Festschrift-Helmholtz-Gemeinschaft-web
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Die <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> in historischer Perspektive<br />
24<br />
Wissenschaftszentrum, Bonn-Bad Godesberg. Foto: M. Sondermann/Bundesstadt Bonn<br />
habe, das seinerseits auch das Gewicht des Forschungsressorts<br />
in der Forschungspolitik gestärkt habe. Der Bund habe die<br />
Tendenz, „für jedes Programm über mindestens eine Großforschungs<br />
einrichtung zu verfügen“. 49 Der überaus einflussreiche<br />
und durchsetzungsfähige AGF-Vorsitzende Karl Heinz Beckurts<br />
sah dies an der Wende zu den 1980er Jahren nicht anders:<br />
Dem Bund werde es „auf Dauer nur dann möglich sein, den<br />
hohen Anteil der Großforschungseinrichtungen an seinem<br />
Budget zu rechtfertigen, wenn dieselben im politischen Bereich<br />
als erfolgreich und unbedingt notwendig dastehen“. 50<br />
Diese Konstellation wechselseitiger Abhängigkeiten führte in<br />
den 1980er Jahren zu vielfältigen Initiativen des Bundes, die<br />
Großforschung zu stärken. Nach der forschungspolitischen<br />
„Wende“ im Zuge des Regierungswechsels 1982/83 hieß dies<br />
etwa, den Dialog zwischen Großforschung und Industrie zu<br />
in ten sivieren, um die Zentren an die Auftragsforschung heranzuführen,<br />
die Marktorientierung und den Technologietransfer<br />
auszubauen und sich generell vermehrt an dem Paradigma der<br />
wirtschafts- und innovationspolitischen Nützlichkeit zu orientieren.<br />
51 Gebündelt wurden die Maßnahmen zur Stärkung der<br />
Großforschung in einer großangelegten, oben bereits erwähnten<br />
Studie der Bundesregierung über „Status und Perspektiven<br />
der Großforschungseinrichtungen“, die im April 1984 veröffentlicht<br />
(BT-Drucksache 10/1327) und drei Monate später durch<br />
eine ergänzende Stellungnahme (BT-Drucksache 10/1771) vervollständigt<br />
wurde. Die AGF reagierte und steuerte im darauffolgenden<br />
Jahr ihre Überlegungen „Zur thematischen Orientierung<br />
der Großforschung in den 80er und 90er Jahren“ bei. Als<br />
die Bundesregierung wiederum ein Jahr später einen umfangreichen<br />
Sachstandsberichts über die Realisierung der Absichten<br />
und Maßnahmen vorlegte, zog sie ein überwiegend positives<br />
Fazit. Manches sei ob der Kürze der Zeit noch im Fluss und die<br />
eine oder andere Überlegung müsse noch zu Ende gedacht<br />
werden, aber generell sei es gelungen, „die Energieforschung,<br />
und hier besonders der Nuklearbereich, in einem wesentlich<br />
größeren Umfang aus der Großforschung“ zu entlassen, als dies<br />
zwei Jahre zuvor absehbar gewesen sei. Im Gegenzug sei die<br />
Groß forschung „verstärkt auf die neuen Zukunftsaufgaben“ im<br />
Bereich der Informationstechnik, Fertigungstechnik, Materialforschung<br />
und Biotechnologie ausgerichtet worden. 52 Ein besseres<br />
Zeugnis hätte die Bundesregierung der in Wirtschaft und<br />
Öffentlichkeit vielfach als schwerfällig und ineffizient kritisierten<br />
Großforschung kaum ausstellen können.<br />
Wir wechseln am Ende dieses Kapitels nun nochmals die Perspek<br />
tive: Im institutionellen Gedächtnis der <strong>Helmholtz</strong>-<br />
<strong>Gemeinschaft</strong> litt ihre Vorgängerorganisation unter einem<br />
schwer wiegenden, ja irreparablen Geburtsfehler, der ihre wissenschaftspolitische<br />
Durchsetzungsfähigkeit in wachsendem<br />
Maße hemmte. So vehement die Mitgliedseinrichtungen<br />
nach außen einen Anspruch auf Autonomie geltend machten,<br />
so wenig waren sie bereit, auf diesen im Binnenverhältnis<br />
zugunsten einer Steigerung ihres gemeinsamen Gewichts zu<br />
verzichten. Das in der Geschäftsordnung fixierte Recht, abweichende<br />
Meinungen nach außen zu vertreten, wurde „nicht<br />
selten rücksichtslos wahrgenommen“. 53 Dadurch wuchsen intern<br />
Selbstzweifel, zumal es nicht gelingen wollte, zentrenübergreifende<br />
Entscheidungsmechanismen unter Verzicht auf eigene<br />
institutionelle Souveränität zu etablieren. Die aus Selbstzweifel<br />
und Autonomiefixierung resultierende Schwäche lähmte die<br />
Arbeitsgemeinschaft. Mehr noch, die Großforschung generell<br />
verlor an forschungspolitischem Ansehen und schließlich auch<br />
an öffentlichen Finanzzuwendungen und Planstellen. Mehr<br />
und mehr wurde in den späten 1980er Jahren die Überzeugung<br />
gepflegt, dass die Großforschungseinrichtungen sich eigentlich<br />
überlebt hatten und Rudimente einer anderen Zeit seien – man<br />
verglich sie vielfach mit „behäbigen Tankern“ oder „morschen<br />
Kähnen“, deren Untergang nur noch auf sich warten ließe. 54 Zu<br />
diesen Untergangsszenarien gehörte auch, dass in den öffentlichen<br />
Diskussionen vereinzelt Vorstellungen laut wurden, die<br />
in den Großforschungszentren betriebene Grundlagenforschung<br />
der MPG zuzuweisen und die angewandte Forschung der Fraunhofer-Gesellschaft,<br />
womit die Auflösung der AGF besiegelt gewesen<br />
wäre. 55