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EINFACH ≠ EINFACH

Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC Ausgabe 07/2015

Querspur: Das Zukunftsmagazin des ÖAMTC
Ausgabe 07/2015

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Alltag<br />

mit Hürden<br />

Zweifach ist gar<br />

nicht so einfach<br />

Fotos: © Christina Tropper<br />

USERSTORY<br />

Ich habe zwei Im-Mobilien. Zwei Kinder, um genau zu sein. Seit ich Mutter von<br />

Zwillingen bin, wird das Verlassen des Eigenheims zur Schwerarbeit. Von Christina Tropper<br />

Kennen Sie eigentlich Sisyphos? Den armen Kerl, der stän dig<br />

einen Stein den Berg hinaufrollen musste, nur um kurz vor<br />

dem Ziel zu scheitern? Das ist mein Leben! Seit ich Zwillinge<br />

habe, wird es zu einer Vormittag füllenden Aufgabe, zwei Liter<br />

Milch zu kaufen. Bis man die Kinder für einen Mini-Einkauf<br />

fertig hat, ist die Milch im Geschäft schon sauer. Gibt es vielleicht<br />

deswegen die „Länger-frisch-Milch“?<br />

Prinzipiell hat eine Mutter ja drei Möglichkeiten, mit zwei<br />

gleichaltrigen Babys einmal einkaufen zu gehen: Entweder<br />

die Mutter ist verwegen, dann verwendet sie das Auto. Mit<br />

anderen Worten: Kinder wickeln, füttern, anziehen und dann<br />

Stück für Stück ins Auto tragen. Während man also Kind A<br />

ins Auto bringt, brüllt Kind B. Holt man dann Kind B, dann<br />

tut Kind A seinen Unmut kund. So wissen auch die Nachbarn,<br />

dass es zu einem Milch-Engpass gekommen ist. Wichtig:<br />

Kinderwagen nicht vergessen. Der ist nicht nur schwer,<br />

sondern auch äußerst sperrig. Die Einkaufsliste sollte demnach<br />

relativ kurz sein, da der Kofferraum bereits vom Wagen<br />

besetzt ist. Und von jenen Dingen, die jede Mutter eben so<br />

mithaben muss: Windeln, Feuchttücher und einen Liter Baldrian.<br />

Zum Eigengebrauch, versteht sich …<br />

Die zweite Möglichkeit, an frische Milch zu kommen, sind die<br />

öffentlichen Verkehrsmittel: Da sind Geschick und vor allem<br />

Diplomatie gefragt. „Och – sind das Zwillinge?“, ist die am<br />

häufi gsten gestellte Frage. Obwohl es mir auf der Zunge liegt<br />

zu sagen: „Nein, die sind zufällig gleich angezogen und sehen<br />

sich zufällig ähnlich“, antworte ich höfl ich: „Ja – Zwillinge!<br />

Was für ein Segen!“ Währenddessen brüllt Kind A aus voller<br />

Kehle und Kind B beginnt verdächtig streng zu riechen. Aber<br />

was soll’s: Es sind ja nur noch fünf Stationen.<br />

Kommen wir also zur dritten Möglichkeit, endlich frische<br />

Milch zu kaufen: per pedes. Wir erinnern uns: Kinder sind satt,<br />

sauber und glücklich. Den sperrigen Zwillingskinderwagen<br />

habe ich die Treppen hinunter getragen, begleitet von den lieblichen<br />

Stimmen des Nachwuchses, der lauthals seinen Unmut<br />

kundtut. Optimisten könnten es auch Anfeuerungsrufe<br />

nennen. Ich stopfe also die Kinder in den Wagen und schnappe<br />

die Wickeltasche, die gefühlte 200 Kilo wiegt. Schweiß gebadet<br />

winke ich den Nachbarn zu, die ob dieses Schauspiels den<br />

eigenen Kinderwunsch stark überdenken. Wir schleppen uns –<br />

also eigentlich schleppe ich alle – in den Supermarkt und raffe<br />

dort in Windeseile alles, was man eben so braucht, an mich.<br />

Natürlich in einem Sicherheitsabstand zu den Regalen. Denn<br />

auch kurze Arme können fl ink sein.<br />

So stehe ich nun – egal für welche der drei Varianten ich<br />

mich entschieden habe – an der Kassa: Der Zwillingswagen<br />

passt leider nicht durch, was vor allem die fünf Leute hinter<br />

mir freut. Man öffnet uns also die Kassa für Rollstuhlfahrer<br />

und Kind A nutzt den Tumult, um noch schnell einen Schokoriegel<br />

zu klauen.<br />

Als ich endlich bezahlt habe, fällt es mir wie Schuppen von<br />

den Augen: Verdammt, ich habe die Milch vergessen!<br />

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