Festschrift-Helmholtz-Gemeinschaft-web
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„Im Grunde stärkte die Entwicklung zur<br />
<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> auch die Autonomie<br />
der Großforschungseinrichtungen.“<br />
JOACHIM TREUSCH<br />
52<br />
und dies zunehmend nach der Wiedervereinigung und den damit<br />
verbundenen Kürzungen – begriffen, dass das Problem der<br />
Größe des gemeinsamen Kuchens wichtiger ist und dass deswegen<br />
ein gemeinsamer Auftritt der Forschungszentren eine<br />
wesentliche Rolle spielt. Im Übrigen war die Wirksamkeit der<br />
AGF nach innen wie nach außen immer sehr stark mit der Persönlichkeit<br />
ihres jeweiligen Vorsitzenden verbunden.<br />
Welches Profil hatte die Arbeitsgemeinschaft in dieser Zeit?<br />
Joachim Treusch Anfang der 1990er Jahre, also vor und kurz nach<br />
der Wiedervereinigung, war völlig klar: Die Max-Planck-Gesellschaft<br />
spielt in einer eigenen Liga. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft<br />
(DFG) hatte als weltweit beneidete Selbstorganisation<br />
der Ressourcenverteilung für die Wissenschaft ebenfalls<br />
eine Sonderrolle. Die Fraunhofer Gesellschaft war wegen ihrer<br />
Wirtschafts- und Praxisnähe in einer, allerdings erfolgreichen,<br />
Außenseiterrolle. Im Vergleich dazu waren die Großforschungszentren<br />
ein bisschen die Schmuddelkinder und mussten um<br />
ihren guten Ruf kämpfen.<br />
Dann hat sich durch die Wiedervereinigung das Gleichgewicht<br />
der Forschungsorganisationen verändert?<br />
Joachim Treusch Ja. Es ging damals um eine glaubwürdige und vermittelbare<br />
Aufgabenverteilung der im Vergleich zu anderen<br />
Ländern sehr hoch differenzierten deutschen Forschungslandschaft:<br />
Wofür stehen Max-Planck-Gesellschaft, Fraunhofer-<br />
Gesellschaft, <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> und die Universitäten?<br />
In der Folge betraf diese Frage auch die Leibniz-<strong>Gemeinschaft</strong>.<br />
Das Stichwort für <strong>Helmholtz</strong> wurde später dann die Programmorientierte<br />
Förderung, die natürlich Grundlagenforschung,<br />
Großgerätebetrieb, Ausbildung und internationale und nationale<br />
Kooperation mit umfasst.<br />
Als ich 1993 als Vorsitzender der AGF Mitglied in der Allianz der<br />
Forschungsorganisationen wurde, waren die wesentlichen Akteure<br />
in der Allianz der Max-Planck-Präsident Hans F. Zacher und<br />
der DFG-Präsident Wolfgang Frühwald. Beide wurden meine<br />
natürlichen Verbündeten. Sie wollten das deutsche Wissenschafts<br />
system klarer und damit stabiler strukturieren und sie<br />
wussten, dass dabei den Großforschungszentren eine wichtige<br />
Rolle zukommen müsste. Deswegen waren sie sehr hilfreich bei<br />
der Umorganisation der AGF vom losen Interessenverbund zur<br />
<strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong> als stärkerer <strong>Gemeinschaft</strong>. Und das<br />
1994 umbenannte Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft,<br />
Technologie und Forschung (BMBF) – genauer gesagt: entscheiden<br />
de Personen in der Leitung des BMBF – haben schnell erkannt,<br />
dass eine organisierte Großforschung ein gutes Instrument für<br />
gezielte Forschungspolitik sein könnte. Das galt ganz besonders<br />
auch im internationalen Kontext, wo das DESY für das CERN ebenso<br />
unverzichtbar war wie München oder Jülich für die Fusionsforschung,<br />
um nur zwei Beispiele zu nennen. Das sagt nicht, dass<br />
das BMBF uns hier im Detail gesteuert hätte. Aber die Politik sah<br />
das Potenzial, mit den Forschungszentren gemeinsame Ziele zu<br />
verfolgen. So wurde aus der AGF die <strong>Helmholtz</strong>-<strong>Gemeinschaft</strong>. Sie<br />
war also auch ein Ergebnis der forschungs politischen Prozesse,<br />
die sich auch durch die Wiedervereinigung ent wickelt hatten.<br />
In diesem Prozess haben Sie eine maßgebliche Rolle gespielt.<br />
Wie würden Sie diese Rolle beschreiben?<br />
Joachim Treusch Wir haben im Vorfeld lange über die Strategie ge -<br />
redet und ich habe mir auch Rat geholt, insbesondere bei Zacher<br />
und Frühwald. Das Ministerium war in diesen Prozess zunächst<br />
nicht eingebunden. Ich habe dann im Februar 1995 zu einer<br />
Mitgliederversammlung der AGF auf Schloss Ringberg eingeladen.<br />
Informiert und außerordentlich hilfreich war Klaus Fleischmann,<br />
der damalige Geschäftsführer der AGF. Diese Sitzung war<br />
extrem intensiv: von morgens 9 Uhr bis abends 9 Uhr ohne<br />
Unterbrechung, aber nach einem gut vor bereiteten „Drehbuch“.<br />
Am Ende waren alle überzeugt, dass jeder etwas Auto nomie an<br />
die Zentrale abgeben muss, sonst können wir nach außen keine<br />
starke <strong>Gemeinschaft</strong> bilden. Dazu brauchen wir einen Senat,<br />
der uns kritisch begleitet und nach außen vertritt, und einen<br />
Namen, hinter dem sich alle sammeln können. Der Name <strong>Helmholtz</strong><br />
wurde in einem Brainstorming mit meinem Jülicher Vorstandskollegen<br />
Ernst Pöppel ins Spiel gebracht – vor allem<br />
wegen <strong>Helmholtz</strong>’ fachlicher Vielfalt, in der sich alle wiederfinden<br />
konnten, aber auch weil die Verwandlung von AGF zu HGF<br />
rein sprachlich für jedermann leicht zu bewältigen war. All das<br />
wurde auf Schloss Ringberg am 4. Februar 1995 beschlossen.<br />
Der Vertrauensvorschuss, den ich damals bekommen habe, war<br />
unendlich groß.