Festschrift-Helmholtz-Gemeinschaft-web
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Die Promotoren mögen auch diesen systemischen Wandel der<br />
Großforschung im Sinn gehabt haben, als sie Mitte der 1990er<br />
Jahre die <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> auf den Weg brachten. Im<br />
Vordergrund stand dabei freilich eine wissenschaftspolitische<br />
Argumentation: Der Rekurs auf die Größe als Konstituens von<br />
Großforschung drohte insbesondere in Zeiten des knappen<br />
Geldes die Mitglieds einrichtungen der <strong>Gemeinschaft</strong> in eine<br />
Budgetkrise zu stürzen. Allzu häufig hatten sie erlebt, dass<br />
die staatlichen Zuwendungsgeber vor allem bei der Großforschung<br />
den Rotstift ansetzten, wenn es darum ging, Mittel einzusparen.<br />
Umso mehr galt es, „das Odium der Größe“ loszuwerden,<br />
wie Wolfgang Frühwald dies bereits 1995 beim Festakt<br />
der <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> formuliert hatte. 115 Anstelle der<br />
Größe trat nun die Vernetzung als bestimmendes Merkmal der<br />
<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong>. Ob intendiert oder nicht: Mit der<br />
<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> hat die Großforschung in Deutschland<br />
die epistemische Transformation der Forschung aufgenommen<br />
und institutionell umgesetzt.<br />
Heute bereitet sich die <strong>Gemeinschaft</strong> auf eine Zukunft des deutschen<br />
Wissenschafts- und Innovationssystems vor, das nach<br />
dem Auslaufen der Exzellenzinitiative und des Pakts für Forschung<br />
und Innovation einem intensivierten Wettbewerb um<br />
Ressourcen unterworfen sein wird. Die <strong>Helmholtz</strong>-Führung hat<br />
in ihrem Strategiepapier „<strong>Helmholtz</strong> 2020“ proaktiv Perspektiven<br />
für die Weiterentwicklung ihres eigenen Profils und Portfolios<br />
sowie auch des nationalen Wissenschaftssystems generell<br />
entwickelt. Das instruktive, jedoch aus Kreisen der Universitäten<br />
ob eines vermeintlichen Führungsanspruchs der <strong>Helmholtz</strong>-<br />
<strong>Gemeinschaft</strong> kritisierte Strategiepapier zeigt eine Fülle sowohl<br />
von wissenschaftlichen und technischen als auch von institutionellen<br />
und gesellschaftlichen Innovationen auf. Umso bemerkenswerter<br />
ist, dass die <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> ihr Alleinstellungsmerkmal<br />
jedoch primär „im Management, Bau und Betrieb<br />
komplexer nationaler und internationaler Forschungsinfra strukturen“<br />
und in deren Weiterentwicklung sieht. Auch wenn sie<br />
hierbei auf die Perspektive von zunehmend europäisch und<br />
damit transnational ausgerichteten Forschungsinfrastrukturen<br />
verweist, an deren Spitze sich die <strong>Helmholtz</strong>-Zentren stellen<br />
sollen, fällt doch das hohe Maß an historischer Kontinuität auf.<br />
Als vor mittlerweile mehr als einem halben Jahrhundert eine<br />
Handvoll von Großforschungseinrichtungen rund um die damals<br />
grassierende Atomeuphorie gegründet wurde, verfügten diese<br />
über handfeste Großgeräte wie Forschungsreaktoren oder<br />
Teilchenbeschleuniger, und ihre Identität speiste sich zum Gutteil<br />
aus der Rolle als Kompetenzträger im Bau und Betrieb<br />
solcher komplexer Großgeräte der Forschung. Das aktuelle Verständnis<br />
von Forschungsinfrastrukturen mag darüber hinausgehen<br />
und beispielsweise auch den Betrieb von komplexen<br />
Datenbanken beinhalten, und doch macht es sich vor allem am<br />
Vorhalten solch aufwendiger Großgeräte fest, deren Bau und<br />
Betrieb, Unterhalt und Weiterentwicklung enorme Ressourcen<br />
binden. Ob sie will oder nicht: Die <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong><br />
Deutscher Forschungszentren wird ihr historisch gewachsenes<br />
Profil als <strong>Gemeinschaft</strong> von Einrichtungen, an denen Großforschung<br />
betrieben wird, nicht los – und sie tut gut daran, sich an<br />
dieses tief in ihrer Geschichte verankerte Profil immer wieder<br />
zu erinnern.<br />
Die Autoren<br />
Dieter Hoffmann (geb. 1948)<br />
ist seit 1995 Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte<br />
in Berlin, ab 2014 im Ruhestand. Er lehrte zugleich als apl.<br />
Professor an der Humboldt-Universität, wo er auch in Physik diplomiert<br />
(1972) und mit wissenschaftshistorischen Arbeiten promoviert (1976)<br />
und habilitiert (1989) wurde.<br />
Sein Forschungsschwerpunkt ist die Wissenschafts- und Physikgeschichte<br />
des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere die Geschichte<br />
wissenschaft licher Institutionen und die wissenschaftshistorische Biografik.<br />
Darüber hinaus forscht er zu den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen<br />
wissenschaftlicher Forschung in totalitären Regimen, namentlich<br />
während des Dritten Reiches und in der ehemaligen DDR.<br />
Anlässlich der Namensgebung der <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> hat er 1996<br />
eine Ausstellung zu Hermann von <strong>Helmholtz</strong> im Deutschen Museum<br />
Bonn kuratiert, die anschließend auch in vielen Forschungszentren der<br />
<strong>Gemeinschaft</strong> gezeigt wurde.<br />
Er ist seit 2002 Mitglied der International Academy of the History of<br />
Science und seit 2010 der Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften.<br />
2010 wurde er mit der Ehrennadel der Deutschen Physikalischen<br />
Gesellschaft geehrt.<br />
Helmuth Trischler (geb. 1958)<br />
ist seit 1990 Mitarbeiter des Deutschen Museums in München und seit<br />
1993 in der Museumsleitung für den Bereich Forschung verantwortlich.<br />
Daneben leitet er das 2009 gegründete Rachel Carson Center for<br />
Environment and Society, ein Käte Hamburger Kolleg des BMBF, und lehrt<br />
als apl. Professor für Neuere und Neueste Geschichte sowie Technikgeschichte<br />
an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er auch<br />
promoviert (1986) und habilitiert (1991) wurde.<br />
Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Wissenschafts-, Technikund<br />
Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, insbesondere der<br />
vergleichenden Geschichte nationaler Wissenschaftssysteme und Innovationskulturen<br />
im 20. Jahrhundert. Im Zusammenhang mit seiner Habilitation,<br />
die sich mit der Geschichte der Luft- und Raumfahrtforschung in<br />
Deutschland beschäftigte, war er an der Wende zu den 1990er Jahren<br />
leitend am großangelegten Forschungsprojekt zur Geschichte der deutschen<br />
Großforschungseinrichtungen beteiligt.<br />
Sein 2014 erschienenes Buch „Building Europe on Expertise. Innovators,<br />
Organizers, Networkers“ wurde mit dem Freeman Award der European<br />
Society for the Study of Science and Technology ausgezeichnet.<br />
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