93. Sitzung - Bayerischer Landtag
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tenrechte massiv einzuschränken und den Strafprozeß<br />
aus vordergründigen Motiven als politisches Kampfmittel<br />
einzusetzen“, wie es der Münchner Rechtsanwalt Hartmut<br />
Wächtler in einer Pressemitteilung vom 04.11.1997<br />
formuliert hat?<br />
Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.<br />
Staatsminister Leeb (Justizministerium): Frau Präsidentin,<br />
meine Damen und Herren! Das Staatsministerium<br />
der Justiz vertritt in Übereinstimmung mit der Konferenz<br />
der Justizministerinnen und -minister die Auffassung, daß<br />
das beschleunigte Verfahren nach §§ 417, folgende der<br />
Strafprozeßordnung eine sachgerechte und zügige<br />
Erledigungsart in den hierfür in Betracht kommenden<br />
Fällen ist. Beschleunigte Verfahren sind unbestreitbar ein<br />
Beitrag zu mehr Spezial- und Generalprävention. Mit dem<br />
Verbrechensbekämpfungsgesetz aus dem Jahr 1994 sind<br />
die Möglichkeiten erweitert worden. In Bayern haben sich<br />
die Zahlen von 1995 auf 1996 um mehr als 20 % erhöht.<br />
Der Anteil der Anträge im beschleunigten Verfahren an<br />
der Gesamtzahl von Anklagen und Anträgen im<br />
beschleunigten Verfahren macht in Bayern im Jahr 1996 7<br />
% aus, das sind in absoluten Zahlen zirka 4400 Anträge.<br />
Bundesweit liegt Bayern damit absolut und prozentual in<br />
der Spitzengruppe.<br />
Die Hauptverhandlungshaft, die durch Gesetz von 17. Juli<br />
1997 eingeführt worden ist, ist ein begrüßenswertes,<br />
rechtsstaatlich unbedenkliches Instrument, in einschlägigen<br />
Fällen beschleunigte Verfahren noch häufiger<br />
anwenden zu können. Die bayerischen Staatsanwaltschaften<br />
sind unverzüglich nach Inkrafttreten des<br />
genannten Bundesgesetzes und der damit korrespondierenden<br />
Änderungen der gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung<br />
Justiz gebeten worden, im Benehmen mit der<br />
Polizei, den Gerichten und anderen Beteiligten die<br />
erforderlichen Absprachen vor Ort zu treffen.<br />
Vorwürfe, daß so Verteidigungs- und Beschuldigtenrechte<br />
massiv eingeschränkt würden oder der Strafprozeß als<br />
politisches Kampfmittel eingesetzt werde, sind abwegig.<br />
Die gesetzlichen Vorgaben sind eindeutig und gelten<br />
gleichermaßen für alle Straftaten. Hauptverhandlungshaft<br />
kommt nur in Betracht, wenn ein beschleunigtes Verfahren<br />
wahrscheinlich ist, mit anderen Worten, wenn der Sachverhalt<br />
einfach oder die Beweislage klar ist. Hinzu kommt,<br />
daß zu befürchten sein muß, daß ein Festgenommener<br />
der Hauptverhandlung fernbleibt.<br />
Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Erste Zusatzfrage:<br />
die Fragestellerin. Bitte, Frau Kollegin.<br />
Frau Sturm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister,<br />
sehen Sie die Chance auf einen fairen Prozeß eigentlich<br />
noch gewährleistet, wenn bereits 24 Stunden nach der<br />
Festnahme die Hauptverhandlung durchgeführt werden<br />
kann, ohne daß der Richter, der Verteidiger oder der<br />
Beschuldigte die Anklage kennt, weil diese mündlich<br />
vorgetragen werden kann und ohne daß Zeit bleibt, die<br />
<strong>Bayerischer</strong> <strong>Landtag</strong> · 13. Wahlperiode Plenarprotokoll 13/93 v. 13.11.97<br />
Verteidigung ordentlich vorzubereiten, geschweige denn<br />
einen Verteidiger nach Wahl zu finden?<br />
Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.<br />
Staatsminister Leeb (Justizministerium): Frau Präsidentin,<br />
meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung,<br />
daß schnelles Recht gutes Recht ist. Ich glaube, daß die<br />
Gemeinschaft aller rechtschaffenen Bürgerinnen und<br />
Bürger ein hohes Interesse daran hat, daß Straftäter<br />
möglichst rasch der verdienten Strafe zugeführt werden.<br />
Das zum ersten.<br />
(Beifall bei der CSU)<br />
Zum zweiten meine ich nicht, meine Damen und Herren,<br />
daß Verteidigerrechte oder Rechte von Angeklagten in<br />
unzumutbarer Weise eingeschränkt werden. Das<br />
beschleunigte Verfahren kommt in aller Regel lediglich<br />
dann in Betracht, wenn ein Sachverhalt einfach und aufgeklärt<br />
ist, meist aufgrund eines Geständnisses des<br />
Täters oder dann, wenn er auf frischer Tat ertappt wird.<br />
Es ist durchaus selbstverständlich, daß insbesondere<br />
dann, wenn es um Freiheitsstrafen geht, auch im<br />
beschleunigten Verfahren notfalls ein Pflichtverteidiger zu<br />
bestellen ist. Im übrigen trifft der Richter die Vorsorge<br />
dafür, daß nach den Vorschriften der Prozeßordnung<br />
gehandelt und niemand überfahren wird. Allerdings ist es<br />
richtig, daß im beschleunigten Verfahren in aller Regel<br />
eine schriftliche Anklageerhebung entbehrlich ist, weil der<br />
Staatsanwalt die Anklage mündlich erhebt.<br />
Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Zweite Zusatzfrage:<br />
Herr Kollege Dr. Hahnzog.<br />
Dr. Hahnzog (SPD): Herr Staatsminister, gibt es, unabhängig<br />
von der besonderen Ausgestaltung des beschleunigten<br />
Verfahrens, Überlegungen in Ihrem Haus, Gerichtsverhandlungen<br />
wie in einem anderen Bundesland, soweit<br />
mir bekannt ist, auch am Wochenende durchzuführen?<br />
Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Herr Staatsminister.<br />
Staatsminister Leeb (Justizministerium): Ich habe davon<br />
gelesen. Theoretisch ist das möglich, weil innerhalb von<br />
24 Stunden nach der Ergreifung eine solche<br />
Hauptverhandlung schon denkbar ist. Aber im Hinblick<br />
darauf, daß unsere Richterinnen und Richter und unsere<br />
Staatsanwältinnen und Staatsanwälte ohnedies über<br />
Gebühr belastet sind, möchte ich ihnen nicht ohne Not<br />
auch noch einen Wochenenddienst oktroyieren.<br />
Frau Zweite Vizepräsidentin Fischer: Dritte und letzte<br />
Zusatzfrage: Frau Kollegin Sturm.<br />
Frau Sturm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister,<br />
ich frage Sie: Wie wird eigentlich geprüft, ob der Festge-