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VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...

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Hugenberg contra Stresemann 331<br />

Darstellung der Verbandskonflikte beschränken, die in erster Linie durch unterschiedliche<br />

Interessenlagen in der Zoll- und Handelsvertragspolitik bedingt waren;<br />

sie kann sich auch nicht damit begnügen, die entgegengesetzten sozialpolitischen<br />

Ordnungsvorstellungen zu zeigen, sondern muß versuchen, den gesellschaftspolitischen<br />

Ort im Kräftefeld der Interaktion mit Regierung, Parteien und öffentlicher<br />

Meinung zu beschreiben.<br />

Der bereits 1876 zu Beginn der Zweiten Industriellen Revolution gegründete<br />

CDI vereinigte in einer ersten Phase vorrangig die schutzzöllnerisch orientierte<br />

Berg- und Hüttenindustrie (Roheisen, Stahl, Halbzeug, Walzwerkprodukte), die<br />

Woll-, Leinen- und Baumwollspinnerei, Teile der schutzzöllnerischen chemischen<br />

Industrie, die Zuckerindustrie sowie Teile der verarbeitenden Industrie (Maschinenbau,<br />

Kleineisenindustrie). Dominierend waren in dieser Phase die Eisen- und<br />

die Textilindustrie, deren ökonomisches Gewicht gesamtwirtschaftlich am größten<br />

war. Das führte z. B. dazu, daß der Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen<br />

Industrie Deutschlands (Chemieverein) den CDI 1890 verließ, weil er<br />

seine Interessen nicht mehr genügend repräsentiert sah 8 .<br />

Eine deutliche Machtverschiebung erfolgte jedoch in der Mitte der 90er Jahre,<br />

als es infolge des konjunkturellen Hochs nicht nur zu einer Welle von Neugründungen<br />

und Betriebserweiterungen, sondern auch zu bedeutenden Kartellierungen<br />

und Syndizierungen auf dem Gebiet der Kohle- und Eisenindustrie kam 9 . So wurde<br />

1893 das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat gegründet, zwei Jahre später<br />

folgte der Halbzeugverband als Kartell der schweren Materialien der ersten Verarbeitungsstufe<br />

des Roheisens, 1897 endlich das Rheinisch-Westfälische Roheisensyndikat,<br />

um nur die wichtigsten Kartelle und Syndikate zu nennen 10 . Diese Konzentrationsbewegung<br />

11 schuf die Voraussetzung <strong>für</strong> eine relativ geschlossen ope-<br />

8 1902 traten auch die noch weiterhin im Verband verbliebenen Großfirmen Hoechst, Bayer<br />

und BASF aus, mit der Begründung, im CDI dürften „im wesentlichen nur die Interessen<br />

der Montan- und der Textilindustrie, die über zwei Drittel der in dem Verbande vertretenen<br />

Stimmen verfügten, ..., rechnen", zit. nach: Handel und Gewerbe, Jg. 10, Nr. 1,<br />

4. 10. 1902, S. 5.<br />

9 Vgl. dazu die Angaben bei H. Voelcker, Eisen und Stahl, in: Die Weltwirtschaft, I. Jg., 1906,<br />

II. Tl., Leipzig u. Berlin 1906, S. 49 f.: Kapitalerhöhungen, vor allem <strong>für</strong> Erweiterungen<br />

und Neubauten, bei: Bochumer Verein, Dortmunder Union, Gaisweider Werke, Georgs-<br />

Marienhütte, Hoesch, Rombacher Werke, Krupp, Gutehoffnungshütte. In diesen Jahren 'seit<br />

1897 erfolgte zudem eine Vielzahl von Neugründungen im Bereich der Röhren- und Walzwerke,<br />

vgl. Adreßbuch 1908/9 sämtlicher Bergwerke und Hütten Deutschlands mit Nebenbetrieben,<br />

V. Jg., 1908, passim. Für die Elektrogroßindustrie vgl. Kocka, Siemens, S. 321 ff.<br />

10 Seit 1896 gelang es erstmals, den Roheisenzoll voll auszunutzen und die Inlandspreise um<br />

den Betrag des Zolls über dem Weltmarktpreis zu halten. Der Schutzzoll wandelte seine<br />

Funktion vom ,Erziehungszoll' langfristig zum Kartellschutzzoll bzw. Inlandsmonopolzoll,<br />

vgl. dazu R. Hilferding, Der Funktionswechsel des Schutzzolls, in: Die Neue Zeit, Jg. 21,<br />

Bd. 2, Stuttgart 1903, S. 275 ff.<br />

11 Vgl. das Urteil von W. Sombart, Die deutsche Volkswirtschaft im 19. Jahrhundert, Berlin<br />

2 1909, S. 344: „. . . es ist die Hausseperiode von 1895-1900 gewesen, in denen das Kartellwesen<br />

bei uns zu einer bis dahin völlig unbekannten Bedeutung gelangt ist"; E. Maschke,<br />

Grundzüge der deutschen Kartellgeschichte bis 1914, Dortmund 1964.

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