93. Sitzung - Bayerischer Landtag
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(Zurufe von der SPD)<br />
Der Sinn dieser Frage ist mir verschlossen geblieben. Ich<br />
frage Sie: Wo gibt es denn das, daß der Ratsuchende<br />
seinen Ratgeber beraten soll?<br />
(Dr. Ritzer (SPD): Sind wir Ratsuchende? -<br />
Unruhe)<br />
Ein solcher Ansatz ist zumindest in hohem Maße erklärungsbedürftig.<br />
Unfreundlich könnte man sagen: Er ist<br />
Unsinn.<br />
Nun komme ich zur Zusammenfassung. Sperren wir doch<br />
nicht die gesellschaftlichen Gruppen und ihre Verbände<br />
von der beratenden parlamentarischen Mitwirkung aus!<br />
Nutzen wir ihren Sachverstand und ihre am Gemeinwohl<br />
orientierte Kompromißfähigkeit und auch Kompromißbereitschaft<br />
am bayerischen runden Tisch. Es steht fest:<br />
Im Bayerischen Senat sitzen die gesellschaftlichen Gruppierungen<br />
an einem runden Tisch. Das Ringen um eine<br />
gemeinsame Position, das Ringen zwischen den Verbänden<br />
aus Landwirtschaft, Gewerkschaften, Industrie,<br />
Handel, Handwerk, Kirchen, Wohlfahrtsorganisationen<br />
und anderen Gruppen dient erheblich dem Gemeinwohl,<br />
wie auch der verehrte Herr Kollege Schösser aus den<br />
Reihen der SPD dankenswerterweise geäußert hat.<br />
Die bayerische Vielfalt lebt im Senat und wirkt an den<br />
bayerischen Gesetzen mit. Wir brauchen einen reformierten<br />
Senat mit mehr Verbänden bei gleichbleibender<br />
Größe, mit mehr jungen Menschen und mit mehr Frauen.<br />
Deshalb sage ich: Der Senat ist als ein Stück bayerischer<br />
Identität zu erhalten. Er repräsentiert Einigkeit in der<br />
Vielfalt. Wir brauchen auch in Zukunft den Konsens der<br />
gesellschaftlichen Kräfte. Der Senat fördert diesen<br />
Konsens.<br />
Das gesellschaftliche Klima in Bayern ist besser als<br />
anderswo, und zwar deshalb, weil bei uns eben die Träger<br />
verschiedenster Interessen am runden Tisch zusammensitzen.<br />
Dies soll so bleiben. Der Vorstoß von ÖDP,<br />
GRÜNEN und SPD stärkt Einzel- und Gruppenegoismen.<br />
Kämpfen wir deshalb gemeinsam für eine reformierte<br />
Zweite Kammer, für den neuen Senat, für Bayerns Vielfalt<br />
an einem runden Tisch.<br />
(Beifall bei der CSU)<br />
Präsident Böhm: Als nächster hat Herr Kollege Dr. Ritzer<br />
das Wort. Bitte, Herr Kollege Dr. Ritzer.<br />
Dr. Ritzer (SPD): Herr Präsident, meine sehr verehrten<br />
Kolleginnen und Kollegen! Auch nach Ihrer Rede, Herr<br />
Kollege Welnhofer, bleibt es dabei: Der Senat ist überholt,<br />
Repräsentant verkrusteter Strukturen, und deswegen ist<br />
es klug, bei einer Verfassungsreform auch darüber<br />
nachzudenken, ob ein solches Organ wirklich gebraucht<br />
wird. Die Antwort der Sozialdemokraten ist ein klares<br />
Nein.<br />
(Beifall bei der SPD - Hofmann (CSU): Dann<br />
müßten wir die SPD auch abschaffen!)<br />
<strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 13. Wahlperiode Plenarprotokoll 13/93 v. 13.11.97<br />
Es gibt ein italienisches Sprichwort, das heißt: Die Zeit ist<br />
eine geräuschlose Feile. Das Ergebnis unserer Beobachtungen<br />
ist, daß das Fundament des Bayerischen Senats<br />
weggebrochen ist. Er hat keine Basis mehr. Nichts macht<br />
dies deutlicher als der Umstand, daß der Senat noch nicht<br />
einmal seine eigene Reform bewältigen konnte, jetzt<br />
eingeknickt ist und seinen Reformgesetzentwurf<br />
geräuschlos aus dem Verkehr gezogen hat.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Wenn das der Senat ist, den Sie uns in so prächtigen<br />
Farben geschildert haben, dann kann ich nur sagen: Gute<br />
Nacht, Bayern.<br />
(Beifall bei der SPD - Dr. Matschl (CSU): Da<br />
werden sich die Gewerkschaften aber freuen,<br />
Herr Kollege!)<br />
Das Modell des Bayerischen Senates ist nirgends übernommen<br />
worden. In der Zwischenzeit haben wir neben<br />
Bayern 15 Bundesländer, aber keines dieser Bundesländer<br />
braucht eine Zweite Kammer, geschweige denn einen<br />
Senat. Das heißt: Es ist endgültig vorbei.<br />
Ich bleibe bei meiner Einschätzung, daß der Senat ein<br />
verfassungswidriges Verfassungsorgan ist. „Alle Staatsgewalt<br />
geht vom Volke aus“, heißt es im Grundgesetz. Die<br />
obersten Staatsorgane können nicht losgelöst von<br />
jeglicher demokratischer Wahl sein.<br />
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)<br />
Da gibt es Leute, die sagen, natürlich seien sie auch<br />
gewählt. Das ist unbestritten. Aber selbst Landräte und<br />
Oberbürgermeister sind als Verwaltungschefs ihrer Körperschaften<br />
gewählt, nicht aber als Teil der Legislative.<br />
Der Senat ist und bleibt ein Affirmativorgan für die jeweilige<br />
Staatsregierung. Kritische Einwendungen des Senates<br />
sind so rar, daß niemand recht ein Beispiel dafür weiß,<br />
wann der Senat die Staatsregierung überhaupt einmal<br />
wirklich kritisiert hätte.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
In den 15 Jahren, seit denen ich diesem Hohen Haus<br />
angehöre, war es ein einziges Mal, daß der Haushalt<br />
abgelehnt worden ist.<br />
(Hofmann (CSU): Das hat euch gefallen!)<br />
Die berühmte Schlagfallenentscheidung des Senates, die<br />
der CSU die Möglichkeit gegeben hat, wieder auf die<br />
Jägerlobby einzuschwenken, haben wir auch in Erinnerung,<br />
aber sonst ist vom Senat nichts herübergekommen.<br />
(Beifall bei der SPD)<br />
Meine Damen und Herren, herübergekommen ist, daß der<br />
Senat für diese Staatsregierung einen wirklich genialen<br />
Kombattantenstatus hat.<br />
(Beifall bei der SPD)