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Ausgabe 2-2013 - IGZ

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| Sc h w e r p u n k t t h e m aMathias Kifmann, Martin NellDual, aber fair.Reformvorschlag für ein solidarisches und wettbewerbsorientiertesKrankenversicherungssystemProf. Dr. Mathias KifmannHamburg Center for HealthEconomics,Universität HamburgProf. Dr. Martin NellHamburger Zentrum fürVersicherungswissenschaft,Universität Hamburg1. Die Schwächen des heutigen KrankenversicherungssystemsIn Deutschland wird umfassender Krankenversicherungsschutzsowohl von der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV) als auch von der privaten Krankenversicherung(PKV) angeboten. Beide Systemeberuhen auf grundverschiedenen Prinzipien. In derGKV gelten das Solidarprinzip und das Umlageverfahren:Bei praktisch gleichem Leistungskatalog werdendie Versicherungsbeiträge nicht nach dem Risiko,sondern einkommensabhängig erhoben. Zudem wirdkein Kapitalstock gebildet, sondern die Gesundheitsausgabenwerden vollständig aus den laufenden Beitragseinnahmenfinanziert. Folglich findet innerhalbder GKV eine Umverteilung von Besserverdienendenzu den Einkommensschwachen, von Kinderlosen zuKinderreichen, von Jungen zu Alten und von denGesunden zu den chronisch Erkrankten statt. In derPKV gilt hingegen das Äquivalenzprinzip: Die Prämienwerden nach dem individuellen Risiko kalkuliert,eine Umverteilung findet im Allgemeinen nicht statt.Nur nach dem Geschlecht dürfen die Versicherungendie Prämie nicht mehr differenzieren. Zudem ist dasSystem kapitalgedeckt, die Versicherten finanzierenihre im Alter höheren Gesundheitsausgaben vor. DieMehrheit der Bevölkerung ist in der GKV pflichtversichert.Selbständige, Beamte und Personen mit einemEinkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenzehaben die Wahl, ob sie sich in der GKV oderder PKV versichern, wobei für Beamte aufgrund derBeihilferegelung die Versicherung in der GKV in derRegel nicht in Betracht kommt.Das duale Krankenversicherungssystem führt in seinermomentanen Ausgestaltung zu paradoxen Verteilungs-und Wettbewerbseffekten: Innerhalb der GKVfindet eine Umverteilung von mittleren zu niedrigenEinkommen statt. Bezieher hoher Einkommen könnensich der Umverteilung durch einen Wechsel in diePKV entziehen. Sie werden dies vor allem dann tun,wenn ihre gemäß ihrem individuellen Krankheitsrisikokalkulierte Prämie in der PKV niedriger als derBeitrag in der GKV ist, während umgekehrt diejenigenGutverdiener und Selbständigen tendenziell inder GKV bleiben, für die der Beitrag in der GKV etwaaufgrund von Vorerkrankungen und/oder der Familiensituationgünstiger als die risikogerechte Prämieist. Folglich subventionieren in der GKV momentandie mittleren Einkommen sowohl die niedrigen alsauch die hohen Einkommen. Dies macht unter Verteilungsgesichtspunktenwenig Sinn.Um den Wettbewerb zwischen Krankenversicherernist es momentan ebenfalls nicht gut bestellt. Zwischenbeiden Systemen kann es aufgrund der unterschiedlichenKalkulationssysteme keine sinnvolle Konkurrenz,sondern nur einen unproduktiven Selektionswettbewerbgeben: Für gutverdienende und gesundeIndividuen ohne Kinder ist ein Wechsel in die PKVunabhängig von der Qualität des Angebotes immersinnvoll, weil dadurch Solidarbeiträge gespart werden,während für freiwillig Versicherte mit ernsthaftenVorerkrankungen und/oder hoher Kinderzahl einVerbleib in der GKV auch dann vorteilhaft ist, wennein privater Krankenversicherer das leistungsfähigsteAngebot hat. Aber auch innerhalb der beiden Systemeist der Wettbewerb stark eingeschränkt. In derGKV erfordert das Solidarprinzip eine weitgehendeNormierung des Versicherungsangebotes, so dasskaum Wahlfreiheit für die Versicherten besteht. Sosind etwa Wahltarife mit Selbstbehalten schwerlichmit dem Solidarprinzip vereinbar, weil sie zu einerRisikoselektion zu Lasten der chronisch Kranken führen.In der PKV wiederum führt die fehlende bzw.unzureichende Übertragung der Alterungsrückstellungendazu, dass Bestandskunden bereits nach wenigenVertragsjahren ihren Krankenversicherer nichtmehr zu sinnvollen Bedingungen wechseln können,so dass auch dort der Wettbewerb gestört ist (sieheu.a. Nell und Rosenbrock (2008)).2. Reformvorschläge für ein einheitliches KrankenversicherungssystemAngesichts dieser fundamentalen Schwächen des momentanenKrankenversicherungssystems verwundertes nicht, dass es eine Reihe von Konzepten zurReform des Krankenversicherungssystems gibt. Daswohl bekannteste ist die Bürgerversicherung. Bei diesemKonzept wird ein einheitlicher Krankenversicherungsmarktgeschaffen. Private Versicherer könnennur Verträge nach den Regeln der GKV anbieten. Esgilt das Umlageverfahren, alle Bürger erhalten eineinheitliches Leistungspaket und entrichten einkommensabhängigePrämien, wobei der Einkommensbegriffweiter als bislang gefasst werden soll. Darüberhinausgehender Versicherungsschutz kann über privateZusatzversicherungen erworben werden.28 | <strong>IGZ</strong> DIe Al t e r n A t I v e nr. 2/<strong>2013</strong>

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