabe der Holocaustforschung.«<br />
Staatsministerin Monika Grütters, die<br />
Beauftragte der Bundesregierung für Kultur<br />
und Medien, begründet die Unterstützung<br />
der Bundesregierung für dieses groß<br />
angelegte Vorhaben: »Anne Frank ist zum<br />
Gesicht der Opfer des Holocaust geworden.<br />
Sie hat durch ihre Aufzeichnungen Generationen<br />
junger Menschen zur Auseinandersetzung<br />
mit dem nationalsozialistischen Terror<br />
bewogen. Die umfassende wissenschaftliche<br />
Bearbeitung dieses wichtigen literarischen<br />
Erbes wird uns wertvolle Einblicke in die<br />
Persönlichkeit von Anne Frank und ihre große<br />
Wirkung auf die Rezeption des Holocaust<br />
geben.«<br />
Forschungsteam<br />
Am Lichtenberg-Kolleg konnten dank der<br />
finanziellen Unterstützung des Forschungsprojektes<br />
durch Mittel des Anne Frank Fonds<br />
in Basel und der Beauftragten der Bundesregierung<br />
für Kultur und Medien drei Junior<br />
Research Fellowships für dieses Projekt eingerichtet<br />
werden. Hier arbeiten Kata Bohus<br />
und Iwona Gusc zur Rezeptionsgeschichte<br />
aus verschiedenen Perspektiven. Gerben<br />
Zaagsma forscht zum historischen Kontext<br />
der Tagebücher und erstellt die Annotationen.<br />
Zum Forscherteam gehören außerdem<br />
Senior Fellows mit internationaler Reputation.<br />
Neben den Herausgebern sind das u.a.<br />
Dan Diner (Leipzig/Tel Aviv), Bob Moore<br />
(Sheffield), Mark Roseman (Bloomington),<br />
Bo Strath (Helsinki), Frank van Vree (Amsterdam),<br />
Kees Ribbens (Amsterdam) und<br />
Hanna Yablonka (Beer Sheva). Das Projekt<br />
arbeitet zudem eng mit dem Familie Frank<br />
Zentrum in Frankfurt am Main zusammen,<br />
wo die Archive der Familien und des Anne<br />
Frank Fonds lagern.<br />
Aus dem Institut<br />
Neues Forschungsprojekt<br />
Deutsch-israelische Beziehungen<br />
in den Geisteswissenschaften<br />
zwischen 1970<br />
und 2000. Studie zu Wissenschaft<br />
und Bilateralität<br />
Mitte der 1950er Jahre<br />
wurden erste Kontakte<br />
zwischen deutschen und israelischen Naturwissenschaftlern<br />
und dem Repräsentanten<br />
des Weizmann Instituts geknüpft. Dies<br />
war der Anfang einer bis heute andauernden<br />
engen wissenschaftlichen Zusammenarbeit<br />
zwischen den beiden Ländern, die<br />
als Erfolgsgeschichte erzählt wird. Diese<br />
Kontakte bereiteten den Boden für die erst<br />
1965 offiziell aufgenommenen politischen<br />
Beziehungen zwischen Deutschland und<br />
Israel.<br />
Diese bilaterale wissenschaftliche Zusammenarbeit<br />
fand und findet vornehmlich<br />
auf dem Gebiet von Technologie und Naturwissenschaften<br />
statt und hatte von Beginn an<br />
keinen symmetrischen Charakter.<br />
Das geplante Forschungsprojekt wird<br />
entlang der Biographien der zentralen<br />
Personen in Wissenschaft, Politik und<br />
Wissenschaftsverwaltung die Anfänge<br />
der deutsch-israelischen Kooperation auf<br />
geisteswissenschaftlichem Gebiet herausarbeiten.<br />
Hierbei sollen beispielhaft die<br />
Geschichtswissenschaft und die Germanistik<br />
in den Blick genommen werden, zwei<br />
Disziplinen, die nicht nur stark national<br />
konnotiert sind, sondern auch intensiv an<br />
der wissenschaftlichen Zusammenarbeit<br />
seit den 1970er Jahren beteiligt waren.<br />
Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund:<br />
› Welche politischen und wissenschaftlichen<br />
Interessen verfolgten deutsche und israelische<br />
Wissenschaftspolitiker und Wissenschaftler<br />
in den Geisteswissenschaften zu<br />
Beginn ihrer Zusammenarbeit?<br />
› Stimmten diese Interessen überein oder<br />
lagen Differenzen vor?<br />
› Welche Rolle spielte auf beiden Seiten<br />
die Vorstellung, auf diese Weise eine<br />
Wiedergutmachung für die im Nationalsozialismus<br />
vertriebenen und ermordeten<br />
Wissenschaftler sowie die Vernichtung<br />
ihrer Forschungsfelder zu leisten?<br />
› Wie haben sich die ursprünglichen Interessen<br />
im Laufe der Kooperation gewandelt?<br />
Das Projekt ist eine Kooperation des Fritz<br />
Bauer Instituts, des Franz Rosenzweig Minerva<br />
Forschungszentrums an der Hebräischen<br />
Universität Jerusalem und des van<br />
Leer Jerusalem Institute. Es ist auf drei Jahre<br />
angelegt. In einer Monographie werden die<br />
Ursprünge und Entwicklung der wissenschaftlichen<br />
Zusammenarbeit in Israel untersucht.<br />
Eine zweite widmet sich der Frage<br />
nach der Rückwirkung der finanziellen<br />
Förderung israelischer Forschungsprojekte<br />
und Institute mit deutschen Mitteln auf die<br />
beiden Disziplinen in Deutschland.<br />
Projektteam<br />
› Prof. Dr. Raphael Gross, Fritz Bauer Institut<br />
/ Simon-Dubnow-Institut für jüdische<br />
Geschichte und Kultur e.V. an der Universität<br />
Leipzig<br />
› Prof. Dr. Gabriel Motzkin, Van Leer Institut,<br />
Jerusalem<br />
› Prof. Dr. Yfaat Weiss, Franz Rosenzweig<br />
Minerva Research Center, Hebrew University<br />
Jerusalem<br />
› Dr. Irene Aue-Ben-David, Van Leer Institut/Franz<br />
Rosenzweig Minerva Research<br />
Center, Jerusalem<br />
› Jenny Hestermann, Fritz Bauer Institut<br />
Einzigartiges<br />
Originaldokument,<br />
erstmals vollständig<br />
veröffentlicht<br />
1500 Deutsche mit »weißer<br />
Weste«, von den Allierten für den<br />
Neubeginn vorgesehen – ein<br />
spannendes »Who‘s who« der<br />
Hoffnungsträger<br />
400 Seiten<br />
mit über 140 Faksimiles<br />
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HERBiG<br />
96<br />
Nachrichten und Berichte<br />
<strong>Einsicht</strong> <strong>13</strong> Frühjahr 2015 97