VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
440 Dokumentation<br />
Insolvenz genommen hat, aber vor allem eine Tugend in einem hohen Maße wachsen<br />
ließ: elastischer und improvisationsfähiger zu 'werden, allerdings unter mehr<br />
oder weniger häufiger Mißachtung des Rohstoffes. Diese Elastizität ist zweifellos<br />
zurückzuführen auf die noch vorhandene Initiative und Findigkeit des Unternehmers,<br />
der einen Ausweg gefunden, sein Produktionsprogramm gewechselt hat und<br />
dann nach und nach in die gewünschte Dringlichkeitsstufe geschlüpft ist. Wollten<br />
wir diese Initiative untergraben, die eines unserer wesentlichen Aktiva darstellt,<br />
würde die Wirtschaft bald der Auszehrung zum Opfer fallen und dann verlöre sie<br />
wahrscheinlich ihre letzte Potenz. [. . .]<br />
Es läßt sich auch in der Zukunft der Schrecken des Privatkapitals und seiner Profitsucht<br />
nur noch schlecht zitieren, da alles mehr oder weniger durch Kriegsschulden,<br />
Besatzungsschäden enteignet, vieles nivelliert ist und die Steuern so sind, daß keiner<br />
mehr weiß, was er noch besitzt oder noch weniger, was das Schicksal des vorhandenen<br />
Buchkapitals sein wird.<br />
Man kann einwenden, daß der Staat wahrscheinlich in Zukunft der eigentliche<br />
Risikoträger sein werde. Das ist doch ein Zustand, den wir mit allen Mitteln zu<br />
bekämpfen haben und dem wir uns auch zu widersetzen hätten und der nicht als<br />
Voraussetzung angesehen werden kann <strong>für</strong> eine Sozialisierungskonjunktur. In unserer<br />
Lage brauchen wir nicht das Argument anzuwenden, daß jede Sozialisierung dem<br />
Arbeiter den Hebel in die Hand liefert, mit dem er selbst Teile der Wirtschaft lahmzulegen<br />
im Stande wäre. Wenn eine Kraftstromzentrale in der Nordrheinprovinz<br />
existierte und verstaatlicht würde, würde den Arbeitern eine Macht ausgeliefert, die<br />
die Existenz der Provinz selbst bedrohen könnte.<br />
Das ist ein sehr einseitiges Argument, aber auf der anderen Seite ist nicht abzuleugnen,<br />
daß die Klasseninteressen des Arbeiters und die damit verbundenen lohnpolitischen<br />
Ansprüche damals krasser auftraten und einseitiger ihren Einfluß geltend<br />
machten, als der kapitalistische Unternehmer oder seine Verbände imstande wären.<br />
Aus der Notwendigkeit der Planung das zwingende Bedürfnis nach Sozialisierungsmaßnahmen<br />
abzuleiten, ist im gegenwärtigen Stadium nicht gerechtfertigt. Viel entscheidender<br />
scheint nur, was wir hier besprechen, die Planung vorzubereiten." 137<br />
[...]<br />
„Wie wird nun diese Planwirtschaft ausgerichtet sein müssen, wenn sie ihre Aufgaben<br />
erfüllen soll? Wir haben gestern gehört, diese Planwirtschaft soll mehr oder<br />
weniger autoritative Funktionen haben, daß beispielsweise das Zentralamt <strong>für</strong> Wirtschaft<br />
die Vollmacht erhält, allein zu bestimmen, nach welchen Dringlichkeitsstufen<br />
produziert werden darf, welche Kapazitäten zu vernachlässigen sind, welche Exportindustrie<br />
bevorzugt werden muß. Wir kennen nicht die politische Form des Reiches,<br />
wissen nicht, ob es förderativ oder unitarisch ausgerichtet sein wird, wahrscheinlich<br />
wird kein ausgeprägter Zentralismus obwalten, wahrscheinlich wird auch in der<br />
öffentlichen Meinung nicht eine Obrigkeitsherrschaft gewünscht, sondern bis zu<br />
einem erheblichen Grad der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung den Ländern<br />
und Provinzen ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt. [. . .] Es wird eine Demokratie<br />
auch aufseiten der Politik kaum möglich sein, wenn die Wirtschaft autoritär sein soll.<br />
Zudem haben wir als gebrannte Kinder schon derartige Erfahrungen gemacht, daß<br />
wir der leichten Hand jederzeit den Vorzug geben möchten." 138<br />
[Harmssen weist auf die negativen Folgen der Selbstverwaltung in den Betrieben<br />
hin, die „dem Unternehmer den letzten Rest von Wagemut nehmen muß". 139 ]<br />
137 GA, S. 122 f.<br />
138 GA, S. 123 f.<br />
139 GA, S. 124.