Festschrift-Helmholtz-Gemeinschaft-web
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Die <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> in historischer Perspektive<br />
18<br />
Bundesministerium für Forschung und Technologie, sogenannte Kreuzbauten in Bonn<br />
(aktuelle Ansicht). Foto: BMBF/Stefan Müller Fotografie<br />
Fernsteuerbares Manipulatorfahrzeug des Kerntechnischen Hilfszugs (KTH), 1974.<br />
Foto: KIT-Archiv<br />
schen und wissenschaftlich-technischen Interessen wurde<br />
stabilisiert. Der politisch verbriefte Bedarf des Staates an institutionell<br />
gesicherten Kapazitäten zur Erforschung komplexer<br />
Großsysteme garantierte ihren Bestand über die Wechsellagen<br />
inhaltlicher Schwerpunktsetzungen hinweg.<br />
3. Vom Arbeitsausschuss zur Arbeitsgemeinschaft: Identitätsfindung<br />
der Großforschung in den 1960er Jahren<br />
Die Identitätsfindung der Großforschungseinrichtungen nahm in<br />
dem 1958 gegründeten „Arbeitsausschuß für Verwaltungs- und<br />
Betriebsfragen der deutschen Reaktorstationen“ ihren Ausgang.<br />
Wie bei jeder Verbandsbildung ging es zunächst einmal um<br />
die Selbsthilfe der Betroffenen, befanden sich doch die Kernforschungseinrichtungen<br />
in den späten 1950er Jahren noch „rechtlich,<br />
organisatorisch, aber auch betriebs- und sicherheitstechnisch<br />
in einem Neuland ohne Infrastruktur“. 30 So war etwa<br />
das Bundesatomministerium erst im Aufbau, und ein Gesetz zur<br />
Regelung der Atomwirtschaft lag auf Bundesebene noch nicht<br />
vor. Die Initiative ging von den Administratoren der Kernforschungszentren<br />
aus und hier insbesondere von dem kaufmännischen<br />
Geschäftsführer der GKSS, Manfred von zur Mühlen.<br />
Im Unterschied zu den Wissenschaftlern, die international breit<br />
vernetzt waren, verfügten die Verwaltungsexperten über kein<br />
Forum der Kommunikation und des Erfahrungsaustausches. Aus<br />
der konstituierenden Sitzung in der GKSS am 29. Oktober 1958<br />
entwickelte sich ein periodisch tagendes Gremium des informellen<br />
Austauschs über administrative, betriebswirtschaftliche<br />
und betriebstechnische Fragen, das zwar gemeinsame Empfehlungen<br />
etwa zur Ausbildung und Prüfung des Reaktorpersonals<br />
erarbeitete, zunächst jedoch kein Mandat besaß, gemeinsame<br />
Interessen zu formulieren und durchzusetzen.<br />
Die Dynamik der Entwicklung ging über die Skeptiker eines Wandels<br />
zur Interessenvertretung rasch hinweg. Nicht einmal<br />
andert halb Jahre nach der Gründung wurde die Etablierung von<br />
etwa vier- bis fünfmal pro Jahr tagenden Arbeitskreisen<br />
beschlossen. Die anfänglich zwei Arbeitskreise für Verwaltungsfragen<br />
und für technische Fragen differenzierten sich zügig in<br />
zahlreiche Unterausschüsse aus, von denen dem Ausschuss für<br />
Tariffragen die größte Bedeutung zukam. Vor allem in der zweiten<br />
Hälfte der 1960er Jahre, als nach Einführung des Bundesangestelltentarifs<br />
1961 die Diskussion um Sonderrechte für die<br />
Wissenschaft hochkochte, sollte sich die Debatte um eine<br />
eigene Vergütungsordnung für die Reaktorstationen zum Treiber<br />
für die Identitätsfindung der Großforschung entwickeln. Im Wettbewerb<br />
mit der expandierten Kernenergiewirtschaft um qualifizierte<br />
Kräfte drohten die Zentren über die starre Anwendung<br />
öffentlicher Tarife immer mehr an Boden zu verlieren. Die Debatten<br />
um Tarif-, Personal- und Arbeitsrechtsfragen mündeten 1968<br />
gar in Überlegungen, den Arbeitsausschuss in einen eigenständigen<br />
Arbeitgeberverband umzuwandeln.<br />
Doch nicht nur Personalfragen beschäftigten den Arbeitsausschuss<br />
und seine Untergremien. Im Zusammenhang mit Versicherungsfragen<br />
und Atomhaftungskonventionen rückte<br />
beispielsweise auch die Gründung eines gemeinsamen Unfalldienstes<br />
in den Vordergrund, der im Falle eines größeren<br />
nuklearen Störfalls tätig werden sollte. Als „Kerntechnischer<br />
Hilfszug“ wurde er schließlich am Kernforschungszentrum<br />
Karlsruhe stationiert.<br />
Ein weiterer inhaltlicher Treiber auf dem Weg zu einer gemeinsamen<br />
Identität und Interessenvertretung war der Problemkreis<br />
der wirtschaftlichen Verwertbarkeit von geistigem Eigentum<br />
in der Form von Patenten und Lizenzen. Stärker noch als die