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A R C H I T E K T U R 26 Neue Architektur im Vorderen Westen Kolonnadenflügel im Konzertgarten Gekonntes Spiel mit Analogien Von Klaus Schaake Mit seinen etwa 5000 Quadratmetern Fläche stößt das Kongress Palais Kassel nur kurze Zeit nach dem Jahrtausendwechsel an seine Kapazitätsgrenzen. Namhafte Veranstalter deuten an, nur dann in Kassel bleiben zu wollen, wenn in den nächsten Jahren deutlich mehr und flexiblere Raumkapazitäten zur Verfügung stehen. Ein deutliches Signal an die Fuldastadt, die sich als zentral gelegener Kongress- und Tagungsstandort in der Mitte Deutschlands einen Namen gemacht hat. Ein Architektur-Wettbewerb wird ausgelobt. Lediglich ein neuer Saal und ein neues Foyer auf der Nordseite des historischen Gebäudes stehen für die Erweiterung des Kongress Palais auf der Agenda - also ein „profaner“ Anbau an die fast hundertjährige Stadthalle, um deren Nutzungsmöglichkeiten deutlich zu erweitern. Im Detail stellt sich die Aufgabe für die sechs eingeladenen Architektenteams als eine vertrackte dar: Durch das bestehende Kongress Palais gibt es eine Vielzahl von Funktionen, die auf verschiedenen Ebenen anzubinden sind, dazu kommt die besondere topografische Situation mit sieben Metern Höhenunterschied zwischen dem Holger-Börner-Platz an der Friedrich-Ebert-Straße im Süden und der Kölnischen Straße im Norden. „Aschenputtel im Norden zum Leben erweckt“ Prof. Alexander Reichel und sein Team überzeugen die Jury. Arbeiten alle anderen Entwürfe mit Höhenversprüngen innerhalb des Gebäudes, schafft es Alexander Reichel, den „gordischen Knoten“ zu durchschlagen: Foyers und Säle in Alt- wie Neubau befinden sich in seinem Entwurf auf gleicher Ebene, wodurch unter Ausnutzung der Topographie als Eingang in das neue Foyer eine bühnenartige Treppenanlage mit Amphitheater-Anmutung entsteht - Qualitäten, die das Preisgericht in seiner Bewertung besonders hervorhebt. „Das Amphitheater, das die Foyers im Untergeschoss intelligent erschließt, kann zu einer Aktionsfläche werden, die das Aschenputtel im Norden zum Leben erweckt. Neubau und Altbau bilden ein stimmiges Ensemble, in dem sich jede Einheit eigenständig darstellen kann. Die Ergänzung wird als selbstverständlich wahrgenommen und erscheint im Gesamtkontext als subtil ordnender Faktor, den die bisherige ,Rückseite‘ so dringend benötigt.“ Einstimmig empfiehlt das Preisgericht dem Auslober, die mit dem 1. Preis ausgezeichnete Arbeit den weiteren Planungen zugrunde zu legen und die Entwurfsverfasser mit der weiteren Bearbeitung zu beauftragen - keine Selbstverständlichkeit, erinnert man sich an den Wettbewerb zum nur einen Steinwurf entfernten Stadthallen-Hotel. Foto: Klaus Schaake Meilenstein für die Zukunft Mit etwa 1900 Quadratmetern Technik- und Veranstaltungsfläche im Hanggeschoss und sechsfach teilbaren circa 1000 Quadratmetern ebenerdiger Fläche auf Saalgeschoss-Ebene erhöht sich mit dem Kolonnadenflügel, der mit einem lichtdurchfluteten Atrium als Nahtstelle zwischen Alt und Neu an den historischen Bestand „andockt“, das Flächenangebot auf etwa 8000 Quadratmeter. Das Kongress Palais verfügt nun über ein Raum-, Ausstattungsund Serviceangebot, das den steigenden Anforderungen an große Veranstaltungshäuser entspricht. Für Peter Ley, Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GWG und der Tagungszentrum Stadthalle Kassel GmbH, ist der Kolonnadenflügel ein wichtiger Meilenstein für die Zukunftsfähigkeit des Kongress Palais. Wesentlichen Anteil daran hat Alexander Reichels Architekturverständnis. „Gute Architektur - auch die oder gerade die als Baukunst bezeichnete - ist nicht künstlerischer Selbstzweck, sondern sie dient dem Menschen. Architektur ist eine öffentliche Angelegenheit, vor allem bei einem so markanten städtischen Gebäude wie dem Kongress Palais. Als in diesem Fall verantwortlicher Architekt, bedeutet das für mich, den architektonischen Raum erfahrbar, dessen Qualität spürbar und die ihm innewohnende Funktion nutzbar für den Besucher zu gestalten“, so der auch an der Hochschule Darmstadt lehrende Planer. StadtZeit Kassel Nr. 46
Standort: Weg zur Wildnis 1, 34516 Vöhl-Herzhausen Baujahr: 2008 Bauherr: Gemeinde Vöhl Betreiber: gemeinnützige Gesellschaft Nationalpark- Zentrum Kellerwald mbH Architekten: h.s.d. architekten „Gastfreundlich, würdig, außergewöhnlich“ „Seinen“ Anbau versteht Alexander Reichel keineswegs als kontrastreichen Solitär, sondern als homogene Erweiterung. Diese reflektiert die historische Tektonik, ohne sie jedoch zu rekonstruieren. Der Kolonnadenflügel respektiert die bestehenden Strukturen und Materialien und interpretiert sie gleichzeitig auf moderne Weise. Die Tragstruktur des Gebäudes besteht aus schlanken, sandgestrahlten und ockergefärbten Betonstützen und einem filigranen Trägerrost aus vorgespannten Stahlbeton, was im Innern eine stützenfreie Konstruktion von etwa 35 mal 35 Metern und damit ein sehr hohes Maß an Flexibilität ermöglicht. Diese disziplinierte und raue Struktur wird durch glatte, elegant und festlich schimmernde bronzefarben eloxierte Wände ergänzt. Sie greift vorhandene gestalterische Themen wie Stützen und Träger, Material, Fugen oder Farbigkeit auf und interpretiert sie. Die Kolonnaden des Hofes nehmen Bezug auf die historische Eingangssituation, das Raster der Lichtdecke des neuen Saals erinnert an die Kassettendecke im Blauen Saal, die einheitliche Materialstruktur an den homogenen Baukörper der Stadthalle – ein gekonntes Spiel mit Analogien. StadtZeit Kassel Nr. 46 Standort: Holger-Börner-Platz, 34119 Kassel Baujahr: 2011 Bauherr: Tagungszentrum Stadthalle Kassel GmbH Architekten: Reichel Architekten BDA Tragwerksplanung: Dr. Kreutz und Partner Freiraumplanung: Latz, Riehl und Partner Haustechnische Planung: K+S Haustechnik Brandschutzgutachter: Halfkann und Kirchner Akustisches Gutachten: Ingenieurbüro Dr. Alphei Verkehrsgutachten: LK Argus Prüfstatik: Mehlhorn und Vier Fotos: Constantin Meyer Photographie, Köln A R C H I T E K T U R Im intelligenten Zusammenspiel von Ort, Raum, Funktion, Material, Farbe und Fügung stellt Alexander Reichel mit seinem gelungenen Anbau die gleichen sinnlichen und ästhetischen Qualitäten und räumlichen Erlebnisse her, wie sie sich auch in historischen Bauten finden. „Und so hoffe ich, dass die Erweiterung - eingebunden, aber als eigenständiger Baukörper gleichwertig neben dem vorhandenen steht und die Stadt Kassel damit einen gastfreundlichen, würdigen, aber auch aussergewöhnlichen und einzigartigen Versammlungsort hinzugewonnen hat“, so der Architekt bei der feierlichen Einweihung. Sie hat! 27
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