r1 - Geschichtsverein für den Landkreis Deggendorf

herbe Rüge ein, mit der ihm zum Vorwurf gemacht wurde, er erfülle in Greising seine
Pflichten nicht. Er müsse an allen Sonn- und Feiertagen, und zwar das ganze Jahr über,
in Greising eine Heilige Messe lesen lassen. Aus welcher Ursache es zu diesem Vorwurf
der Pflichtverletzung kam, läßt sich heute nicht mehr ergründen. Vielleicht „stolperte"
jemand, der sich irgendwie dafür verantwortlich fühlte, über die Verwilligung vom 27.
April 1689, durch die die Zelebration der Heiligen Messe an allen Sonn- und Feiertagen,
wie auch Werktagen, gestattet worden war. Vielleicht wollte man höheren Orts auch
nur aus einer Gewohnheit eine Pflicht machen, denn der damalige Kooperator Kueffer
mußte auf Anfrage einräumen, daß 1699 und nit weniger die 2 folgenden Jahre ehe Herr
Wuzer das Zeitliche segnete, hier alle Sonn- und Feiertage des ganzen Jahres eine hl.
Messe in Greising gelesen worden, welches aber nicht ex obligatione (aus Verpflichtung),
sondern vonwegen der vielfältig dazumalen gemachten Votive geschechen 46 . Über die
weitere Entwicklung dieser Angelegenheit sind wir leider nicht mehr zuverlässig informiert.
Ein kleines Detail am Rande: der Beginn der Heiligen Messe dürfte in der Zeit
zwischen Georgi (23. April) und Michaeli (29. September) um 8.30 Uhr gewesen sein,
in der übrigen Zeit aber erst um 9 Uhr.
Bereits ein flüchtiger Blick auf die Grafik über den jährlichen Gottsherath läßt trotz der
fehlenden Angaben für die Jahre 1688—1696 deutlich einen eindrucksvollen Gipfel in
der Zeit zwischen 1687 und 1706 erkennen. In diese zwei Jahrzehnte fallen nicht nur der
Bau der ersten gemauerten Kapelle, sondern auch die Anschaffung eines neuen Altars
und zahlreicher anderer Sakralgegenstände für die Kapelle (S. 64 f). Geht man einmal,
wenn auch mit allen Einschränkungen, davon aus, daß der Gottsherath ein ungefähres
Maß für die Zahl der nach Greising kommenden Wallfahrer sein kann, so muß in dem
angegebenen Zeitraum der Pilgerstrom sehr beachtlich gewesen sein. Die ständig gegenwärtige
Kriegsgefahr im Südosten Europas (Türkenangriffe) und der Ausbruch des Spanischen
Erbfolgekriegs (1701) mögen sicherlich ganz erheblich dazu beigetragen haben,
daß die beunruhigte Bevölkerung ihre Zuflucht bei Wallfahrtsstätten nahm. Das mag
eine Erklärung für die ansehnlichen Geld- und Naturalopfer in Greising liefern.
Bei genauerer Betrachtung der Grafik ist aber auch ein deutlicher Rückgang des Opfers
in den Jahren 1700 bis 1703 festzustellen; 1703 wird ein vorläufiger Tiefpunkt erreicht.
Angesichts der folgenschweren Auswirkungen des Spanischen Erbfolgekriegs in Deggendorf
und seinem Umland ist dies nicht weiters verwunderlich.
Und dennoch gerät man hierbei sehr schnell in Zweifel und Verwirrung. Einerseits machen
der Krieg und seine zahlreichen Folgeerscheinungen, wie hohe Brandschatzungsabgaben,
Erpressungen, Plünderungen,- Einquartierungslasten durch die feindlichen
Truppen, aber auch epidemisch verlaufende Krankheiten ein besonders intensives Wallfahrtsgeschehen
in Greising verständlich. Ob dabei die ständige Angst vor neuen unmittelbaren
Feindeinwirkungen, wie Abgaben, Plünderungen usw. oder die indirekten
Gefahren für Leib und Leben durch ansteckende Krankheiten im Vordergrund standen,
wissen wir nicht. Tatsache ist nur, daß 1703 in der Pfarrei Deggendorf die Sterblichkeit
unter der Zivilbevölkerung und unter den Soldaten sehr hoch war. Der Verdacht,
daß es durch feindliche Soldaten eingeschleppte Infektionskrankheiten waren,
läßt sich durch die zahlreichen stereotypen Eintragungen im Sterbematrikel Nr. 26, verwahrt
im Bischöflichen Zentralarchiv Regensburg, erhärten: miles caesareus nöe —, d.
h. kaiserlicher Soldat, mit Namen —, 47
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