WERDE COMPANION DER dOCUMENTA (13) - StadtZeit Kassel
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36<br />
W I E G E W O H N T. . .<br />
. . . I N R O T H E N D I T M O L D<br />
„Generation Kanake“ mit<br />
Wünschen und Visionen<br />
In der Außensicht nicht eben gut beleumundet, leben gerade Jugendliche gern in „ihrem“<br />
Rothenditmold. Vier Erfahrungsberichte.<br />
„Wir wollen hier<br />
bleiben!“<br />
Wir sind Brüder, 12 und 14. Unsere Eltern<br />
stammen aus Nordafrika. Zuhause<br />
sprechen wir arabisch. Auf der Straße<br />
aber immer deutsch. Miteinander<br />
unterhalten wir uns mal so, mal so. In<br />
Rothenditmold gefällt es uns eigentlich<br />
schon ganz gut. So richtig<br />
schlecht finden wir hier eigentlich<br />
nichts.<br />
Aber wir brauchen hier unbedingt einen<br />
Fußballplatz. Es gibt zwar einen<br />
Bolzplatz in der Nähe Engelhardstraße,<br />
aber dort ist die Wiese total<br />
schlecht. Und eins der Tore ist auch<br />
kaputt.<br />
Der viele Verkehr auf der Wolfhager<br />
Straße stört uns nicht weiter. Dass die<br />
da so schnell fahren, davon bekommen<br />
wir gar nichts mehr mit. Wir haben<br />
uns daran gewöhnt. Was man bei<br />
der Straße besser machen könnte, das<br />
sind die Bürgersteige. Die sind manchmal<br />
ganz schief und dahinter ist oft<br />
einfach nur halb Matsch, halb Wiese.<br />
Unsere Familie sucht noch eine größere<br />
Wohnung. Irgendwo hier in Rothenditmold.<br />
Mit fünf Zimmern. Wir<br />
wollen hier bleiben. Am liebsten auf<br />
dem Rothenberg. Auch unsere Eltern<br />
wollen nicht wegziehen. Wir haben<br />
uns alle an die Gegend gewöhnt und<br />
es gefällt uns hier besser als anderswo.<br />
Auf dem Rothenberg gibt es viele<br />
Leute und auch viele Kinder. Da<br />
macht es mehr Spaß.<br />
„Wir sind eben die<br />
Generation Kanake“<br />
Wir, drei Jungs, alle 16, leben gerne<br />
hier. Rothenditmold ist unser Zuhause.<br />
Wir sind hier aufgewachsen. Hier<br />
haben wir Fahrradfahren gelernt und<br />
unseren ersten Joint geraucht. Wir<br />
fühlen uns als Rothenditmolder. Der<br />
Spitzname für Rothenditmold ist<br />
Brooklyn. Irgendwer muss sich das<br />
mal ausgedacht haben. Das spricht<br />
sich dann so rum. Und so haben wir<br />
mal irgendwo „Brooklyn-Ditmold“<br />
hingesprüht.“<br />
Was wir brauchen, ist ein Fußballplatz.<br />
Das wäre hier das wichtigste.<br />
Die Idee haben wir schon länger. Aber<br />
wir konnten mit niemanden darüber<br />
reden. Es besteht auch keine Möglichkeit,<br />
dass wir den jemals kriegen. Hier<br />
gab es auch mal einen richtigen Fußballplatz,<br />
aber da wurden die Tore<br />
und alles andere von irgendwelchen<br />
Leuten kaputtgemacht. Einmal hat es<br />
da auch gebrannt.<br />
Wir wollen jetzt nicht behaupten,<br />
dass wir hier noch nie was kaputtgemacht<br />
hätten. Aber was uns gefällt,<br />
das machen wir auch nicht kaputt<br />
und da passen wir dann auch drauf<br />
auf.<br />
Auch wenn die anderen Fußballfreaks<br />
sind: Für mich wäre ein neuer Fußballplatz<br />
nun nicht das größte. Ich fänd’s<br />
gut, wenn es hier so etwas wie öffentliche<br />
Fitnessgeräte geben würde,<br />
wo man Übungen machen kann.<br />
Irgendwelche Gerüste oder angebrachte<br />
Stangen, wo man Klimmzüge<br />
machen kann und so was alles. Ähnlich<br />
wie ein Trimmpfad. Gerade im<br />
Sommer wär‘ das toll, wenn man da<br />
mit Freunden hingehen könnte.<br />
Außerdem wäre es perfekt, wenn<br />
man hier auch so Rampen für BMX<br />
und so hinbauen könnte. Am besten<br />
da, wo jetzt der alte Fußballplatz ist.<br />
Optimal wäre es dann, wenn es da<br />
noch Sitzbänke geben würde, wo<br />
man auch abends noch mit Freunden<br />
chillen kann. Und dann muss es dort<br />
auch ein bisschen Licht geben. Aber<br />
nur so viel, dass man sich dort orientieren<br />
kann, und nicht, dass man<br />
überall gleich gesehen wird.<br />
Und man könnte hier im Stadtteil einen<br />
Dönerladen für die Jugendlichen<br />
aufmachen. Jeder, der Hunger und<br />
Bock auf ’nen Döner hat, kann mit seinen<br />
Kumpels da einfach hinkommen<br />
und sich einen holen. Oder eine Shisha-Bar,<br />
wo man Wasserpfeife rauchen<br />
kann und sich mit Freunden trifft.<br />
Ich glaube nicht, dass wir hier unsere<br />
Wünsche umsetzen können. Wir haben<br />
aber auch noch nichts probiert.<br />
Mir kommt es so vor, als ob die Leute<br />
sowieso immer nur den Kanaken sehen:<br />
Wir sind eben die Generation Kanake.<br />
Die Erwachsenen müssen sich doch<br />
auch mal überlegen, wie das war, als<br />
sie selbst klein waren und worauf sie<br />
da Bock hatten.<br />
So was, wie zum Ortsbeirat gehen<br />
oder zur Kinder- und Jugendbeauftragten,<br />
das bringt doch nichts. Wenn<br />
irgendwelche Maßnahmen lange<br />
dauern, weil wir erst warten müssen,<br />
bis die eine Genehmigung kriegen<br />
oder Geld, dann ist das doch auch<br />
scheiße. Wir sind jetzt alle 16, da müsste<br />
innerhalb eines halben oder eines<br />
Jahres was passieren. Sonst lohnt sich<br />
das für uns doch gar nicht mehr. Deswegen<br />
müssen die sofort anfangen,<br />
hier was zu verändern.<br />
Hier in Rothenditmold kann man nicht<br />
besonders gut Arbeit finden, außer<br />
vielleicht bei Edeka oder Lidl so einen<br />
400-Euro-Job. Einen richtigen Überblick,<br />
was hier in Rothenditmold an<br />
Ausbildungen und so hier möglich ist,<br />
bei der ansässigen Industrie oder in<br />
kleinen Betrieben, haben wir nicht.<br />
Wenn es hier Ausbildungen direkt in<br />
der Gegend gäbe, würde uns das<br />
schon gefallen. Einmal müsste man<br />
dann nicht so weit fahren und außerdem<br />
mögen wir diesen Platz ja auch.<br />
„In Rothenditmold gibt‘s<br />
alles, was man braucht“<br />
Wir finden es schön hier, wo wir leben.<br />
Auch die Wolfhager Straße ist<br />
für uns ganz normal. Besonders gut<br />
ist, dass es gleich nebenan ein Einkaufszentrum<br />
gibt, wo man alles einkaufen<br />
kann, was man gerade so<br />
braucht. Dann sind da noch ein Spielplatz<br />
und direkt daneben die Schule.<br />
Unsere Freunde sind natürlich auch alle<br />
hier. Also alles, was man sich wünschen<br />
kann.<br />
Wenn wir zur Schule gehen, laufen<br />
wir vom Berg runter ins Dorf. Tagsüber<br />
ist das in Ordnung, aber nachts<br />
laufen da schon mal merkwürdige<br />
Leute rum.<br />
In unserer Freizeit kommen wir ins Anne-Frank-Haus<br />
oder spielen. Wenn wir<br />
uns draußen mit Freunden treffen wollen,<br />
gehen wir dazu entweder auf den<br />
Spielplatz oder direkt auf die Straße.<br />
<strong>StadtZeit</strong> <strong>Kassel</strong> Nr. 46