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VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...

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Freiheitlicher Sozialismus oder soziale Marktwirtschaft 441<br />

„Gefahr vonseiten des inländischen Kapitals besteht zur Zeit überhaupt nicht, und<br />

daß, solange die Besetzungsmacht im Lande ist, eine solche Macht nicht wieder entstehen<br />

kann, dürfte außer allem Zweifel sein. Die Gefahr droht viel mehr von der<br />

Seite der Ernährung und der Rohstoffe.<br />

Im übrigen ist auf dem Wege über die Steuerreform ein Ausgleich der Besitz- und<br />

Einkommensunterschiede ohne weiteres möglich. Wir können meiner Ansicht nach,<br />

wenn ich einmal die Aufgaben des Zentralamtes <strong>für</strong> Wirtschaft oder des Staates überhaupt<br />

betrachte, nur eine ganz nüchterne Politik der Substanzerhaltung zur Leistungssteigerung<br />

betreiben, der Konzession und der Überwachung der Produktion." 140<br />

[ • • . ] _<br />

„Erst wenn die Grundfesten dieser Wirtschaft wieder gesichert sind, können wir den<br />

Entwurf der Fassade vornehmen. Auch die Konstellation der öffentlichen Meinung<br />

ist noch nicht erkennbar, solange wir keine öffentlichen Wahlen hinter uns gebracht<br />

haben und [solange] der Konzeption von heute das Odium anhaftet [• . .] der Ideologie<br />

des Kontrollrates entsprungen zu sein, die sich im ganzen [. . .] als eine verhängnisvolle<br />

Zentrifugalkraft auf der Ebene der Wirtschaft ausgewirkt hat. Erst wenn dieses<br />

Chaos überwunden ist, wenn der Mechanismus der gewerblichen Wirtschaft bewiesen<br />

hat, daß er in Gang bleiben kann, besitzen wir eine gewisse Freiheit des<br />

Handelns wieder, zu untersuchen, wie die <strong>für</strong> die Produktionssteigerung unerläßliche<br />

Planung aussehen muß, und dann können wir uns gerade, weil an die Gewandtheit,<br />

die Sachkenntnis und Entschlußkraft des Unternehmers ungeheuere Anforderungen<br />

gestellt werden müssen, Eingriffe oder Einbrüche in die Struktur der Wirtschaft<br />

nicht verantworten. Jede Umbildung wäre ein Gnadenstoß in diesem Augenblick." 141<br />

[Harmssen zeichnet im folgenden ein äußerst pessimistisches Bild der Zukunft der<br />

deutschen Wirtschaft.]<br />

„Wenn ich die Apparatur unserer Wirtschaftsbehörden betrachte und die Schwierigkeiten<br />

sehe, mit denen sie zu ringen haben, bevor sie überhaupt mit positiver Arbeit<br />

beginnen können, dann fühle ich mich verpflichtet, von der Inangriffnahme jeder<br />

wirtschaftlichen langgespannten, langfristigen Aufgabe ernsthaft zu warnen. Wir<br />

haben uns auf die Anforderungen der nächsten Monate vorzubereiten, haben mit der<br />

Währungsreform zu rechnen, die einen großen Teil unserer jetzt noch lebenswichtigen<br />

Betriebe in Konkurs zwingt.<br />

Es wäre meiner Ansicht nach in diesem Kreise dringend erforderlich, die Frage zu<br />

klären: Wie kann die Wissenschaft in die Nahaufgaben dieser Planung eingebaut<br />

werden! Es gibt ein Reihe konkreter Aufgaben. Ich könnte mir vorstellen, daß die<br />

Wissenschaft, wie sie Dr. Peter uns angeboten hat, im Stande wäre, das Fertigungsvolumen<br />

oder den Rohstoffbedarf im Vergleich zu dem Lebensstandard der übrigen<br />

Völker zu ermitteln und genau zu sagen, was an Glas, Holz, Ziegel usw. gebraucht<br />

wird. Diese Unterlagen sind einfach nicht da. Wir können sie nicht erheben. Man<br />

würde vielleicht ermitteln können: wenn wir 25 Mill. Einwohner in der britischen<br />

Zone haben, muß das Volumen so groß sein, bei 24 oder 26 Millionen soundso groß,<br />

daß wenigstens einigermaßen verläßlich Ziffern vorhanden wären. Es müßten Kataloge<br />

erarbeitet werden, <strong>für</strong> die wir rohstoffmäßige Methoden <strong>für</strong> unsere Produktion<br />

haben, ganz abgesehen davon, daß wir die Verkehrsprobleme besonders untersuchen<br />

müßten, da wir nicht im Stande sind, die Eisenbahnen zu höheren Leistungen zu<br />

bringen. Ich würde es <strong>für</strong> erforderlich halten, diese Aufgaben auch der Wissenschaft<br />

schon heute zu stellen, die <strong>für</strong> meine Begriffe - das soll keine Kritik sein - zum<br />

größten Teile im luftleeren Raume arbeiten muß." 142<br />

140 GA, S. 124.<br />

141 GA, S. 125.<br />

142 GA,S. 126 f.<br />

8 Zeitgeschichte 4770

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