VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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Hugenberg contra Stresemann 377<br />
wie der langjährige Vorsitzende des Verbandes Mitteldeutscher Industrieller, Hoffmann,<br />
die „rasche Gründung des Reichsverbandes als ein Angstprodukt" tadelten,<br />
dadurch entstanden, „weil man glaubte, daß der Arbeitgeberverband [d. h. die Vereinigung<br />
Deutscher Arbeitgeberverbände] in Verbindung mit der Arbeitsgemeinschaft<br />
die ganze Führung an sich reißen könnte" 246 . Tatsächlich war die großindustrielle<br />
Dominanz unübersehbar: Im ersten Präsidium stellte diese Gruppe den<br />
ersten Präsidenten (Sorge, Vors. des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten),<br />
den zweiten stellvertretenden Vorsitzenden (C. F. v. Siemens) und den Schatzmeister<br />
(Hilger, Königs- und Laurahütte), wohingegen der BdI mit dem ersten<br />
stellvertretenden Vorsitzenden Abraham Frowein (Textilindustrie) nur einen einzigen<br />
Vertreter in das engere Präsidium hatte bringen können. Die weitere Zusammensetzung<br />
des 13-köpfigen Präsidiums zeigt, daß Stresemann mit seinen Be<strong>für</strong>chtungen<br />
durchaus Recht behalten hatte. Das Fachgruppenprinzip, das nur unwesentlich<br />
durch Anerkennung des regionalen Prinzips durchbrochen worden war -<br />
eine Konzession an den BdI — hatte zu einer deutlichen Schwächung des BdI geführt<br />
247 . Stresemann selbst wurde aufgrund des geschlossenen Widerstandes der<br />
Vertreter des CDI — hier taten sich besonders Hugenberg, Schweighoffer und Roetger<br />
hervor — weder in den Vorstand noch in das Präsidium gewählt, mit der Begründung,<br />
einmal habe er sich als „Berufspolitiker" im Kriege zu stark parteipolitisch<br />
engagiert, zum anderen damit, er sei kein Industrieller. Diese Argumentation<br />
war angesichts der Tatsache, daß z. B. Hugenberg selbst trotz seines Ausscheidens<br />
bei Krupp 1919 in das Präsidium gewählt worden war, ziemlich herbeigeholt: Sie<br />
signalisiert nur das Mißtrauen gegenüber Stresemann. Ähnliches gilt <strong>für</strong> die zweite<br />
Argumentation, denkt man an die politische Rolle Hugenbergs im Kriege; da aber<br />
auch Stimmen gegen eine Kandidatur Stresemanns mit eben dieser Motivation aus<br />
den Reihen des BdI selbst laut wurden, konnten diese Argumente durchdringen.<br />
Die Enttäuschung über diese Entscheidung führte dazu, daß Stresemann alle seine<br />
Ämter im Verband Sächsischer Industrieller und im BdI niederlegte und sich aus<br />
der aktiven Verbandspolitik zurückzog. Sein Gegner Hugenberg dagegen begann<br />
eine zweite Karriere als Vorsitzender der Fachgruppe Bergbau im Reichsverband<br />
der Deutschen Industrie und als deutschnationaler Reichstagsabgeordneter.<br />
Zu der von Stresemann prophezeiten Gründung einer Gegenorganisation, welche<br />
die „alten Grundgedanken des Bundes der Industriellen aufnimmt" 248 , kam es indessen<br />
nicht. Begann die endgültige Auflösung des BdI auch erst im April 1920 249 ,<br />
so war doch die integrierende Kraft der gemeinschaftlichen Abwehr der Industrie<br />
gegenüber allen Bestrebungen zu Sozialisierung und Demokratisierung der Wirtschaft<br />
groß genug, um ein Abbröckeln der Front im Reichsverband zu verhindern,<br />
ungeachtet weiterbestehender Spannungen innerhalb dieser Körperschaft selbst 250 .<br />
246 Ebda., Boehm an Stresemann 28. 4. 1919; Döhn, S. 106 f.<br />
247 NL Stresemann Bd. 114, VSI an Stresemann 12. 4. 1919.<br />
248 Ebda., Stresemann an Max Hoffmann 29. 4. 1919.<br />
249 Ebda., Rundschreiben des BdI vom 25. 3. 1920.<br />
250 Erinnert sei z. B. an die Konflikte zwischen der Grundstoffindustrie (Kohle/Eisen/Stahl)<br />
4 Zeitgeschichte 4/70