Verantwortung@step21.de Spendenkonto - Roland Berger
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NEIN<br />
SEAMUS PHAN<br />
: Als der Boxer John versucht, sich aufzurappeln,<br />
schlägt sein Gegner Larry immer<br />
wieder auf Kopf und Oberkörper ein.<br />
Aus Johns Nase strömt Blut, die Augen sind<br />
verschwollen. Doch in seinen Ohren dröhnen<br />
die Sprechchöre des Publikums, das ihn<br />
anfeuert: „John! John! John!“ Vielleicht<br />
lösen diese Rufe einen Adrenalinschub aus,<br />
vielleicht ist es sein Glaube an sich, ein<br />
eiserner Wille, der ihn vorwärts treibt –<br />
John schafft es, seine Fäuste hochzuneh-<br />
DAS ARBEITSLEBEN GLEICHT<br />
NUR AN DER OBERFLÄCHE EINEM<br />
STÄNDIGEN BOXKAMPF<br />
men, er schützt sich gegen das Trommelfeuer<br />
von Larrys Schlägen, kontert, schlägt<br />
zurück. John zwingt sich, in die Mitte des<br />
Rings zurückzukehren – und kämpft weiter.<br />
Gleichen Leben und Arbeit nicht manchmal<br />
einem Boxkampf? Statt der Sprechchöre geben<br />
Morgenappelle oder Motivationsmails<br />
unserer Vorgesetzten den Rhythmus vor:<br />
„Wir sind die Nummer eins, und jetzt gehen<br />
Sie hinaus und verkaufen, verkaufen, verkaufen!“<br />
Wie im Boxkampf müssen wir<br />
Rückschläge einstecken – Projekte laufen<br />
aus dem Zeitrahmen, Budgets werden überzogen,<br />
wir verlieren Kunden. Genau wie<br />
John, der Boxer, zwingen wir uns weiterzumachen<br />
– oder werden gezwungen.<br />
Jedoch hält eine Motivation aus Willenskraft<br />
– sei es der eigene Wille oder ein fremder<br />
– in der Regel nicht vor. Die Frage ist<br />
doch: Sind Mitarbeiter überhaupt durch<br />
Willenskraft zu motivieren? Ist der Wille<br />
überhaupt die richtige Quelle der Motivation?<br />
Alte asiatische Philosophen haben verblüffend<br />
aktuelle Lösungen für Motivationsprobleme<br />
moderner Manager parat: Es gibt<br />
bessere Wege als bloße Willenskraft.<br />
Der Philosoph Menzius, ein Anhänger der<br />
konfuzianischen Lehre, formulierte schon<br />
im dritten Jahrhundert vor Christus: „Nur<br />
wohlwollen und weisheit müssen im führungsstil zueinander kommen business-culture f<br />
„Ein Sieg aus purer Willenskraft<br />
hinterlässt langfristig nur Wunden.“<br />
die Wohlwollenden sollten hohe Stellungen<br />
erreichen. Wenn jemand sich in einer hohen<br />
Stellung befindet, der ohne Wohlwollen ist,<br />
verbreitet sich seine Schlechtigkeit unter<br />
allen seinen Untergebenen.“ Auf Wohlwollen<br />
basierende Führung steht nicht für<br />
Mitleid oder herablassende Sympathie. Wer<br />
im konfuzianischen Sinne wohlwollend<br />
führt, strebt das Beste für andere anstatt für<br />
sich selbst an, stellt die Bedürfnisse seiner<br />
Mitarbeiter über seine eigenen – ein in den<br />
meisten westlichen Unternehmen eher seltenes<br />
Führungsprinzip.<br />
Wohlwollen allein genügt jedoch noch<br />
nicht. In einem Klassiker aus dem 13. Jahrhundert,<br />
dem „Sanzi Jing“ („Drei Zeichen“),<br />
verdichtet der konfuzianische Gelehrte<br />
Wang Yinglin die Lehren des Konfuzius auf<br />
nur 1200 Zeichen, in Versen zu jeweils drei<br />
Zeichen. Kurz und knapp steht dort: „Die<br />
fünf Tugenden Wohlwollen, Pflicht, Höflichkeit,<br />
Weisheit und Verlässlichkeit dürfen<br />
nicht gefährdet werden.“ Anders gesagt: Von<br />
Anfang an müssen die fünf Tugenden im<br />
Führungsstil zusammenkommen, so dass<br />
ein Manager für seine Mitarbeiter ebenso<br />
wie für sein Unternehmen wahre Weisheit<br />
und Stärke gewinnt.<br />
Meine Erfahrung ist, dass nur die wenigsten<br />
diese Kunst meistern, wie ein „Junzi“ zu führen.<br />
Ein „Junzi“, ein „Edler“, muss nicht bei<br />
SEAMUS PHAN, 41, ist einer der maßgebenden<br />
Management- und Führungsexperten Asiens. Sein<br />
2003 erschienenes Buch „DotZEN Business<br />
Leadership“ war innerhalb weniger Wochen ausverkauft<br />
(Neuauflage 2004). Phan studierte Informationstechnik<br />
und Betriebswirtschaft in Singapur<br />
und lehrte an der Akamai University auf Hawaii. Er<br />
wurde vom Irvine Campus der University of<br />
California in die „500 Profiles of Excellence“ aufgenommen;<br />
das US-Wirtschaftsmagazin Barron’s<br />
wählte ihn unter die „500 Leaders of the New<br />
Century“. Seit seiner Jugend beschäftigt sich Phan<br />
mit asiatischer Philosophie und trainiert Karate.<br />
allen Entscheidungen gewinnen, er muss<br />
den Erfolg nicht erzwingen, er kann auch<br />
verlieren – scheinbar. Denn dadurch verdient<br />
er sich immer Hochachtung und<br />
gewinnt langfristig Einfluss, Ansehen und<br />
Erfolg. Daher steht das Konzept des Junzi<br />
für Nachhaltigkeit und langfristiges Überleben<br />
statt für kurzfristige oder sofortige<br />
Gewinne. Ein Manager, der wie ein Junzi<br />
führt, wird von seinen Mitarbeitern respektiert<br />
und bewundert. Das wiederum motiviert<br />
die Mitarbeiter aus sich selbst heraus.<br />
Wer führt, sollte sich immer wieder die<br />
Szene des Boxkampfs vor Augen führen.<br />
Man kann einmal durch die Willenskraft<br />
gewinnen, man kann den Adrenalinschub<br />
ausnutzen, man kann sich selbst und die<br />
anderen zu Höchstleistungen anfeuern.<br />
Jedoch hinterlässt ein Kampf wie dieser<br />
nach dem Sieg schwere Wunden, von denen<br />
FÜHRUNGSVERANTWORTUNG ZU<br />
ÜBERNEHMEN HEISST, EINE LANGE<br />
REISE DURCHS LEBEN ANZUTRETEN<br />
einige sich langfristig negativ auswirken<br />
können. Genauso wenig können Mitarbeiter<br />
langfristig motiviert werden, indem ein<br />
Manager einen Ein-Aus-Schalter umlegt. Es<br />
wäre unsinnig, sie an einem Wochenende zu<br />
einem Ausbildungskurs nach dem Motto<br />
„Lächelt und seid glücklich“ zu versammeln<br />
und dann eine lebenslange Transformation<br />
zu effizienten, kooperativen und glücklichen<br />
Mitarbeitern zu erwarten.<br />
Führungsverantwortung ist nun einmal<br />
keine Auszeichnung, die ein Manager sich<br />
erkämpft, um dann zum nächsten Wettbewerb<br />
und zur nächsten Herausforderung<br />
aufzubrechen. Führung gleicht vielmehr<br />
einer fortgesetzten Reise durch das Leben,<br />
nicht nur durch das berufliche. Je höher<br />
eine Führungskraft die Leiter hinaufklettert,<br />
umso mehr der fünf Tugenden verlangt<br />
diese Position von ihm.<br />
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