Schliesslich waren wir alle jung und lebenslustig - Spinnenwerk

GERD E. HÖHNEHUNDERT JAHRE UNTER EINEM HUTAllenfalls die ehemals herrschaftlicheFassade des Vorderhauses, die großeToreinfahrt mit den schmiedeeisernenFlügeln, in die das "G" der FamilieGattel eingelassen und bis heutesichtbar ist, lassen den Betrachter derPrinzenallee 58 eine über hundertjährigeGeschichte vermuten. Das riesigeviergeschossige Hinterhaus, offensichtlichein ehemaliges Fabrikgebäude,steht völlig isoliert von Vorderhausund Nachbarhäusern undwirkt wie eine Festung. Während amVorderhaus die Reste neoklassizistischerStuckelemente zu sehen sind,zeigt sich das Hinterhaus in einerfunktionalen Klinkerfassade. Seit Jahrenmacht dieses Haus wieder vonsich Reden: als selbstverwaltetesWohnprojekt, als Begegnungsstatteim Kiez, als Veranstaltungsort . . . Einigeältere Anwohner erinnern sichauch noch an den Namen Gattel unddaran, daß hier Hüte hergestellt wurden. . . Daß die FabrikantenfamilieGattel eine jüdische Familie war, unddaß irgendwann in der Nazizeit dasGebäude zum Wohnhaus umgebautwurde . . .ZUR GESCHICHTE DER GEBÄUDEAm 31. August 1852 erhält der FärbereibesitzerD. Rittorf, Neue SchönhauserStraße 16, den Bauerlaubnisscheinzur Erbauung eines Wohnhausesauf dem Grundstück PrinzenalleeNr. 32 (später 57/58).1871 gründet der spätere Eigentümer,der Saffianlederfabrikant C. Seiler,eine Glacelederfabrik auf dem Gelände.In der Prinzenallee befindensich zu dieser Zeit auf der zur Pankegelegenen Seite allein elf lederverarbeitendeBetriebe, die vor allem dasteure Glaceleder für Handschuhe undStiefeletten herstellen. Noch prägendie niedrigen Siedlerhäuser, zum Teilmit Vorgärten, das Straßenbild. DieBebauung mit mehrstöckigen WohnundFabrikgebäuden, die den Charakterder Gegend und des Weddingsüberhaupt grundsätzlich verändernsollen, erfolgt flächendeckend erst inden 80er Jahren und geht Hand inHand mit der stürmischen EntwicklungBerlins zur Industriemetropole.45