| Sc h w e r p u n k t t h e m aBenn RoolfZahnreinigung für 30 EuroPreiswettbewerb, Qualitätsverunsicherung und Kulturwandelam Beispiel der Professionellen ZahnreinigungBenn RoolfChefredakteur der<strong>IGZ</strong> Die AlternativePZR für 30 Euro - Angebote beimInternetportal „2te-zahnarztmeinung.de“Mehr denn je gehen Patienten heute nicht erst zumZahnarzt, wenn sich bereits Zahnbeschwerden eingestellthaben, sondern um selbst aktiv Problemenzuvorzukommen - mit regelmäßigen Kontrolluntersuchungen,Prophylaxeberatungen und einer ProfessionellenZahnreinigung (PZR). Die PZR ist nebender häuslichen Mundpflege eine der wichtigsten,wissenschaftlich anerkannten Maßnahmen, um denhäufigsten Erkrankungen in der Mundhöhle - Kariesund Parodontitis - vorzubeugen.Trotz ihres Nutzens für die Mundgesundheit ist diePZR nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassenenthalten, so dass die dort versichertenPatienten die Behandlung - mit wenigen Ausnahmen- aus eigener Tasche bezahlen müssen. Diese Tatsacheund die weite Verbreitung der PZR haben dazugeführt, dass die Kosten für eine PZR inzwischen Gegenstandvon öffentlichkeitswirksamen Preisvergleichenin Internetportalen geworden sind. Dort könnenPatienten mit wenigen persönlichen Angaben einePZR-Behandlung „ausschreiben“ und erhalten dannPreisangebote von Zahnärzten aus ihrer Nähe. Vielegesetzliche Krankenkassen unterstützen und bewerbensolche Preisvergleichsportale. Im Mittelpunkt derWerbung steht dabei unübersehbar der Preis - sowohlKassen als auch Portalanbieter versprechen dem Patiententeils horrende „Einsparpotenziale“.Zahnärzte aus KZVen und Kammern argumentieren,bei den Internetauktionen gehe es um Lockvogelangebotezur Patientengewinnung. Nun gut, mag mansich fragen, warum sollten sich solche Billigangebotenicht trotzdem einem Wettbewerb stellen. Wennsie nicht mit entsprechender Qualität hinterlegt sind,werden sie - wie die Kaffeefahrten mit Lammfellverkauf- beim Patienten durchfallen und allenfalls eineärgerliche Randerscheinung bleiben. Dabei gerät ausdem Blick, dass die Qualität einer zahnmedizinischenBehandlung immer nur individuell beurteilbar ist,sich oft erst über längere Zeiträume zeigt und vomPatienten bestenfalls intuitiv und selten nur fachlichmedizinisch einschätzbar ist. Es fehlt also - andersals bei einer Handelsware - an einem standardisierbarenMaßstab für die Qualität der Leistung und damitauch die Möglichkeit, das Gesamtpaket aus Preisund Leistung zu bewerten. Unter solchen Voraussetzungenkann ein Wettbewerb nicht sinnvoll funktionieren.Ein solcher Wettbewerb wird, sollte man ihnwider besseres Wissen befördern, zu falschen Versprechen,uneinlösbaren Erwartungshaltungen undVerzerrungen im Anreizgefüge führen.30 Euro für eine PZRNehmen wir ein konkretes Beispiel: Ein Patient inseriertauf der Internetplattform „2te-zahnarztmeinung.de“eine Professionelle Zahnreinigung. Er gibtan, dass er 24 Zähne (unter Berücksichtigung derWeisheitszähne fehlen acht Zähne) besitzt und dassbislang noch keine Professionelle Zahnreinigung beiihm durchgeführt wurde. Diese spärlichen Informationenlassen kaum sichere Rückschlüsse auf denMundgesundheitszustand zu. Die fehlenden Zähnesind meist Folge von Karies, was aber erst im Kontextdes Alters und nach einer Untersuchung des Patientenbewertet werden kann. Die Tatsache, dass derPatient bislang noch nie eine PZR hatte, müsste allerdingseinen bietenden Zahnarzt vorsichtig stimmen:22 | <strong>IGZ</strong> DIe Al t e r n A t I v e nr. 2/<strong>2013</strong>
Sc h w e r p u n k t t h e m a |Erfahrungsgemäß ist der Aufwand bei einer erstmaligenPZR oft wesentlich höher als bei den in regelmäßigenAbständen durchgeführten Zahnreinigungen,müssen doch hier die langjährig erworbenen Zahnbelägeund nicht nur die der letzten sechs Monateentfernt werden. Der Patient erhält insgesamt achtAngebote, das höchste Angebot liegt bei 70 Euro, dasniedrigste bei 30 Euro.ge Konkremententfernung (Zahnbeläge unter demZahnfleisch) - wichtig vor allem, um Zahnfleischentzündungenentgegenzuwirken - dürfte zuerst unterden Tisch fallen. Werden aber nicht alle vorhandenenZahnbeläge entfernt, verliert die PZR ihren prophylaktischenSinn. Immerhin könnte man noch sagen,dass ein bisschen Zahnreinigung besser sei alsgar keine. Das Argument ist zwar richtig, aber es ändertnichts an der Tatsache, dass der Patient nichtdas bekommt, was ihm angeboten wurde.Hinzu kommt, dass Patienten kaum in der Lage sind,zu erkennen, ob Zahnbeläge wirklich entfernt wordensind. Die Zahnbeläge an für die Zahnbürste schwererreichbaren Stellen sind eben überwiegend nichtDoch ebenso wenig, wie die Vergröberung des Menschen zum „homooeconomicus“ die ganze Vielfalt menschlicher Handlungen erklärt,sollte sich die Politik der Versuchung hingeben, vorrangig mit dem ausdiesem Modell abgeleiteten Instrumentarium von wirtschaftlichen Anreizsystemenund Wettbewerb das Gesundheitswesen zu gestalten. Der„homo oeconomicus“ ist - wie der Wettbewerb - nur ein Teil des Ganzenund nicht das Ganze selbst.Wie sieht nun die Kalkulation des Angebotes über 30Euro aus? 20 Prozent des Zahnarzthonorars kassiertdas Internetportal als Gebühr für die Nutzung derPlattform. Vom Honorar müssen dann noch Kostenfür Verbrauchsmaterialien, Instrumentenaufbereitungund anteilige Geräteabschreibungen abgezogen werden:Fluoridierung, Polierpaste/AirFlow, Handinstrumente,Geräte, Hygiene. Je nach Aufwand verbleibtvermutlich ein Betrag von etwa 15-20 Euro für dieLohn- und allgemeinen Praxiskosten - wohlgemerktfür eine Behandlung, die selbst bei sorgfältig gepflegtenZähnen und entsprechend wenigen Zahnbelägenkaum unter einem Zeitaufwand von 30 Minuten ablaufenkann. Im Beispiel des Patienten, der nach eigenenAngaben noch nie eine PZR hat durchführenlassen, müsste man wohl eher mit 60 Minuten rechnen,womöglich bei schlechtem Pflegezustand sogarmit mehreren Sitzungen. Es wird deutlich, dass dasAngebot über 30 Euro mit nahezu hundertprozentigerWahrscheinlichkeit nicht einmal die betriebswirtschaftlichzu kalkulierenden Kosten der Behandlungdeckt und schon gar nicht einen Gewinn, einEinkommen für den Zahnarzt generiert. Selbst beiden höheren Angeboten bleibt es zweifelhaft, ob dieBehandlung wirklich kostendeckend hätte durchgeführtwerden können.Der Vertrauensverlust in der WettbewerbslogikWenn Angebote so deutlich unter den betriebswirtschaftlichzu kalkulierenden Kosten liegen, dannliegt die Befürchtung nahe, dass an der Qualität derBehandlung gespart wird. Das könnte im Falle derPZR schlicht bedeuten, dass nicht alle Zahnbelägeentfernt werden. Die mühselige und zeitaufwendi-im heimischen Badezimmerspiegel sichtbar, sondernverstecken sich in Zahnzwischenräumen undZahnfleischtaschen. Die Tatsache, dass die Qualitätder zahnärztlichen Leistung vom Patienten nichteingeschätzt werden kann, bedeutet, dass er letztlichnichts anderes tun kann, als seinem Zahnarzt zu vertrauen.Kann er aber einem Zahnarzt wirklich vertrauen,wenn offensichtlich ist, dass der Preis für dieempfangene Leistung nach allen Regeln des gesundenMenschenverstandes nicht kostendeckend seinkann? Ein Vertrauensverlust ist unter diesen Umständenkaum zu vermeiden.Teurer WettbewerbDer Preiswettbewerb produziert nicht nur kaum einlösbareQualitätsversprechen und Vertrauensverluste,sondern verschlingt selbst Ressourcen, die fürdie Behandlung der Patienten nicht mehr zur Verfügungstehen. 20 Prozent der Behandlungskostenzzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer müssen in unseremBeispiel allein für die Nutzung des Internetportalsals „Auftragsakquisition“ an die Betreiberfirmagezahlt werden.Daneben entstehen systemische Fehlanreize, die dasLeistungsvolumen innerhalb der Kassenleistungendurch Doppeluntersuchungen unnötig aufblähen. JederZahnarzt ist verpflichtet, einen neuen Patienten vor<strong>IGZ</strong> Die Al t e r n a t iv e Nr. 2/<strong>2013</strong> |23