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Fritz Pleitgen,<br />
Foto: Nikola Beier<br />
Herr Pleitgen, wie passen<br />
Ruhrgebiet und Film zusammen?<br />
Das Ruhrgebiet ist ein Ort schroffer<br />
Gegensätze, voller Drama und Lebenswille.<br />
Ein perfektes Milieu für Filmemacher. Hier<br />
findet er alles, was Menschen und Kulissen<br />
angeht – auch Idylle, Reichtum und Lust am<br />
Leben. Es ist daher eine Bestätigung, dass<br />
eine so wichtige Einrichtung wie der Europäische<br />
Filmpreis in die Metropole Ruhr<br />
kommt. Ein perfekter Prolog für die Kulturhauptstadt<br />
Europas 2010, Essen für das<br />
Ruhrgebiet.<br />
Welche Rolle spielen bewegte<br />
Bilder für das Projekt<br />
Ruhr.2010?<br />
Bewegte Bilder spielen in der Programmstrategie<br />
von Ruhr.2010 eine enorme<br />
Rolle. Mit bewegten Bildern gehen wir<br />
gegen das veraltete Image des Ruhrgebiets<br />
an. Hier gibt es mehr kulturelle Vielfalt pro<br />
Quadratmeter als sonst wo auf unserem<br />
Kontinent. Diese Realität wollen wir nicht<br />
zuletzt mit Hilfe bewegter Bilder in alle Welt<br />
vermitteln.<br />
Gibt es den Mythos Ruhrgebiet<br />
auch im Kino?<br />
Wenn sich Film und Fernsehen mit<br />
dem Ruhrgebiet beschäftigen, taucht unausweichlich<br />
der Mythos Ruhr auf. Er steht<br />
für Solidarität, Direktheit, Toleranz, Vielfalt<br />
der Kulturen und Nationen sowie den unbedingten<br />
Willen, nach Rückschlägen wieder<br />
aufzustehen. Dieser Geist ist kein Phantom,<br />
sondern tatsächlich für die Menschen<br />
in der Region charakteristisch. Ruhrgebietstypen<br />
eignen sich von daher gut für die<br />
Charakterrollen, kantig mit Herz.<br />
Kommt der oft zitierte<br />
Strukturwandel überhaupt gegen<br />
diesen Mythos an?<br />
So herzerwärmend der Mythos Ruhr<br />
ist, ist er auf der anderen Seite auch ein Bestätiger<br />
von Klischees. Der Ruhrie von heute<br />
wird zwar noch stark von dieser Mythos-<br />
Mentalität geprägt, ist aber längst nicht<br />
Fritz Pleitgen ist Vorsitzender der Geschäfts-<br />
führung der Ruhr.2010 GmbH. Mit dem<br />
ehemaligen Intendanten des Westdeut-<br />
schen Rundfunks sprach Wolfgang Hippe<br />
über die filmischen Angebote der Kultur-<br />
hauptstadt und den hartnäckigen Mythos<br />
des Ruhrgebiets.<br />
Interview Fritz Pleitgen<br />
Neue Bilder fürs<br />
neue Revier<br />
mehr der Malocher unter Tage, sondern ein<br />
wacher Typ, der sich entschlossen und zupackend<br />
nach den Chancen der neuen Zeit<br />
umsieht.<br />
Verbinden Sie mit dem<br />
Wandel bestimmte Bilder aus<br />
der Region?<br />
Der Wandel im Ruhrgebiet zeigt sich<br />
in vielen Bildern: Zeche Zollverein, Gasometer,<br />
Landschaftspark-Nord, Jahrhunderthalle,<br />
Dortmunder U, Museum Küppersmühle,<br />
Emscherinsel, Ruhrtalradweg oder Phoenixsee<br />
und Dutzenden mehr; kurz: Keine andere<br />
Region in Europa steht so sehr für den<br />
sichtbaren Wandel wie das Ruhrgebiet.<br />
Welche Filme über, bzw.<br />
aus dem Ruhrgebiet würden Sie<br />
gerne präsentieren?<br />
Mir persönlich hat aus jüngerer Zeit<br />
„Solino“ von Fatih Akin sehr gut gefallen.<br />
Das ist anrührend und auch komisch, guter<br />
Kinostoff eben. Allerdings, der Geschichte<br />
geschuldet, auch wieder mit Bildern des<br />
alten Ruhrgebiets. Nicht aber die Rückblende,<br />
das Original ist originell. Den beschriebenen<br />
Wandel zur Metropole Ruhr in neuen<br />
Bildern einzufangen, das ist die Herausforderung<br />
für kommende Filmemacher –<br />
warum nicht schon zur Kulturhauptstadt.<br />
Schwerpunkt – newsletter 6/2009<br />
Vor 20 Jahren war Lünen im nordöstlichen<br />
Ruhrgebiet noch Bergbaustadt<br />
und als solche – zumindest unter Tage – die<br />
Härte. Ein Ausdruck des Strukturwandels<br />
ist auch das Kinofest Lünen, das vom 19.<br />
bis 22. November seinen 20. Geburtstag<br />
feiert. Bis 2004 wurde das Kinofest vom Büro<br />
Schmitt & Teigler aus Köln geleitet. 2005<br />
übernahm Michael Wiedemann die Direktion.<br />
Bereits im September wurde Wim<br />
Wenders in Lünen verewigt. Er ist der vierte<br />
Filmkünstler, der in der Reihe „Eindrücke“<br />
– einer Serie von Kupferplatten mit Unterschriften<br />
prominenter Gäste beim Lüner<br />
Kinofest – geehrt<br />
wurde. Die Platte<br />
vor der Cineworld<br />
Lünen wurde von<br />
Kulturstaatsminister<br />
Bernd Neumann<br />
eingeweiht. Wenders<br />
bedankte sich<br />
mit einem Gedicht,<br />
Mike Wiedemann,<br />
Foto: <strong>Filmstiftung</strong> NRW<br />
in dem er in Anspielung<br />
auf das Festivalmotto<br />
u.a. reimt<br />
„Lünen mag „die<br />
Härte” sein, aber „to be hard is fine”!<br />
Im Vorfeld des Festivals, auf dem Filme<br />
wie „Mensch Kotschi“, „Zarte Parasiten“<br />
und „Diamantenhochzeit“ des Lüner Regisseurs<br />
Michael Kupczyk laufen, sprach Peter<br />
Hanemann mit Mike Wiedemann über<br />
Härte, Bilder aus dem Revier und die neuen<br />
Preise des Festivals<br />
Herr Wiedemann, das Kinofest<br />
wirbt mit der fröhlichen Behauptung,<br />
Lünen sei die Härte –<br />
als sei Lünen tiefste Provinz und<br />
nicht Teil des Ruhrgebiets. Inwieweit<br />
ist die Ruhr für das Kinofest<br />
identitätsstiftend?<br />
Wir sind schon ein starkes Stück Ruhrgebiet.<br />
Dafür steht auch unser Eröffnungsfilm.<br />
„Schnitzel für drei“ von Manfred Stelzer<br />
spielt in Dortmund. Und Hauptdarsteller<br />
Armin Rohde stammt als gebürtiger<br />
Gladbecker ja auch aus der Gegend.<br />
Sie selbst haben vor fast 30<br />
Jahren Peter F. Bringmanns<br />
Ruhrpott-Filme „Theo gegen den<br />
Rest der Welt“ und „Die Heartbreakers“<br />
produziert. Danach<br />
war es mit dem Genre wieder<br />
vorbei.<br />
„Ein Schnitzel für drei“ mit Armin Rohde (l.) und Ludger Pistor<br />
eröffnet das Kinofest Lünen, Foto: WDR/Thomas Kost<br />
Ja, danach gab es nur noch „Schimanski“.<br />
1991 war Armin Rohde im letzten<br />
Schimanski-Tatort einer der Gegenspieler<br />
von Götz George. Es gibt praktisch keine<br />
neuen fiktionalen Bilder von der Ruhr.<br />
Wenn es sie gäbe, würden wir sie in Lünen<br />
zeigen.<br />
Wo positionieren Sie Lünen<br />
in der überregionalen Festivalszene?<br />
Wir bewegen uns in etwa neben Hof<br />
und Saarbrücken. Mit dem Unterschied,<br />
dass Lünen in erster Linie ein Publikumsfestival<br />
ist. Unser Publikum kommt zu 90 Prozent<br />
aus Lünen und Umgebung und interessiert<br />
sich nicht dafür, ob ein Film schon<br />
einmal in Hof gelaufen ist. Deshalb können<br />
wir mögliche Konkurrenzen stressfrei angehen.<br />
20 Jahre Kinofest Lünen<br />
Neue Preise<br />
kriegt<br />
das Land<br />
Auch für Filmemacher<br />
lohnt sich ein Besuch in Lünen:<br />
Bei den Preisen gab es Bewegung<br />
...<br />
Stimmt, die Bavaria Film stiftet einen<br />
mit 25.000 Euro dotierten Produzentenpreis.<br />
Damit werden herausragende Leistungen<br />
von Produzenten gewürdigt. Im Gegenzug<br />
wird der Publikumspreis Lüdia von<br />
der <strong>Filmstiftung</strong> NRW um 10.000 auf<br />
20.000 Euro aufgestockt. Hinzu kommt die<br />
Teilnahme am Berlin & Beyond Film Festival<br />
in San Francisco. Neu ist auch der Westfälische<br />
Filmpreis für mittellange Filme aus<br />
NRW, den die Stiftung <strong>Westfalen</strong> Initiative<br />
vergibt. Der Preis passt zu den Filmlängen,<br />
mit denen unsere Nachwuchsfilmer arbeiten.<br />
Was ist das Thema des<br />
diesjährigen Lüner Film-Dialogs?<br />
Wir fragen, ob es im deutschen Film<br />
zusehends nur noch Festivalkarrieren gibt.<br />
Bei der Masse an Filmen, die jedes Jahr in<br />
Deutschland produziert werden, können die<br />
Festivals aus dem Vollen schöpfen. Aber<br />
was kommt für die Filme und Filmemacher<br />
nach den Festival-Präsenzen?<br />
Gibt es in diesem Jahr auch<br />
wieder eine Lesung mit Filmprominenz?<br />
Aber sicher. Marie-Luise Marjan, die<br />
in Essen geboren wurde und in Hattingen<br />
aufgewachsen ist, liest Geschichten aus<br />
dem Ruhrgebiet. Sie sehen, wir bleiben an<br />
dem Thema dran.<br />
www.kinofest-luenen.de<br />
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