VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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Freiheitlicher Sozialismus oder soziale Marktwirtschaft 435<br />
Zielsetzung, sondern die Frage, welches ist das beste Mittel, das geeignete Mittel, um<br />
das Ziel, das wir voraussetzen, zu verwirklichen. Die Frage Marktwirtschaft oder<br />
Planwirtschaft wird nicht auf der Ebene der Werturteile debattiert oder erörtert,<br />
sondern ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Dabei ist höchstens die Frage, welche<br />
Nebenwirkung die eine oder andere Wirtschaftsform in derselben Zielsetzung auslöst<br />
oder besonders fördert." 117<br />
"Eine solche Wirtschaft, die man sich selbst überläßt und bei der man dem freien<br />
Spiel der Kräfte den Lauf läßt, kann sich nur die Klasse leisten, die sich ihrer Übermacht<br />
absolut sicher ist. Wir wollen bei einer Planwirtschaft soweit wie möglich<br />
freiheitliche Maßnahmen durchführen. Ich sage aber, daß die Realität in der kapitalistischen<br />
Wirtschaft zeigte, daß da durchaus nicht die Vorstellung der Freiheit<br />
das primäre war, sondern die Vorstellung, daß der, der das Heft in der Hand hat,<br />
hier die Möglichkeit hatte, sich umso schrankenloser durchzusetzen." 118<br />
[Den Referaten von Weisser, Müller-Armack und Peter folgt eine Diskussion, in<br />
deren Verlauf es zu 24 Wortmeldungen kommt (GA, S. 41-93). Es wird Übereinstimmung<br />
erzielt über die begriffliche Abgrenzung von Bewirtschaftung, Lenkung<br />
und Steuerung als Instrumente der Planung der Wirtschaft. Die Möglichkeit, Planwirtschaft<br />
mit Marktwirtschaft zu verbinden, wird dann am Beispiel des Wohnungsbaus<br />
diskutiert. Zentrales Thema der Auseinandersetzung ist schließlich, ob das Ausmaß<br />
der Lenkung entscheidend sei, d. h. die zweckmäßige Nahtstelle zwischen Markt<br />
und Plan gefunden werden müsse, oder ob allein ein Gesamtplan in Form „einer<br />
Wirtschaftspolitik des Wirtschaftskreislaufes" (Suhr) Eingriffe in den Wirtschaftsablauf<br />
rechtfertige.]<br />
Dr. Suhr:<br />
„Es ist charakteristisch, daß die grundsätzlichen Fragen in der vierten Zone 119 bisher<br />
überhaupt nicht erörtert worden sind, daß wir zur praktischen Arbeit gezwungen<br />
wurden, bevor wir uns über theoretische Grundlagen klar gewesen sind [...]. Es<br />
ist noch sehr die Frage, welcher Weg der bessere ist, ob man nicht besser geht, wie<br />
wir in der vierten Zone zunächst gezwungen wurden, d. h. das Kind wurde ins Wasser<br />
geworfen und mußte sehen, ob es schwimmen konnte oder nicht, oder ob man<br />
erst die theoretische Fundierung sucht." 120 [. . .]<br />
„Es gibt nur zwei Wirtschaftsformen; es gibt [. . .] die Verkehrswirtschaft (oder)<br />
Marktwirtschaft und (auf der anderen Seite) die zentral gelenkte [Wirtschaft]. Wirtschaftstheorien<br />
sind bisher fast ausschließlich auf die Marktwirtschaft beschränkt<br />
gewesen. Wir suchen erst nach einer Theorie der zentral gelenkten Wirtschaft. Und<br />
was von der Theorie gilt, gilt auch von der Praxis. Wir müssen unterscheiden zwischen<br />
der Wirtschaftspolitik der Marktwirtschaft und der Wirtschaftspolitik der zentral<br />
gelenkten Wirtschaft. Die Wirtschaftspolitik der Marktwirtschaft muß sich darauf<br />
beschränken, die Voraussetzungen des freien Wettbewerbs zu schaffen, im übrigen<br />
aber den Kreislauf der Wirtschaft sich selbst überlassen, während die Wirtschaftspolitik<br />
der zentral gelenkten Wirtschaft sich die Aufgabe setzen muß, diesen Kreislauf<br />
selbst zu steuern." 121 [. . .]<br />
„[Der] Sprung zu einer Wirtschaftspolitik des Wirtschaftskreislaufs [muß gemacht<br />
werden]. Die Knappheit der Rohstoffe zwingt zu einer Bewirtschaftung der Rohstoffe,<br />
117 GA, S. 89; wurde aus einem späteren Diskussionsbeitrag Peters übernommen, weil sachlich<br />
in diesen Zusammenhang gehörig.<br />
118 GA, S. 92; s. oben, Fußnote 117.<br />
119 Gemeint ist die sowjetische Besatzungszone (SBZ).<br />
120 GA,S. 46.<br />
121 GA, S. 46.