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Festschrift-Helmholtz-Gemeinschaft-web

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Die <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> in historischer Perspektive<br />

42<br />

Gehirn einer Maus, Human Brain Projekt. Foto: Amunts, Zilles, Axer et. al./Forschungszentrum Jülich<br />

haben die verschiedenen Phänomene von Big Science in einer<br />

langen Liste konkretisiert: Großforschung als wissenschaftliches<br />

Phänomen; Großforschung als Typus institutionalisierter Wissenschaft;<br />

Großforschung als Phänomen der Wissenschaftspolitik;<br />

Großforschung als industrielle Produktion; Großforschung als<br />

Instrument; Großforschung als Pathologie; Großforschung als<br />

ethisches Problem im Massenbetrieb der Wissenschaft; Großforschung<br />

als Wissenschaftskultur; schließlich: Großforschung<br />

als Lebensform. 111 Der Fokus auf Größe verstellt dabei eher den<br />

Blick auf die unterschiedlichen Dimensionen und Kulturen von<br />

Großforschung, welche die Großforschungshistorikerin Catherine<br />

Westfall am Beispiel der US-amerikanischen Nuklear- und<br />

Teilchenphysik in eine Skala einsortiert hat, die von „modest“,<br />

über „mezzo“ bis „grand“ reicht. 112<br />

Die Großforschung entstand im zweiten Drittel des 20. Jahrhundert<br />

vor allem in der Physik, die über weite Strecken dieses<br />

Jahrhunderts die Leitwissenschaft bildete. Mit der zunehmenden<br />

Ablösung der Physik durch die Lebenswissenschaften als Leitwissenschaft<br />

im letzten Drittel des Jahrhunderts begann sich<br />

die Großforschung nicht nur als wissenschaftliches Phänomen,<br />

sondern auch als Wissenschaftskultur zu verändern. Die Dynamik<br />

dieses Wandels manifestierte sich in Deutschland in der<br />

Etablierung von lebenswissenschaftlichen Großforschungseinrichtungen<br />

sowie auch in der Diversifizierung von zunächst<br />

durch die Physik geprägten Einrichtungen in die Lebenswissenschaften<br />

hinein, wofür das Forschungszentrum Jülich ein<br />

signi fikantes Beispiel abgibt. Dieser systemische Wandel zeigte<br />

sich aber auch in einer stärker netzwerkartigen Struktur von<br />

Projekten der Großforschung: Auch hier gaben die Lebenswissenschaften<br />

die Richtung vor, und die Biologie zumal wandelte<br />

sich zur „Big Biology“. Das Human Genom Project mit seiner<br />

netzförmigen Kooperation von Forschungszentren über disziplinäre<br />

und nationale Grenzen hinweg gilt als Referenzprojekt<br />

für diese säkulare Transformation lebenswissenschaftlicher<br />

Forschung. Als „supersizing science“ hat die Wissenschaftsforscherin<br />

Niki Vermeulen diesen Kultur- und Gestaltwandel<br />

der Großforschung bezeichnet und dabei neuerlich das konstitutive<br />

Element der netzwerkförmigen Kooperation herausgearbeitet.<br />

113 Das Human Brain Project, das als wissenschaftliches<br />

Flaggschiff-Projekt der Europäischen Union die Simulation<br />

des menschlichen Gehirns zum Ziel hat, ist ein weiteres Beispiel<br />

für die wachsende Entfaltung dezentral organisierter Strukturen<br />

von Großforschung. An diesem milliardenschweren Vorhaben<br />

sind 112 Partner in 24 Ländern beteiligt, darunter auch die drei<br />

<strong>Helmholtz</strong>-Zentren Forschungszentrum Jülich, KIT und DLR.<br />

Kurzum: Das für die Großforschung kon stitutive Koordinatensystem<br />

von Kooperation und Konkurrenz verschiebt sich in der<br />

<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> in Richtung der Kooperationsachse.<br />

Die Führung der <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> brachte diesen<br />

Gestaltwandel mit den folgenden Worten auf den Punkt: Die<br />

<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> stehe „für eine konzertierte Forschung,<br />

die die Vernetzung als Prinzip für forschendes Denken und Handeln“<br />

voraussetze. 114 In der Tat, deutlicher als je zuvor gewinnt<br />

das für die Wissenschaft konstitutive Koope rationsparadox an<br />

Gestalt: Der intensivierte Wettbewerb um Forschungsressourcen<br />

führt zu einer verstärkten Kooperation der Zentren untereinander,<br />

wodurch die Binnenkohärenz der <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong><br />

weiter gestärkt wird.

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