GotthelfPfarrer, Politiker und Pädagoge:Der «unbekannte Gotthelf»Als Chronist des bäuerlichen Alltagsim Emmental hat sich JeremiasGotthelf ins kollektive Gedächtnisder Schweiz geschrieben. Wenigerbekannt –dabisher nur lückenhaftpubliziert –sind seine pädagogischen,politischen und theologischenArbeiten. Ein Forschungsteam der<strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> will diese Lücke miteiner historisch-kritischen Editionschliessen. Die ersten Bände sollenbereits 00 erscheinen.Fernziel ist die erste historischkritischeGesamtausgabe der WerkeGotthelfs.Sanft gewellte Hügellandschaften,Glockengeläut, in der Talsenke eineKäserei –solche Bilder einer heilenWelt tauchen bei vielen auf, wenn sieden Namen Jeremias Gotthelf hören.Mit diesem Klischee wollen zweiForschungsteams am Institut für Germanistikder <strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> aufräumen:Die nichtliterarischen Schriften vonJeremias Gotthelf sollen erstmals ineiner mehrbändigen historischkritischenAusgabe publiziert werden.Der streitbare JournalistEine Gruppe studiert alle pädagogischenund politischen Schriften des einstigenPfarrers, in denen er sich etwa für eineVerbesserung der Volksschulbildungund der Unterrichtsbedingungen imKanton <strong>Bern</strong> engagierte. Die erstenjournalistischen Texte des damals33jährigen Theologen Albert Bitziuserschienen im Sommer 1831 im «<strong>Bern</strong>erVolksfreund», ein halbes Jahr nachdemer sein Amt als Pfarrvikar in Lützelflühantrat. Insgesamt sind über 70 Artikelvon ihm nachweisbar. Interessant wirddie Editionsarbeit aber vor allem bei denTexten, die entsprechend der redaktionellenPraxis nicht namentlich gezeichnetsind. Hier die Autorschaft zu sichern, ist«eine spannende und herausforderndeAufgabe», wie Teamleiterin Prof. BarbaraMahlmannBauer festhält. Der polemischsatirischeStil, den Gotthelf pflegte,war zwar sehr prägend –aber keineAusnahme: Viele <strong>Bern</strong>er Journalistenbenutzten damals eine ähnliche Sprache.Im Begleitkommentar werden denn auchviele Mitstreiter und Gegner zu Gehörkommen –daraus ergibt sich ein neuesBild der Streitkultur in der <strong>Bern</strong>er Pressein den Jahren von 1831 bis 1848.Dass Gotthelf pädagogischeAnliegen hatte, geht schon aus seinemliterarischen Werk hervor. Doch er hatseine Ideen während seiner Tätigkeitin der Grossen Schulkommission auchin schulreformatorischen Schriftenfestgelegt. Diese Texte sind bisher nurvereinzelt publiziert und sollen nun mitdem journalistischen und literarischenSchaffen in Beziehung gesetzt werden.Die Predigten als literarischesÜbungsfeldZwar ist allgemein bekannt, dass Gotthelfjahrelang als Pfarrer in Lützelflühwirkte. Doch was er seinen Schäfchenpredigte, dürften die wenigsten wissen:Weniger als ein Sechstel seiner Predigtensind bis jetzt ediert. Dabei zeigen geradedie Predigttexte Gotthelf in all seinenFacetten. «An der Predigt übt sich derpastorale Erzählstil, der sich in denErzählwerken mit der spitzen Feder desPublizisten zu einer Einheit verbindet, diemal zugunsten der Satire, mal zugunstendes Predigtstils ausfällt», so TeamleiterProf. Christian von Zimmermann. Oderanders ausgedrückt: Auf der Kanzel istGotthelf ein literarischer Pfarrer, inseinerSchreibstube ein predigender Autor.Durch die Edition und Kommentierungder Predigten wird somit eine wichtigeGrundlage für die GotthelfForschunggeschaffen.Diesem Zweck dienen ebenfalls dieNeuedition der Kalendertexte und dieerstmalige Publikation der vollständigenKalenderhefte. Im Gegensatz zu denPredigten und den pädagogischenSchriften liegen die Kalendererzählungenzwar in den «Sämtlichen Werken»bereits vor –aber in einer deutlichmodernisierten Form und auch ohnedie dazugehörigen Illustrationen, ohneKalendarien und ohne Berücksichtigungdes Mediums Kalender.Das gegenwärtig grösste Editionsprojektder deutschen LiteraturDas Hauptanliegen der Projektleiterliegt darin, den engen Zusammenhangzwischen Publizistik, Predigtamt, Kalenderarbeitund Erzählwerk zu erschliessenund Gotthelf eben nicht isoliert als denschreibenden Pfarrer darzustellen. Siewerden dabei durch Mitarbeitende amInstitut für Germanistik unterstützt.Zusätzlich sind Historiker und Theologenals Berater beteiligt. Ausserdem soll einDialektologe für die Erstellung einesGlossars beigezogen werden: Schliesslichist Gotthelfs Sprache schon für Einheimischeschwer verständlich.Schon im nächsten Jahr sollen dieersten Bände (Kalenderbeiträge) zurPublikation vorbereitet werden, dieanderen nichtliterarischen Schriftenbis ins Jahr 2009. Die beiden vomSchweizerischen Nationalfonds mitknapp 1.5 Millionen Franken gefördertenTeilprojekte sind aber nur der Beginn desgegenwärtig grössten Editionsprojekts inder deutschen Literatur. Geplant ist eine67bändige historischkritische Gesamtausgabevon Gotthelfs Werken. Diese istnur möglich dank der GotthelfStiftung,die im Dezember <strong>2006</strong> gegründetwurde. Das Stiftungsvermögen ist aufsechs Millionen Franken festgelegt. DieLaufzeit des Projekts: 30 Jahre. Was das<strong>Bern</strong>er Forschungsteam jetzt erarbeitet,ist also eine Investition in die Zukunft.Durch diese Arbeit soll Gotthelf auchder jungen Generation wieder nähergebracht werden. Und tatsächlich: BeiBegegnungen mit Gymnasiastinnenund Gymnasiasten zeigten die jungenLeute reges Interesse am alten Bitzius.Ein Interesse, das es zu nutzen gilt:Schliesslich könnten genau diese jungenLeute die jetzt begonnene Arbeit dereinstfortsetzen.1Jahresbericht der <strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> 00
1969 war es einSonnensegel beider ersten Mondlandung, heute sindes MassenSpektrometer zur Messungvon Kometengasen: Fast immer, wennwieder eine europäische Raumsonde insAll geschickt wird, ist Technologie der<strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> mit an Bord. Die hochpräzisenInstrumente werden am PhysikalischenInstitut gebaut. Die Abteilungfür Weltraumforschung und Planetologiehat rund 75 Mitarbeiter, rund 10 davonwidmen sich der Planetenentstehung–und damit auch einer uralten Frageder Menschheit: Der Suche nach ausserirdischemLeben.http://www.phim.unibe.chDer Entstehung von Planeten auf der Spur0Jahresbericht der <strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> 00