AntibiotikaresistenzWenn Medikamente ihreWirkung verlierenDie Antibiotikaresistenz ist einernsthaftes Problem: BetroffenePatienten müssen aussergewöhnlichlange behandelt werden –oder sterbengar. Ineinem Forschungsprojektam Institut für Infektionskrankheiten(ifik) der <strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong>werden jetzt erstmals schweizweitrepräsentative Daten erhoben undanalysiert. Damit wird die Grundlagefür die dringend notwendigePrävention geschaffen. Das Projekthat internationalen Modellcharakter.Eine Frau kommt nach einemVerkehrsunfall in die Notfallaufnahmeeines Spitals. Sie wird künstlich beatmet,entwickelt eine Lungenentzündung,spricht aber auf die Antibiotika nichtan: Solche Fälle von Antibiotikaresistenztreten in Schweizer Spitälern immerhäufiger auf –mit schwerwiegendenFolgen: Die Antibiotikaresistenzerschwert oder verunmöglicht die Therapievon Patienten. Zudem verlängert sichdadurch die Aufenthaltsdauer im Spitalum durchschnittlich 10 Tage.Antibiotikaresistente Erregerwerden überwachtWenn Medikamente nicht mehr wirken,kann das für die Betroffenen sogartödlich enden. Dieser Entwicklung willeine <strong>Bern</strong>er Forscherin nun einen Riegelschieben: Im Rahmen eines NationalenForschungsprojekts hat Kathrin Mühlemannvom ifik und <strong>Universität</strong>sspitalmit ihrem Team ein schweizweites Überwachungssystemfür antibiotikaresistenteKrankheitserreger entwickelt. Es bezieht60 Prozent der Spitalpatienten und30 Prozent der praktizierenden Ärzte mitein. Diese liefern Patientenproben an21 ausgewählte (universitäre, kantonale,und private) Labors in der ganzenSchweiz, die sie auf Resistenzen prüfen.Die Testresultate werden anschliessendanonymisiert an eine zentrale Datenbankam ifik weitergeleitet. Obwohl derAufwand für die beteiligten Laborshoch ist, haben diese sich zur Mitarbeitbereit erklärt. Dank dieser Kooperationist die Datenmenge für die Schweizrepräsentativ: Jährlich werden mehrals 200’000 Antibiotikaresistenzdatenerfasst. Weltweit einzigartig ist, dassdie Antibiotikaresistenzdaten spezifischabgefragt werden können, etwa nachPatientengruppen (hospitalisiert, nichthospitaliert, Geschlecht, Alter) aber auchnach verschiedenen geographischenRegionen, wobei der Datenschutz zujeder Zeit gewährleistet bleibt. Damitkönnen Trends in der Resistenzentwicklungfrühzeitig erkannt und bezüglichRisikofaktoren analysiert werden. DieDatenbank bietet damit eine Basisfür Forschungsprojekte zum ThemaAntibiotikaresistenz.Ein Modell für andere ProgrammeKein anderes Land verfügt über ähnlichumfassende und ausdifferenzierte Datensätzezur Antibiotikaresistenz. Damit hatdas Projekt Modellcharakter. Sowurdein einem renommierten europäischenFachmagazin dargestellt, wie ein idealesÜberwachungsprogramm aussehenmüsste. Das schweizerische Projekterfüllt alle Kriterien. Kathrin Mühlemannkann also ohne falsche Bescheidenheitfür sich in Anspruch nehmen: «Wirhaben die Idealvorstellung der Expertenumgesetzt.»Bei diesem Projekt geht es abernicht nur um wissenschaftliche Meriten,sondern umdas Wohl des Menschen.Und nicht zuletzt auch um Geld. «Wirwerden jetzt erstmals in der Lage sein zuzeigen, wie viel die Antibiotikaresistenzkostet», betont Kathrin Mühlemann.Tatsächlich zieht ein Fall von Antibiotikaresistenzeinen ganzen Rattenschwanzan Folgekosten nach sich: Belegtdie betroffene Person ein Spitalbettaussergewöhnlich lange, steigen dieKosten fürs Betreuungspersonal und dieInfrastruktur. Fällt der Patient am Arbeitsplatzaus, hat das volkswirtschaftlicheKonsequenzen.Für einen sinnvollen Einsatz vonAntibiotikaMit der Datenbank ist auch der Grundsteinfür die weitere Arbeit –Präventionskampagnen,Schulung desmedizinischen Personals, Aufklärungder Öffentlichkeit –gelegt. Die Schweizhat im internationalen Vergleich einenrelativ geringen ProKopfVerbrauch anAntibiotika, wie eine parallel angelegteStudie zeigt. Laut Mühlemann zeigtsie aber auch, dass Antibiotika auchbei uns immer noch zu häufig und zubreit eingesetzt werden. VerschiedeneFaktoren spielen hier mit: «Einerseitsdie Erwartungshaltung der Patienten,andererseits Unsicherheiten auf Seitender Ärzte. Fehlendes Wissen über dieaktuelle Resistenzlage weckt Bedenken,ein Patient könnte an einer nicht odernichtbreit genug behandelten Infektionschwer erkranken oder sogar sterben.»Also wird lieber einmal zu viel als einmalzu wenig zu einem (breiten) Antibiotikumgegriffen. Solchen Unsicherheitensoll das AntibiotikaresistenzProjektbegegnen. Dabei geht es nicht darum,Antibiotika zu verteufeln –wohl aberum einen sinnvollen Einsatz. «Geradeweil die Schweiz von dem Problem nochnicht so stark betroffen ist wie andereLänder, haben wir die Chance, früheinzugreifen», sagt Mühlemann.Ein Eingriff, der sich lohnt. In denUSA sind Antibiotikaresistenzen schonsehr viel häufiger als in der Schweiz.Dort sind nun intensive Bestrebungen imGange, das Problem einzudämmen. « Dasich Resistenzen sehr schnell ausbreitenkönnen, ist ihre Kontrolle am einfachsten,wenn sie noch relativ selten sind»,erklärt Mühlemann. Die Erkenntnisse,die jetzt gewonnen werden, fliessenauch wieder zurück an die <strong>Universität</strong>:Angehende Ärztinnen und Ärztewerden nämlich künftig noch präziserim Umgang mit Antibiotika geschultwerden können. Damit sie sich bei derindividuellen Betreuung von Patientenmit Infektionen sicherer fühlen.7Jahresbericht der <strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> 00
Chronik 00Die <strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> inBildern –Rückblick auf das Jahr 00Allianzen und Aufbruchstimmung: Die<strong>Universität</strong> hat sich eine neue Rahmenstrategiegegeben, die VetsuisseFakultät hat ihren1 710Jahresbericht der <strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> 00