VIERTELJAHRSHEFTE FÜR ZEITGESCHICHTE - Institut für ...
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Hugenberg contra Stresemann 351<br />
Treibende Be<strong>für</strong>worter dieser antiparlamentarischen Sammlungsfront waren im<br />
Lager des CDI die rheinische Montanindustrie, gruppiert um Alfred Hugenberg<br />
und Max Roetger, sowie die Saarindustrie um den Syndikus der Handelskammer<br />
Saarbrücken, Alexander Tille 104 , der eine organisatorische Verfestigung der Verbände<br />
und Parteien der Rechten schon seit 1912 gefordert hatte. Nach den vorliegenden<br />
Dokumenten scheint gerade eine engere schwerindustrielle Gruppe im<br />
CDI um Roetger und Hugenberg die Verhandlungen mit Landwirtschaft und<br />
Kleingewerbe 1913 besonders vorangetrieben zu haben, z. T. über die Köpfe der<br />
anderen Mitglieder des Direktoriums hinweg. Unterstützt wurde diese Politik von<br />
den Syndikatsvertretern Emil Kirdorf (Kohlensyndikat) und Louis Röchling<br />
(Stahlwerksverband), während eine schwache Gruppe, vertreten durch den sächsischen<br />
Textilindustriellen Vogel, mehr oder weniger strikt unterstützt von süddeutschen<br />
und oberschlesischen Textilindustriellen (Semlinger, Kauffmann) oder Maschinenbauindustriellen<br />
(Rieppel), da<strong>für</strong> plädierte, die Brücken zu den verarbeitenden<br />
Industrien nicht ganz abzubrechen, um womöglich auf diesem Wege den<br />
Hansa-Bund und den Bdl in die Sammlungsfront miteinzubeziehen 105 . Sie alle hatten<br />
kaum allgemein gesellschafts- oder sozialpolitische Einwände gegen das Kartell<br />
106 , <strong>für</strong>chteten jedoch, ein Ergebnis der Zusammenarbeit mit den Agrariern<br />
würden Zollerhöhungen auf agrarische Produkte sein, aus denen wieder neue<br />
schwere innerverbandliche Konflikte resultieren würden. War so die Stellungnahme<br />
innerhalb des CDI auch nicht homogen, es herrschte doch Übereinstimmung<br />
darin, keiner Liberalisierung des Herrschaftssystems stattzugeben und alle<br />
sozial- und wirtschaftspolitischen Forderungen der Sozialdemokratie und der bürgerlichen<br />
Linken abzuwehren.<br />
Wenn auch vor Kriegsausbruch alle Versuche scheiterten, diesen lockeren Zusammenschluß<br />
der Verbände in Form eines anvisierten Reichsausschusses zu institutionalisieren,<br />
so bleibt doch die Herausbildung einer Opposition von Rechts unübersehbar;<br />
ihr gegenüber bildete das liberal-parlamentarisch-demokratische Lager,<br />
schon aufgrund seines mangelnden Zusammenhalts in allen wichtigen verfassungs-,<br />
wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen, die schwächere Gruppierung 107 .<br />
104 PA Bonn, NL Stresemann Bd. 122, Schlenker (HK Saarbrücken) an Stresemann 4. 9. 13: der<br />
„geistige Urheber" des Kartells der schaffenden Stände, das seit 1912 vorbereitet worden sei,<br />
sei „Alexander Tille [Schlenkers Vorgänger, Ende 1912 gest.] und mit ihm die Saarindustrie".<br />
105 Vgl. Kaelble, passim; Stegmann, passim, und die in Anm. 103 zit. Stellungnahme des oberschlesischen<br />
Textilindustriellen Kauffmann. Einzelne Saarindustrielle wie z. B. Müller<br />
(Stumm) hielten indessen auch 1913 ausdrücklich zur Nat.lib. Partei und unterstützten die<br />
Politik Bassermanns; auch süddeutsche Industrielle wie Buz (MAN), Frommel (Verein<br />
Süddeutscher Textilindustrieller) oder Semlinger (dto.) bzw. Kuhlo (Syndikus des Verb.<br />
Bayerischer Industrieller) blieben bei der Partei Bassermanns, auf deren äußerst rechtem<br />
Flügel sie standen, vgl. Die Wacht (Nürnberg) Nr. 27, 5. 7. 13, S. 5.<br />
106 Vgl. Kaelble, S. 235 f. (Anlage).<br />
107 Daß das parlamentarische System vor 1914 in Deutschland keine Chance hatte, betont<br />
W. Sauer, Das Problem des deutschen Nationalstaats, in: Moderne dt. Sozialgeschichte,