» D i e f a b e l h a f t e n M i l l i b i l l i e s «Kinder träumen schönerForschung – Was Mädchen und Jungen nachts im Schlaf erleben, zeigt eine neue Studie. Fazit:kein Grund <strong>zu</strong>r Sorge!Von FOCUS-Autorin Eva MeschedeEs ist eine wunderbare Welt, in derAußerirdische <strong>zu</strong> Besuch kommen: »Plötzlicherscheint so eine neongrün leuchtende Eins,wie ein Ufo, gerade auf Augenhöhe soschräg vor mir«, erzählt ein 13-Jähriger überseinen Traum. Ein gleichaltriges Mädchenmuss in einem Dorf mit Trollen und Zwergenein Feuer löschen.Kinder leiden häufig unter Furcht er-regendenAlbträumen, heißt es. Falsch, hat die ZürcherPsychologin Inge Strauch in eineraufwändigen Langzeituntersuchung herausgefunden.<strong>Die</strong> meisten finden ihre Schlafphantasienangenehm entspannend oderabenteuerlich. »Wir träumen, damit uns imSchlaf nicht langweilig wird«, meinen zweielfjährige Mädchen.Neben einer älteren amerikanischen Studiemit jüngeren Kindern ist die Forschung vonInge Strauch die einzige, bei der dieEntwicklung von Kinderträumen über einenZeitraum von mehr als sechs Jahren imLabor untersucht wurde. Zwölf Mädchenund zwölf Jungen, die <strong>zu</strong> Beginn der Studiezwischen zehn und zwölf Jahren alt waren,übernachteten immer mal wieder im Schlaflabor,wurden geweckt und erzählten vonihren Träumen. So ergab sich ein anderesBild, als es Eltern daheim gewinnen, dennmeist wecken uns nur Angstträume. Von denvielen angenehmen erfahren wir selten, weilKinder durchschlafen und vor allem Jüngerenur über karge Erinnerungen verfügen.Nächtliche Phantasien: TraumforscherinStrauch wollte vor allem herausfinden, wiesich Kinderträume im Lauf des Lebens34ändern. Sie stellte fest, dass den Kleinerenihre Träume meist noch egal sind, dagegenerinnert sich die große Mehrheit der Jugendlichengern an ihre Träume. Überraschendist, dass die Schule, die ja in der Wirklichkeitalle heftig beansprucht, nur in jedemzehnten Traum vorkommt, und die Szenendort spielen dann da, wo es Spaß macht: inden Pausen, auf dem Schulhof. Träume vonPrüfungen sind rar, entweder gefühlsneutraloder mit Unlust verbunden, versetzen aberkaum jemanden in Angst und Schrecken.Zwar phantasieren Kinder überwiegendPositives, haben aber immerhin noch doppeltso häufig Angstträume wie Erwachsene,sagt Michael Schredl. Der Leiter desMannheimer Schlaflabors hat sich vor allemmit quälenden nächtlichen Erlebnissen befasstund vermutet, »dass Kinder dieStrategien <strong>zu</strong>r Angstbewältigung erst lernenmüssen«. Deshalb schrecken vor allemSechs- bis Zehnjährige öfter nachts auf.Schredl hat allerdings die Erfahrunggemacht, dass auch extreme Albträumernach einer einfachen Konfrontationstherapiewieder ruhig schlafen.Einen Fünfjährigen ließ er die schrecklichenGespenster, die ihn im Dunkeln verfolgten,aufzeichnen. Auf dem Papier ans Lichtgebracht, konnte sich der Junge erstmals mitden fiesen Biestern auseinander setzen. Erwar ihnen nicht mehr hilflos ausgeliefert undhatte selbst eine Idee, wie er sich wehrenkonnte: Er malte eine Spinne, die denSchläfer mit einem großen Netz schützt.Kinder träumen einfach anders, hatTraumforscherin Strauch herausgefunden.Solange sie jünger sind, verhalten sie sich imTraum passiv, es erscheinen viele Tiere in
» D i e f a b e l h a f t e n M i l l i b i l l i e s «phantastisch bizarren Situationen. Erst mitetwa zehn Jahren entwickeln Kinder langsamein eigenes Traum-Ich, das dann aktiveingreift.Mit Beginn der Pubertät mischt man immermehr im Traum selbst richtig mit, ist nichtimmer nur Nehmender oder Opfer, sondernauch Gebender und Täter. Das Alltagsgeschehenwird nachts neu sortiert. Sport,Spiel und Abenteuer sind die Lieblingsthemen:Jungen träumen überwiegend vonJungen, und daran wird sich auch imErwachsenenalter nichts ändern. Ganzanders die Mädchen, die zwar als Kinder dieRollen in ihren nächtlichen Phantasien auchüberwiegend mit Mädchen besetzen, aber alserwachsene Frauen beide Geschlechter gleichhäufig vorkommen lassen. In keinemanderen Alter erinnert man sich so gut anseine Träume wie in der Pubertät. Strauchglaubt, dass Jugendliche sich sehr stark mitsich selbst beschäftigen. Sie finden sich,indem sie im Traum ihre Rollen für daswirkliche Leben ausprobieren.Lernen im Schlaf? Auch wenn Wissenschaftlernoch nicht wissen, warum wirträumen, zweifelt niemand daran, dassunsere Schlaferlebnisse nützlich sind undder Psyche gut tun. Ob ein Schüler aber imTraum die langen chemischen Formeln desZitronensäure-Zyklus auswendig lernenkann, ob ein Vokabelbuch unter dem Kopfkissendas Erinnerungsvermögen tatsächlichstärkt, ist bisher umstritten.Alle Studien, die behaupten, man könne imSchlaf pauken, wurden bisher überzeugendangezweifelt. Immerhin dürfte das vor demEinschlafen Gelernte nachhaltiger im Gedächtnishaften. Zudem fördert das Erinnernund Auseinandersetzen mit Träumen dieKreativität: »Es bringt sicher etwas, wennman über seine Träume nachdenkt und siemit den Eltern bespricht«, weiß Schredl.Außerdem können Träume Wünsche erfüllen,die einem in der Wirklichkeit oftversagt bleiben werden. Besonders für Kinderund Jugendliche ist das manchmal nochschöner als Weihnachten. Der Traum eines14-Jährigen in Strauchs Schlaflabor sprichtfür sich selbst: »Ich habe geträumt, dassmeine Eltern wieder geheiratet haben. Siehaben einfach so angefangen <strong>zu</strong> sprechen aneinem Tisch. Und mit der Zeit haben sie sichwieder versöhnt.«Literaturhinweise:Inge Strauch: „Träume im Übergang von derKindheit ins Jugendalter – Ergebnisse einerLangzeitstudie“, Verlag Hans Huber, 2004.Aus:http://www.focus.de/schule/lernen/forschung/wissenkinder-traeumen-schoener_aid_231811.html35