DER 19. ZIONISTENKONGRESSIch hatte das große Glück, zum 19.Zionistenkongreß nach Luzern delegiertzu werden <strong>und</strong> fuhr - mit nocheinigen <strong>jung</strong>en Zionisten aus Holland- in die Schweiz, wo ich für den damaligenGeneralsekretär des JüdischenWeltkongresses, Dr. JuliusBecker, Vorgänger von Dr. NachumGoldmann, während der Dauer desKongresses als Sekretärin arbeitete.Ich wohnte sowohl den Plenar-, alsauch den Kommissionssitzungen bei,machte stenografische Notizen <strong>und</strong>hatte dann den Text an die diversenTelegrafenagenturen wie Reuter, Palcoretc. telefonisch in Englisch <strong>und</strong>Französisch weiterzugeben. Es wareine sehr interessante, aber anstren-Anni Wolff im Werkdorp Nieuwesluis, 193525
gende Tätigkeit. Wir begannen etwaum zehn Uhr vormittags <strong>und</strong> arbeitetendurch, oft bis drei oder vier Uhrnachts. Viel Schlaf hatte ich nicht,aber ich verdiente gut, so daß ein Teilder anderen Chaluzim auch davon lebenkonnte. Der einzige Luxus, denich mir gestattete, war, daß ich nichtim Massenquartier, sondern privatwohnte, um einige St<strong>und</strong>en Ruhe zuhaben. Ich lernte viele berühmte <strong>und</strong>bekannte Persönlichkeiten kennen.Durch Moshe Katznelson traf ich aufseinen Onkel Berl Katznelson, denHerausgeber der Arbeiterzeitung"Davar", <strong>und</strong> auf Ben Gurion, dendamaligen Sekretär der Arbeiterpartei"Mapai". Vor <strong>alle</strong>m aber war ich tiefbeeindruckt, zur Zeit des Hitlerregimesin den Straßen Luzerns Hebräischsprechen zu hören. Auch wardie Stadt zu Ehren des Kongresses illuminiert.Ein w<strong>und</strong>erbares Erlebnis hatte ich,indem ich meine Schwester Lotte, diezu dieser Zeit auch in der Schweizwar, nach einjähriger Trennung zufälligauf der Straße traf. Es gab natürlichein turbulentes Wiedersehen<strong>und</strong> ich besuchte sie an meinem einzigenfreien Tag per Anhalter in Engelberg,wo sie zur Erholung war.Obleich mich Dr. Becker als seineSekretärin mit nach Genf nehmenwollte, widerstand ich tapfer der Versuchung,<strong>und</strong> kehrte, wie versprochen,nach Holland zu meiner Arbeitim Hühnerstall zurück. Doch erkrankteich leider ziemlich ernst anGelenkrheumatismus <strong>und</strong> mußte micheiner langwierigen <strong>und</strong> schmerzhaftenBehandlung im Amsterdamer JüdischenKrankenhaus unterziehen. Damir die Ärzte nicht erlaubten, in dasfeucht-kalte Klima im Werkdorf zuruckzukehren,blieb ich in Amsterdam.Dort wurde ich von einer entferntverwandten Familie sehrfre<strong>und</strong>lich aufgenommen, betreute diedrei Kinder <strong>und</strong> half im Haushalt, bisich zu meiner großen Freude meinZertifikat zur Einreise nach Palästinaerhielt.NOCH EINMAL IN BERLINich nicht gleich wieder zurückkam,wurde er sehr nervös <strong>und</strong> bedauerteunendlich, daß er auf meiner polizei-lichen Anmeldung bestanden hatte.Abgesehen von den Sorgen, die ersich um mich machte, konnte er die“Ungerechtigkeit” der Behörden ein-So fuhr ich nach Berlin, um mich vonmeinen Eltern zu verabschieden. AufWunsch meines überkorrekten Vatersmußte ich mich beim zuständigen Polizeiamtmelden, wo man meinen Paßkonfiszierte <strong>und</strong> mich st<strong>und</strong>enlangverhörte. Als mein Vater merkte, daß26