Kescher - Abraham Geiger Kolleg
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Lasst hundert neue Rabbiner blühen!<br />
Grußwort des Präsidenten des Zentralrats der<br />
Juden, Dr. Dieter Graumann, zur Ordinationsfeier<br />
des <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong>s am 23. November<br />
2011 in der Israelitischen Kultusgemeinde<br />
Bamberg.<br />
„…Heute ist für uns ein Feiertag, ein Freudentag<br />
und zugleich ein Fest der Hoffnung. Wir setzen<br />
heute gemeinsam hier ein Signal von neuer<br />
Zuversicht. Es ist doch bekannt: Wir hungern<br />
nach rabbinischer Betreuung. Neue Rabbiner<br />
braucht das Judentum in Deutschland, sogar<br />
noch viele mehr. Lange haben wir hier auf einem<br />
jüdisch und rabbinisch ausgetrockneten Terrain<br />
gelebt.<br />
Neue Rabbiner sind daher wie ein frischer Regen<br />
von Hoffnung für uns. Wir brauchen neue Rab -<br />
biner hier wie die Luft zum Atmen. Rabbiner sollen<br />
uns den Himmel zwar etwas näher bringen.<br />
Aber Rabbiner fallen leider doch nicht einfach<br />
vom Himmel. „Geh, mache Dir einen Lehrer“<br />
sagen schon unsere Weisen in den Sprüchen der<br />
Väter, den Pirkei Awot. Wir müssen uns also<br />
schon selbst die Rabbiner machen, die wir brauchen,<br />
und uns selbst darum bemühen.<br />
Ich will mich daher ausdrücklich bedanken bei<br />
allen, die die neue Ausbildung möglich machen.<br />
Im <strong>Abraham</strong> <strong>Geiger</strong> <strong>Kolleg</strong> und auch im Hildes -<br />
heimer-Rabbinerseminar, wo die traditionelle<br />
Richtung gepflegt wird, haben wir nunmehr zwei<br />
renommierte Rabbinerseminare, die beide vom<br />
Zentralrat substanziell gestützt und mitgetragen<br />
werden und auf die wir alle gemeinsam stolz sein<br />
können. Und die auch noch so viel leisten sollen<br />
in der Zukunft.<br />
Denn wir sind doch noch lange nicht fertig. Wir<br />
brauchen noch viele Rabbiner mehr, mindestens<br />
noch einhundert mehr: Lasst daher Hundert neue<br />
Rabbiner hier blühen – damit auch wieder das<br />
Judentum in Deutschland aufs Neue blühen<br />
kann! Und bunt gemischt soll außerdem auch<br />
noch die neue Blüte unter den Rabbinern sein:<br />
Progressiv und orthodox, modern und traditionell.<br />
Für den Zentralrat der Juden gilt allemal:<br />
Unter unserem großen, gemeinsamen Dach,<br />
unter dem schützendem Dach des Zentralrats,<br />
soll jeder auf seine Fasson fröhlich und jüdisch<br />
und glücklich sein können.<br />
Wir bauen schließlich hier gerade gemeinsam<br />
eine ganz neue jüdische Gemeinschaft auf, mit<br />
großer Begeisterung und mit Leidenschaft. Es<br />
wächst das neue plurale Judentum in Deutsch -<br />
land. Das ist spannend und eine Herausforderung<br />
– und wir sind schon mittendrin. Die Pluralität<br />
ist die neue jüdische Normalität in Deutschland.<br />
Sie ist für uns eine Quelle von frischer Bereiche -<br />
rung und von neuer Stärke. Wir bauen diese Ge -<br />
meinschaft hier neu auf, gerade nicht in erster<br />
Linie als Trauergemeinschaft, sondern mit den<br />
vielen positiven Dimensionen, die das Judentum<br />
zu bieten hat – mit wieder ganz frischer<br />
Zuversicht.<br />
Und unsere neue jüdische Gemeinschaft soll blühen:<br />
munter und bunter. Wir streben dabei auch<br />
einen Akzentwechsel und Perspektivwechsel an.<br />
11<br />
Wir wollen das Judentum in Deutschland künftig<br />
moderner, frischer, positiver positionieren und<br />
präsentieren und dabei deutlich machen: Juden -<br />
tum ist eine religiöse, eine politische und moralische,<br />
eine emotionale, vor allem auch eine spirituelle<br />
Kraftquelle ganz besonderer Art. Und das<br />
alles sollen nun auch Rabbiner vermitteln - was<br />
für eine Chance!<br />
Ich wünsche den neuen Rabbinern jedenfalls: Sie<br />
sollen also zum Segen sein, für die ganze jüdische<br />
Gemeinschaft, ja für alle Menschen und<br />
sogar für die ganze Welt, aber auch gerade für Sie<br />
selbst. Sie sollen Erfüllung und persönliches<br />
Glück finden, in dem, was sie tun. Nur wer selbst<br />
brennt, kann doch das Feuer in anderen entzünden.<br />
Rasch werden Sie auch spüren: Wer anderen<br />
beisteht, verliert überhaupt gar nichts und<br />
gewinnt selbst sogar am Ende noch am allermeisten.<br />
Den neuen Rabbinern wünsche ich jedenfalls<br />
von Herzen Glück und Segen.<br />
Und ich selbst will mir auch noch etwas wünschen<br />
dürfen: Dass wir hier künftig weniger<br />
Rabbiner von auswärts importieren müssen, sondern<br />
sogar auch Rabbiner noch für andere ausbilden<br />
können. Dass die Bezeichnung ‚Rabbiner -<br />
Made in Germany’ geradezu ein Markenzeichen<br />
werden möge - und ein fulminanter Export -<br />
schlager obendrein. Ein schöner Wunsch, gewiss.<br />
Aber wo, wenn nicht in einer Synagoge, soll man<br />
denn große Wünsche äußern dürfen?“<br />
Es gilt das gesprochene Wort.