EINFACH ≠ EINFACH
Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 07/2015
Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 07/2015
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Zahn füllen müsste, würde sie überhaupt<br />
im Büro oder zu Hause bleiben:<br />
Puls-, Temperatur- und Blutdruckmessungen,<br />
ein Blick in die<br />
Augen, Ohren und Rachen, all das<br />
geht bereits von daheim aus. Die<br />
Aufnahmen landen auf Knopfdruck<br />
beim Arzt. Intelligente Messgeräte<br />
von der Größe einer elektrischen<br />
Zahnbürste, welche den Patienten<br />
und ihren Familien einen Do-it-yourself-Erstcheck<br />
von Vitalparametern<br />
ermöglichen, sind fast in jedem<br />
Haushalten vorhanden. Persönliche<br />
telemedizinische Beratungen via Internet<br />
werden von jeder öffentlichen<br />
Krankenversicherung bezahlt. Sie ersparen<br />
den Patienten, sich in krankem<br />
Zustand in eine Praxis oder Ambulanz<br />
zu schleppen und dem System<br />
damit manch unnötigen Behandlungsfall.<br />
Denn die Messungen zu<br />
Hause ermöglichen dem Online-<br />
(Haus-)Arzt, bei schwereren Erkrankungen<br />
schneller zu reagieren und<br />
Patienten gleich an die richtige Stelle<br />
weiter zu routen. Gerade auf dem<br />
Land, wo der nächste Arzt oder das<br />
nächste Spital mitunter mehr als eine<br />
Stunde Fahrzeit entfernt sind, sind<br />
Online-Ordinationen stark frequentiert<br />
und helfen insbesondere älteren<br />
Menschen, möglichst lange in den<br />
eigenen vier Wänden zu bleiben.<br />
Marlenes Großeltern, beide um die<br />
80, nutzen Telemedizin-Services<br />
intensiv, weil ihnen Termine in der<br />
Stadt schon zu beschwerlich sind.<br />
SELBSTVERSORGUNG<br />
DURCH DIE<br />
COMMUNITY<br />
Beide lieben das Leben am Land.<br />
Dennoch haben sie den Garten rund<br />
um das Haus herum längst in ein<br />
Community Farming Projekt eingebracht.<br />
Das hat den Vorteil, dass sie<br />
sich im Alter nicht mehr selbst darum<br />
kümmern müssen und trotzdem<br />
Äpfel, Zwetschken, Salat und Kartoffeln<br />
frisch geerntet direkt vor der<br />
Haustür landen. Die Community aus<br />
privaten Familien, Bauern und kleinen<br />
Lebensmittelerzeugern wie Käsemachern,<br />
Fleischern und Bäckern<br />
versorgt sich selber rund ums Jahr<br />
mit regionalen Lebensmitteln. Was<br />
angebaut und produziert wird, entscheiden<br />
die Mitglieder gemeinsam,<br />
wie viel sie selbst mitarbeiten, können<br />
sie ebenfalls selbst bestimmen. Entsprechend<br />
dem gewählten Paket<br />
bekommen die Mitglieder selbst<br />
einen Teil der Ernte, der Rest wird<br />
an Nicht-Mitglieder in der Region<br />
verkauft. Ein ausgeklügeltes und<br />
schnelles Crowdlogistik-System<br />
zeigt den Beteiligten online an, was<br />
gerade vom Feld oder Baum geholt<br />
wurde und weitertransportiert werden<br />
sollte. Wer gerade in der Nähe<br />
ist, nimmt die Lieferung die nächste<br />
Etappe mit, bis sie schließlich nach<br />
mehreren Stationen am Ende direkt<br />
vor der Haustür von Mitgliedern und<br />
Kunden landet.<br />
GRÜNE SKYLINE:<br />
GEWÄCHSHÄUSER<br />
STRECKEN SICH IN<br />
DER STADT ÜBER<br />
STOCKWERKE<br />
Ähnliches gibt es auch in der Stadt,<br />
in der Marlene wohnt. 100-prozentige<br />
Selbstversorgung, ohne auf globale<br />
Wertschöpfungsketten und damit<br />
unkontrollierbare Produktionsumstände<br />
angewiesen zu sein, ist<br />
für viele Konsumenten erstrebenswert:<br />
Eine Mitgliedschaft in einem<br />
Vertical-Farming-Projekt ist mitunter<br />
Arbeit, weil man mitarbeiten muss,<br />
um sich die Lebensmittel leisten zu<br />
können, doch sie bringt auch Autonomie<br />
und ermöglicht lokale Energie-<br />
und Stoffkreisläufe. Da in der<br />
Stadt die freien Flächen in der Horizontale<br />
fehlen, findet Landwirtschaft<br />
in der Vertikalen statt, konkret in<br />
den vielen Stockwerken der Vertical-Farming-Gewächshäuser,<br />
die<br />
in vielen Städten betrieben werden.<br />
Paprika, Tomaten, Bohnen, ja sogar<br />
Fisch aus Aquakulturen kann<br />
man dort anbauen, kaufen oder<br />
wöchentlich abonnieren. Städter<br />
können sich auf diese Weise mit<br />
Lebensmitteln aus nächster Nachbarschaft<br />
versorgen. Das ist kein<br />
Massenbedürfnis, doch eine wachsende<br />
Nische, die aus der Urban-<br />
Farming- und Do-it-yourself-Bewegung<br />
entstanden ist: Die Konsumenten<br />
wollten neue Lösungen und haben<br />
daher die ersten Projekte selbst<br />
initiiert. Später haben Unternehmen<br />
weitere Vertical-Farming-Häuser eröffnet,<br />
jedoch in der Konzept- und<br />
Planungsphase bereits potenzielle<br />
spätere User eingebunden. Was<br />
wie in welcher Qualität produziert<br />
und verkauft wird, wurde schon in<br />
gemeinsamen Workshops vor Baubeginn<br />
festgelegt.<br />
DER SUPERMARKT<br />
WIRD ALS<br />
PROBIERZONE DIENEN<br />
Ein generell weit verbreiteter Service<br />
ist die Hauszustellung von Waren<br />
aller Art. Ähnlich wie die Arztpraxen<br />
sind deshalb auch die Supermärkte<br />
kleiner geworden. Viele Menschen<br />
lassen sich Milch, Mineralwasser,<br />
Brot, Käse, Wasch- und Toilettenartikel<br />
nur noch direkt nach Hause<br />
liefern. In Supermärkte geht man nur<br />
noch zum Stöbern und Ausprobieren<br />
von Neuem. Längst haben Fahrradboten<br />
und Mini-Elektromobile den<br />
wachsenden Markt der „sauberen“<br />
Hauszustellung für sich erobert.<br />
Zudem gibt es Online-Plattformen,<br />
an denen wiederum sehr viele kleine<br />
Spezialhersteller hängen, mit<br />
komplexen Filtermöglichkeiten, die<br />
es den Usern ganz einfach machen,<br />
Lebensmittel einzukaufen, die<br />
gleichzeitig vegan, glutenfrei und<br />
aus der Region im Umfeld von<br />
100 Kilometern stammen. Wer Unverträglichkeiten<br />
oder Allergien hat,<br />
bekommt auf Wunsch auch Online-<br />
Fachberatung in Sachen Einkauf<br />
und Essen.<br />
WENIGER AUSWAHL,<br />
DAFÜR GEZIELTE<br />
VORAUSWAHL AN<br />
PRODUKTEN<br />
Die Reduktion von überbordenden<br />
Auswahlmöglichen ist 2035 generell<br />
ein großes Konsumentenanliegen:<br />
Viele sind des ständigen<br />
Vergleichens von Produkten überdrüssig<br />
geworden und lassen sich<br />
daher, entsprechend ihren Vorlieben<br />
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