r1 - Geschichtsverein für den Landkreis Deggendorf
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Kurzum, die Faszination der ersten Jahre mag nachgelassen haben. Für manche Greising-Wallfahrer<br />
war die anfängliche und durchaus verständliche Neugierde befriedigt.<br />
Neue Wallfahrten entstan<strong>den</strong>, der Strom der Khirchfahrter verteilte sich, wurde umgelenkt.<br />
Baer 48 weist daraufhin, daß es 1511 in Deutschland lediglich zwölf Marienwallfahrten<br />
gegeben habe, 1738 aber immerhin über 2000. Da<strong>für</strong> schälte sich der „harte<br />
Kern" jener Wallfahrer aus der großen Masse heraus, die aus tiefer Gläubigkeit und religiöser<br />
Überzeugung immer wieder nach Greising pilgerten.<br />
Diese Zeit der Konsolidierung der Greisinger Wallfahrt fällt etwa mit dem zweiten<br />
Jahrzehnt der Amtszeit des <strong>Deggendorf</strong>er Pfarrers Tobias Franz oder Franciscus<br />
Wischlburger zusammen. Pfarrer Wischlburger war ein Sohn der Stadt <strong>Deggendorf</strong>;<br />
sein Vater, Dr. Tobias Wischlburger, war <strong>Deggendorf</strong>er Stadtarzt. Zwei Brüder des<br />
Pfarrherrn haben sich ebenfalls dem geistlichen Studium zugewandt: Pater Bonifacius<br />
Wischlburger wirkte im Prämonstratenserkloster Windberg bei Bogen, und Wolfgang<br />
Wischlburger war Karmelit ins Straubing.<br />
1723 faßte man <strong>den</strong> Entschluß, die gemauerte Kapelle der Jahre 1691/92 zu vergrößern.<br />
Anläßlich der Jahresabrechnung 1723 wurde an Ort und Stelle in Greising hierüber eine<br />
Konferenz abgehalten.<br />
Das Hauptmotiv <strong>für</strong> diese doch sehr umfangreiche Baumaßnahme an der Greisinger<br />
Wallfahrtskapelle ist auf <strong>den</strong> ersten Blick nicht klar zu erkennen. Man könnte sogar der<br />
Meinung sein, daß ein Scheinmotiv vorgeschoben wurde. Aus diesem Grund soll nun<br />
auch die, allerdings recht umfangreiche, Vorbemerkung des Gerichtsschreibers zu diesem<br />
tiefgreifen<strong>den</strong> Umbau bzw. Erweiterungsbau im vollem Wortlaut des Originals<br />
wiedergegeben wer<strong>den</strong>, um das taktische Manöver, durch das man sich endlich zum<br />
Kern der Sache heranarbeitete, zur Gänze darlegen zu können 49 :<br />
Ausgab auf Paucosten bey dieser Würdigen Unser Lieben Frauen Hilffcapellen zu Greising<br />
hiesigen Gerichts auf der durchgehenten Haupt und Landstraßen entlegen (= gelegen)<br />
/: welche mit Gdst Geistlichen Rhats: Regierungs: und Consistorial Consens erst ao<br />
(= anno) 1692 et 1693 iedoch sehr ciain und nur 24 Schuech lang auch 16 Schuech praitt<br />
erpaut wor<strong>den</strong>, massen vorhero von 1672 an, als aldorten die Andacht durch Franz<br />
Reischl, gewesten Bürgers und Mallers alhier zu <strong>Deggendorf</strong>, deshalben aufkhomben,<br />
umb sich dieser von dem Marckht Regen heraus, daselbsten man ihme einen Altar angedingt,<br />
in dem Wald in <strong>den</strong>en tiefen Schneeqwädten, solchergestalten verriten, dass er<br />
Ihme mit menschlicher Hilf davon nit mehr, sondern sambt dem Ross stöckhent zuverbleiben<br />
und zu verderben einbil<strong>den</strong> khönnen, mithin der Allerheiligsten Muetter Gottes,<br />
wann Ihme diese, wie auch also beschechen, aushelft und under ihren Schutz nemben<br />
werde ein Tafel Maria Hilff zu mallen und in besagtem Dörffl Greising an einem<br />
Pf all aufzuhängen verlobt, worauf er auch sambt bemeltem Pferdt ganz glükhlich und<br />
wunderbarlich durchraisen khönnen, nur ein schlecht kölzes Capellel vorhandten gewesen<br />
. . .<br />
Barocker Sprachstil und sachlicher Inhalt erzwingen hier eine Unterbrechung. Abgesehen<br />
davon, daß hier ein wahres Satzmonster vorliegt, sticht zunächst einmal der sehr<br />
großzügige Umgang des Herrn Gerichtsschreibers mit Jahreszahlen in der Kirchenrechnung<br />
des Pfleg- und Landgerichts pro anno 1724 (Blatt 245 f.) ins Auge. Daß bereits<br />
1672 in Greising ein schlecht hölzes Capellel vorhandten gewesen sein soll, stimmt<br />
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