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Information als Waffe<br />
WIRTSCHAFTLICHER WETTBEWERB GLEICHT EINEM MODERNEN KRIEG: ES GIBT KEINE REGELN<br />
UND KEINE ZWEITE CHANCE. DIE SPEERSPITZE DER ANGRIFFSSTRATEGIE IST DAS WISSEN ÜBER<br />
DIE KONKURRENTEN. VON CHRISTIAN HARBULOT UND KLAUS-VOLKMAR SEIDEL.<br />
„Gefangene werden nicht gemacht. Wer fällt,<br />
stirbt. Der Sieger kämpft nach alterprobten kriegsstrategischen<br />
und sehr einfachen Regeln: die beste<br />
Vorbereitung, die schnellsten Bewegungen, der Vorstoß<br />
auf feindliches Terrain, gute Verbündete, der<br />
Wille zum Sieg.“ So dokumentierte schon Frankreichs<br />
Staatspräsident François Mitterrand seine<br />
Auffassung von der Weltwirtschaft.<br />
Wirtschaft ist Krieg, viele Topmanager zweifeln<br />
nicht daran. Wie Mitterrand berufen sie sich auf<br />
alte Regeln, zitieren Sun Tse und Clausewitz. Doch<br />
nur wenige haben die Botschaften der Strategen<br />
wirklich verinnerlicht. Obwohl das Wachstum des<br />
einen Unternehmens oft mit der Vernichtung eines<br />
anderen verknüpft ist, sprechen viele lieber von<br />
Wettbewerb; das klingt nach sportlicher Fairness.<br />
Doch es gibt keine Gewichtsklassen, keine Schiedsrichter<br />
und keine zweite Chance.<br />
Im Krieg wie im Wirtschaftskampf ist die<br />
wichtigste strategische Waffe die Information. Es<br />
geht darum, Information zu erwerben, zu bewerten<br />
und in Strategie zu verwandeln. „Geschlagen zu<br />
werden ist verzeihlich, sich überraschen zu lassen<br />
aber ist unentschuldbar“, bläute Napoleon seinen<br />
Generälen ein. Unternehmen, die das unmittelbare<br />
Marktumfeld kennen, die wissen, was Wettbewerber<br />
planen, können nicht überrascht werden. Dafür<br />
brauchen sie keinen James Bond – sie brauchen<br />
eine Stabsabteilung direkt in Vorstandsnähe, deren<br />
Aufgabe „Business-Intelligence“ ist. Späher müssen<br />
dem Feldherrn berichten, nicht dem Feldwebel.<br />
Die Mitglieder des Stabs müssen systematisch<br />
Wissen über Markt und Konkurrenten sammeln<br />
und bewerten. Sie müssen sich offene Flanken der<br />
Gegner zu Nutze machen – rund 80 Prozent der Zielinformationen<br />
finden sich in Form von Geschäftsberichten,<br />
Broschüren, Analystenberichten oder Pressestimmen<br />
im Internet. Die restlichen 20 Prozent<br />
verlangen besondere – legale – Maßnahmen: Wer<br />
mehr über einen Konkurrenten erfahren will, kann<br />
sich etwa in eine dem Standort nahe gelegene Kneipe<br />
setzen oder auf fiktive Mitarbeitersuche gehen.<br />
Im Stab für Business-Intelligence findet die<br />
erste Stufe der Strategiebildung statt. Einzelne Fakten<br />
müssen dort zu Entscheidungsgrundlagen verknüpft<br />
werden. Für diese Zwecke gibt es hoch entwickelte<br />
Datenbanken und Auswertungssoftware.<br />
Doch gut beraten ist, wer sich nicht allein auf Computer<br />
und Statistik verlässt. Die Glaubwürdigkeit<br />
mancher Quellen lässt sich nur mit dem gesunden<br />
Menschenverstand beurteilen.<br />
Ist das Terrain sondiert, sind die Bewegungen<br />
des Gegners geklärt, dann ist die Basis für die<br />
Strategie gelegt. Strategie bedeutet immer initiatives<br />
Vorgehen. Ist bekannt, dass der Konkurrent mit<br />
Preissenkungen den Druck erhöhen will, so kann ein<br />
Unternehmen mit Kostenreduzierungen darauf rea-<br />
CHRISTIAN HARBULOT, 52, ist Mitgründer<br />
und Direktor der École de Guerre Économique an<br />
der privaten Managementschule ESLSCA, Paris.<br />
Der 1997 initiierte Ausbildungsgang war der erste<br />
in Europa, der die Vermittlung von Angriffs- und<br />
Verteidigungsmethoden im Wirtschaftskrieg anbot.<br />
Harbulot gilt als einer der führenden Experten für<br />
Fragen des Informationskrieges.<br />
KLAUS-VOLKMAR SEIDEL, 58, Ministerialdirigent<br />
a. D., ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt<br />
Wirtschaftsstrafrecht. Als Leiter einer Verfassungsschutzbehörde<br />
befasste er sich mit Spionage und<br />
Terrorismus.<br />
Strategie im Wirtschaftskrieg DOSSIER #02<br />
gieren. Doch durch Rückzugsgefechte wurde noch<br />
nie ein Krieg gewonnen. Wenn die Kraft zum Gegenangriff<br />
fehlt, kann es allenfalls eine Finte sein, Terrain<br />
preiszugeben, und nur dazu dienen, den Gegner<br />
dann über die Seite aufzurollen. Tummeln sich mehrere<br />
Gegner im Zielmarkt, kann es hilfreich sein, mit<br />
dem einen Konkurrenten ein Bündnis oder ein Stillhalteabkommen<br />
zu schließen, um in Ruhe einen<br />
anderen ausschalten zu können.<br />
Jeder Angriff muss die Verteidigung vorwegnehmen<br />
– sonst wird der Konkurrent mit einem<br />
Gegenangriff Erfolg haben. Auch hier wird die richtige<br />
Information zur richtigen Zeit zu einer verheerenden<br />
Waffe. Vom Gegner geschickt lancierte<br />
Berichte über angebliche Schadensfälle oder<br />
Gerüchte über die unheilbare Krankheit eines Vorstandsmitglieds<br />
können Börsenkurse innerhalb von<br />
Minuten zum Einsturz bringen. Im Wirtschaftskrieg<br />
gewinnt nicht der, der die größeren Bomben wirft,<br />
sondern der, der die bessere Geschichte erzählt. Der<br />
Business-Intelligence-Stab muss deswegen Hand in<br />
Hand mit der strategischen Unternehmenskommunikation<br />
arbeiten. Im Verteidigungsfall ist es seine<br />
Aufgabe, die Informationen des Gegners zu relativieren<br />
und den Angriff so auf die richtige Dimension zu<br />
reduzieren.<br />
Strategisches Ziel eines Unternehmens<br />
muss immer sein, die Situation im Feld zu beherrschen<br />
und nicht von der Situation beherrscht zu<br />
werden. Im Idealfall machen Unternehmen ihrem<br />
Konkurrenten klar, wie stark sie sind. Und er wird nie<br />
angreifen.