UM UTZU G N N - Restaurator im Handwerk eV
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Friedrichswerdersche<br />
Kirche<br />
– Außenansicht<br />
Friedrichswerdersche<br />
Kirche<br />
– Blick in das<br />
Langhaus<br />
56<br />
Museen<br />
dr. angelik a WeSenBerg<br />
Friedrichswerdersche Kirche<br />
� Die nach Plänen Karl Friedrich Schinkels 1824–1830<br />
errichtete neugotische Friedrichswerdersche Kirche gehört<br />
seit 1987 zu den Häusern der Nationalgalerie. Im<br />
Kirchenschiff sind klassizistische Skulpturen ausgestellt,<br />
auf der Empore kann man sich anhand von Text/Bildtafeln<br />
über Leben und Werk des Architekten informieren.<br />
Schinkel hatte für den anstehenden Neubau der Kirche<br />
auf dem Friedrichswerder ein Schaublatt mit vier<br />
Vorschlägen gezeichnet: zwei klassizistischen und zwei<br />
gotisierenden − es ist die Frühzeit des Historismus. Der<br />
mit Bauleidenschaft ausgestattete und häufig zusammen<br />
mit Schinkel planende preußische Kronprinz Friedrich<br />
Wilhelm (der spätere König Friedrich Wilhelm IV.)<br />
favorisierte gotische Formen. Schinkel entwickelte, in<br />
Anlehnung auch an englische Vorbilder, einen ganz eigenständigen<br />
Baukörper, ein Kunstwerk <strong>im</strong> Inneren und<br />
<strong>im</strong> Äußeren.<br />
Das Äußere des strengen Baues aus rotem Backstein<br />
ist geschmückt durch kleine Türmchen mit vergoldeten<br />
Zinkblechkugeln, die das Langhaus wie auch die vier<br />
Ecken der blockhaft ausgebildeten Türme bekrönen.<br />
Zwischen diesen Fialen gibt es eine Vierpassbalustrade<br />
aus Eisen. Auch das Innere ist bis auf den Altaraufsatz<br />
und das Gestühl vollständig erhalten, so dass wir mit der<br />
Friedrichswerdersche Kirche heute den authentischsten<br />
Schinkel-Bau in Berlin besitzen.<br />
Die Gemeinde hatte durch Krieg und Nachkrieg ihr<br />
Wohnumfeld verloren, nach 1945 wurde die Kirche nicht<br />
mehr für Gottesdienste genutzt. Aber sie war gesichert,<br />
und <strong>im</strong> Jahre 1979, <strong>im</strong> Vorfeld der großen Ausstellungen<br />
zum 200. Geburtstag Schinkels, wurde die Rekonstruktion<br />
beschlossen und auch die zukünftige museale Nutzung.<br />
1987, <strong>im</strong> Jahr der 750-Jahr-Feiern Berlins, wurde<br />
die Friedrichswerdersche Kirche als Museum ihrer selbst<br />
und als Skulpturengalerie eröffnet.<br />
Die über 100.000 Besucher pro Jahr bewundern meist<br />
zunächst den hohen, hellen Kirchenraum selbst, bevor<br />
sie sich der Betrachtung der einzelnen Figuren widmen:<br />
<strong>Restaurator</strong> <strong>im</strong> <strong>Handwerk</strong> – Ausgabe 4/2011<br />
Die Oberfläche der Säulen und Wände ist eine Sandstein<strong>im</strong>itation,<br />
das Kreuzgewölbe ahmt mit den zusätzlich<br />
aufgemalten Scheinrippen und der feinteiligen Ziegel<strong>im</strong>itation<br />
ein kompliziert aufgemauertes Sterngewölbe<br />
nach. Die Pfeiler und die Emporenbrüstung, die Treppenaufgänge<br />
und die Kanzel sind in filigraner Arbeit in<br />
Eichenholz gearbeitet. Schinkel hatte das damals hochmoderne<br />
Gusseisen favorisiert, das wurde ihm verwehrt,<br />
vielleicht aber hat es seine Formvorstellung geprägt. Der<br />
Chor besitzt noch die originalen figürlichen Glasfenster<br />
nach den Entwürfen des Architekten. Sie haben <strong>im</strong> Keller<br />
des Doms den Krieg überstanden.<br />
Der Raum, wie er sich nach der Rekonstruktion der<br />
1980er Jahre darstellt, gleicht ganz überraschend der<br />
Idealansicht des Baus, die Schinkel 1829 für die Umsetzung<br />
in einen Kupferstich zeichnete. Dazu trägt nicht<br />
nur bei, dass das feste Gestühl verloren ist, sondern auch,<br />
dass die Veränderungen des frühen 20. Jahrhunderts<br />
rückgängig gemacht wurden − die Eiche war auf Mahagoni<br />
lasiert worden, die Emporendurchgänge hatten<br />
Türen erhalten, die Fenster des Langhauses waren farbkräftiger<br />
und dunkler gestaltet worden. Rückgewonnen<br />
wurde ein idealer Raum zur Aufstellung der Skulpturen<br />
und Gipsmodelle der Schinkel-Zeit. �<br />
(Fotos: Andreas Kilger)<br />
Dr. Angelika Wesenberg<br />
ist Kustodin an der Alten Nationalgalerie Berlin.<br />
Friedrichswerdersche Kirche<br />
Werderscher Markt 1<br />
10117 Berlin-Mitte<br />
Mo-So 10-18 Uhr, Eintritt frei