NotizenDoch diese Begabungen schenkt Gott auf besondere Weise. Das ist der Grundsatz, derdas Leben des einzelnen Christen und der Gemeinde regelt: von Gott empfangen, umden anderen weiterzugeben. Die Gaben des Heiligen Geistes werden der einzelnen Persongegeben, damit sie sie für das Gemeinwohl einsetzt (1. Kor 12, 7) und nicht zumjeweiligen privaten Nutzen. Auf diese Weise ist niemand von uns selbstgenügsam undallein; jede und jeder braucht den oder die andere(n), und nur im wechselseitigen Austauschder Begabungen und Gaben wird die Gemeinschaft gefestigt und die <strong>Kirche</strong> alsLeib aus Geschwistern aufgebaut. [3]Jede und jeder kann und soll andere Gaben, Begabungen und Schätze einbringen indie Gemeinde. – Es ist schade, wenn es uns als Gemeinden und <strong>Kirche</strong>n nicht gelingt,diese Begabungen und Schätze der jeweils anderen zu sehen, anzunehmen, ihnenRaum zu geben, sie zur Entfaltung zu bringen, zu verbinden.Im biblischen Bild vom Leib Christi werden alle Glieder hoch geachtet, auch wenn sieweniger kräftig oder sichtbar sind. Die Glieder aller Generationen haben Schätze undGaben, die sie zum „Wohl und Heil der anderen” gebrauchen können, von den Kindernbis zu den Hochbetagten. „Wenn du keinen alten Menschen zu Hause hast, so leih direinen”, besagt ein griechisches Sprichwort. [4]Die „Gemeinschaft der Heiligen” ist eine Lern- und Teilgemeinschaft, sie ist inklusiv undpartizipatorisch, eine Gemeinschaft von unterschiedlichen Menschen „auf Augenhöhe”.Ein Beispiel aus dem Doornse Catechismus aus den Niederlanden: „Jan war ein Ausgestoßenerunserer Zeit. Ich bin dankbar, dass ich sagen darf: „Unser Jan”. Das ist nichtunser Verdienst, denn wir sollten Jan nicht auserwählt haben. Er wäre kein Mitglied unseresFreundeskreises. Wir fanden ihn schwierig und lästig – so wie wir eben Ausgestoßene,Parias, sehen. Aber Jan war unser Bruder, er war uns als Gottes Kind anvertraut.Auch wenn er kaum noch einen Menschen hatte, so kam er weiter, um mit unszusammen zu Gott zu beten und zu singen. Überall wurde er weggeschickt, aber erkam weiter in den Gottesdienst. Er wusste, dass er auch zum <strong>Kirche</strong>nkaffee willkommenwar …” [5]„Jeder und jede in der <strong>Kirche</strong> braucht den oder die andere”. Die Gemeinschaft der Heiligenverwirklicht sich dadurch, dass alle an den Schätzen Christi Anteil haben und ihre„heiligen Gaben austauschen”. [6]Diese Gemeinschaft teilt sowohl ihre geistlichen als auch ihre materiellen Gaben – wiesie gemeinsam Abendmahl feiert und Kollekte hält im Gottesdienst.Frage 55 und das Bekenntnis zur „Gemeinschaft der Heiligen” ist ein gutes Heilmittelgegen Eigensucht, Einsamkeit und Vereinsamung. So eine Lern- und Teilgemeinschaftwirkt als Gemeinde und <strong>Kirche</strong> glaubwürdig.5. Schluss: Hoffnung, Ermutigung, Trost aus Fragen 54 und 55In Frage 53 zum Heiligen Geist bekennen wir: „Der Heilige Geist ist auch mir gegebenund gibt mir durch den wahren Glauben Anteil an Christus und seinen Wohltaten”. AlsGetaufte und Glaubende sind wir reich beschenkt. Christus erwählt sich Seine Gemeinde,beschützt und erhält sie: „Ich glaube, dass auch ich ein lebendiges Glied dieserGemeinde bin und ewig bleiben werde.”Frage 54 – „Ich bin ein lebendiges Glied dieser Gemeinde” – das ist ein großer Trostfür eine jede und einen jeden von uns: „Ich bin dabei, werde nicht ausgeschlossen.”Eine amerikanische Schwesterkirche, die United Church of Christ, formuliert es so:„Wer du auch bist und wo du dich auf deiner Lebensreise gerade befindest – du bistwillkommen.”Dieser Trost und diese Ermutigung wird in Frage 55 weitergeführt: „Alle Glaubenden ha -ben ... Gemeinschaft ...”. Die Zukunft meiner Gemeinde und <strong>Kirche</strong> hängt nicht an eini-48
Notizengen Wenigen. Wir brauchen uns nicht zu ängstigen oder zu sorgen, dass die <strong>Kirche</strong> JesuChristi, Seine weltweite Gemeinde untergehen könnte. Gott erwählt sich Seine Gemeindeund ihre Glieder durch Sein Wort, Seinen Zuspruch, Seine Mahnung, Seinen Trost.Die Unterschiede, die Differenzen, die wir als Menschen erfahren, erleben und erschaffen,bewirken bei Jesus Christus nicht Trennung und Spaltung. Er verbindet die jeweilsanderen, verschiedenen Menschen miteinander. Als biblische Belegstelle für Frage 54und 55 käme auch Galater 3, 26-28 in Frage. Als Glaubende lernen wir durch Ihn diejeweils anderen mit neuen Augen zu sehen und als Schwestern und Brüder zu erkennen– und ich bin dabei als ein ‚lebendiges Glied’.Das ist ein großer Trost und dafür bin ich dankbar.Einige Hinweise zur LiturgieBiblische Lesungen:Einige der biblischen Belegstellen zu Frage 54 und 55 gehören zu den Predigttextender Perikopenreihen. So könnte eine Predigt an den entsprechenden Sonntagen erfolgen:Exaudi: Röm 8, 28-32(Reihe VI)Misericordias Domini: Joh 19, 28-30(Reihe I)Pfingsten:1. Kor 12, 12 ff.(Reihe II)7. So. nach Trinitatis: Phil 2, 1-5(Reihe IV)17. So. nach Trinitatis: Eph 4, 3-6(Reihe VI)Psalm 71 gehört zu den Belegstellen und kann mit EG 732 gebetet werden.Liedvorschläge zu Fragen 54 und 55:„Nun singe Lob, du Christenheit …” EG 265„Ich will, solang ich lebe …” EG 276„Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit …” EG 502„Komm Herr segne uns, dass wir uns nicht trennen” EG 170[1] Gemeinsam für das Leben – Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten; Kommission Weltmissionund Evangelisation des ÖRK; Genf 2012 (www.oikumene.org).[2] In: „Kanzel in der Welt“; Hrsg. Traugott Schächtele / Christoph Schneider-Harpprecht; Leipzig (EVA) 2012;S. 138.[3] Paolo Ricca: La fede cristiana evangelica; Un commento al Catechismo di Heidelberg; Turin 2011; S.166(Übersetzung von Susanne Labsch).[4] „VielfALT Alter“ lautet ein Programm des Seniorenreferats der Erzdiözese Freiburg aus dem Jahr 2011:32 Spruchkarten mit Arbeitshilfe benennen die besonderen Charismen und Chancen betagter Menschen.[5] Sita Hofstra, in: Doornse Catechismus – Oude vragen, nieuwe antwoorden; Kampen, 2010; Frage 34: Warumsollte ich eigentlich in die <strong>Kirche</strong> gehen …? (Übersetzt von Susanne Labsch)[6] Paolo Ricca, a.a.O. p. 167 Susanne Labsch49