Schliesslich waren wir alle jung und lebenslustig - Spinnenwerk

DIE HUTFABRIKIn der Zeit vor dem I. Weltkrieg istdie Firma ein gutgehender Familienbetriebmit bis zu 175 Arbeiterinnenund Arbeitern. Der MarkennameGattel ist ein Begriff in der Hutbranche.Die Firma wirbt mit dem modernanmutenden Slogan: IHR HUT ISTEINE NUMMER ZU KLEIN! Weltkriegund Wirtschaftskrise brachtenauch die Hutproduktion weltweit inSchwierigkeiten. Wolle als Rohstoffwurde knapper und teurer. Die Modetat ein übriges: Radfahren und aufkommenderAutomobilismus machtendas Tragen von Hüten zu einer unpraktischenSache. Der Hut wurdevon der Alltags- zur Sonntagskopfbedeckung.In den zwanziger Jahrenträgt die immer schärfer konturierteHerausbildung politischer Strömungenebenfalls zur Verdrängung desHutes bei. Der radikale Arbeiter zumBeispiel trug seine Gesinnung aufdem Kopf - als Thälmannmütze. Diesgalt selbstverständlich auch für dieArbeiter der Hutindustrie. So fragt,“Der deutsche Hutarbeiter” seine Leserim August 1928: “Du lebst vonHüten. Wo hast du deinen Hut?”Von diesen Schwierigkeiten war natürlichauch der Betrieb der Gattelsbetroffen, die Firma gerät in wirtschaftlicheBedrängnis. Im Jahre 1931wird die Hutproduktion in der Prinzenallee58 eingestellt. Am 16. Juli1932 wird das Grundstuck unterZwangsverwaltung gestellt, wohl aufVeranlassung der Gläubigerbanken.Ob hierbei ausschließlich wirtschaftlicheGrunde oder bereits politischideologischeGegnerschaft gegen diejüdischen Eigentümer eine Rollespielen, ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen.Als Zwangsverwalter wird der BaumeisterJoseph Schmitz eingesetzt.Am 31. August 1933 wird der Verwalterdurch einen bargeldlosen Kaufzum Eigentümer."Der Kaufpreis von 410.000 RM wirddadurch belegt, daß der Käufer dieauf das genannte Grundstuck in Abteilung111 Nr. 17 erststellig eingetrageneHypothek der HypothekenbankHamburg AG in Höhe von 410.000GM mindestens RM als Allein- undSelbstschuldner übernimmt. DieLasten werden vom Erwerber nichtübernommen." 1Schmitz läßt die oberen drei Geschossedes Fabriktraktes in 67 EinbisZweizimmerwohnungen umwandeln.Im Erdgeschoß errichtet dieDampfwäscherei Michel ihren Betrieb.Das Haus erhält im wesentlichendie Struktur, die noch heute erhaltenist.1 aus den Grundbuchakten53