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KulturPolitik für Stuttgart und Region Ausgabe 9 Apr ... - SUR Kultur

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such von medizinischen Ratgeber-Seiten im Internet kann man<br />

sich jede Menge neuer Krankheiten »einfangen« oder zumindest<br />

einbilden. Wer Hypochonder ist, mag nach der Lektüre von Christoph<br />

Schlingensiefs Erfahrungsbericht wohl am besten gleich<br />

sein Testament schreiben. Alle anderen lassen sich zumindest<br />

mal eine Woche krankschreiben, um alle nötigen Arztbesuche<br />

verwirklichen zu können. Oliver Pocher hatte es gut, der konnte<br />

die ganze TV-Nation (na ja, zumindest einen geringen Bruchteil<br />

dieser Nation, eben die hartgesottenen Pocher-Fans) an seinem<br />

Leid <strong>und</strong> Selbstmitleid als Schweinegrippe-Opfer teilhaben lassen.<br />

Möchte unsereins als Mann etwas Mitleid abbekommen,<br />

muss er sich schon einen Finger abhacken.<br />

Seinen Schnupfen einfach als »grippalen Infekt« zu titulieren<br />

oder sein »Nasenbluten« als »innere Blutungen« zu bezeichnen<br />

<strong>und</strong> so auf eine Erhöhung der Streicheleinheiten von Frauenseite<br />

zu spekulieren, reicht leider nicht. Wer dann mal richtig, wirklich<br />

krank ist, wird nicht mehr ernst genommen. Mehr Gemüse?<br />

Trennkost? Nix Süßes mehr? Keine Kohlenhydrate nach 18 Uhr?<br />

Kein Alkohol? Ein Glas Wein oder Bier jeden Abend? Kein Kaffee?<br />

Viel Kaffee? Die gutgemeinten Ges<strong>und</strong>heits-Tipps sind ebenso<br />

variantenreich wie widersprüchlich. Viele Konzertveranstalter<br />

<strong>und</strong> Bands reagieren auf die zunehmende Wehleidigkeit der Konzertbesucher,<br />

indem sie kürzere Auftrittszeiten anvisieren. Musiker<br />

lediglich 60 Minuten auf der Bühne zu erleben, kann auch<br />

sehr vorteilhaft sein.<br />

Zu Hause noch ‘ne »heiße Zitrone« zu trinken, dabei eine Klassik-CD<br />

zu hören <strong>und</strong> sich dann unter die warme Bettdecke zu<br />

verziehen, sind die Höhepunkte des alte(rnde)n Mannes. Wer<br />

sich jung fühlen möchte, kann sich ja modische Krankheiten wie<br />

ADHS oder eine Internetsucht (Pornoseiten? Glückspiel? Oder<br />

noch besser: Computerspiele?) zulegen. Oder er gründet im Internet<br />

auf »facebook« eine entsprechende Betroffenen-Gruppe.<br />

Unter Künstlern ist »Frustrated and Burned-Out Artists Worldwide«<br />

eine der derzeit am schnellsten wachsenden Gruppierungen.<br />

Zu Recht.<br />

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