Download als PDF - Klinikum Stuttgart
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Zwischen Anspruch und Wirklichkeit<br />
Ethisches Handeln und die hohe Versorgungsqualität dürfen angesichts<br />
wachsenden Kostendrucks im Krankenhaus nicht auf der Strecke<br />
bleiben, fordert Professor Dr. Claude Krier, der Klinische Direktor des<br />
<strong>Klinikum</strong>s <strong>Stuttgart</strong>.<br />
„In der Gesundheitsversorgung, insbesondere<br />
im Krankenhaus, müssen wir uns<br />
infolge der demografischen Entwicklung<br />
auf die Versorgung einer wachsenden<br />
Zahl multimorbider älterer und hochbetagter<br />
Menschen einstellen, die sich<br />
zudem häufig in der letzten Lebensphase<br />
befinden und im Krankenhaus versterben“,<br />
sagt Professor Krier. „Mit dem Geriatrischen<br />
Zentrum und der Gerontopsychiatrie<br />
am Bürgerhospital und mit unserem<br />
Palliativkonzept haben wir uns im <strong>Klinikum</strong><br />
<strong>Stuttgart</strong> darauf bereits eingestellt.<br />
Zum anderen sorgt jedoch die demografische<br />
Entwicklung auch dafür, dass immer<br />
weniger aktiv im Erwerbsleben stehende<br />
Menschen Beiträge in unser Gesundheitssystem<br />
einzahlen, dessen Mittel aber für<br />
immer mehr ältere, nicht mehr erwerbstätige<br />
Menschen reichen müssen.“ Die Mittel<br />
für die Gesundheitsversorgung werden<br />
damit immer knapper. Der medizinische<br />
Fortschritt verschärft die Situation zusätzlich.<br />
Denn mit neuen Möglichkeiten der<br />
Medizin in Diagnostik und Therapie steigt<br />
auch die Nachfrage.<br />
Mit gedeckelten Krankenhaus-Budgets<br />
und einem rigiden Sparkurs wurde in den<br />
vergangenen Jahren versucht, die Kosten<br />
in den Griff zu bekommen. Fallpauschalen<br />
haben in der Krankenhausfinanzierung<br />
inzwischen die starren Budgets abgelöst.<br />
Die Kosten aber steigen weiter – auch die<br />
Krankenhauskosten. Einspar- und Optimierungspotenziale<br />
sind weitgehend ausgeschöpft.<br />
20 I Die Kunst des Heilens<br />
Viele stellen sich nun die Frage, geht es<br />
jetzt an die Substanz? Müssen wir damit<br />
beginnen, Gesundheitsleistungen zu rationieren?<br />
Wird künftig nicht mehr jeder die<br />
erforderliche medizinische Behandlung<br />
erhalten können, weil die Budgets aufgebraucht<br />
sind, die Fallpauschale die Kosten<br />
nicht mehr deckt? „Diese Diskussion<br />
wird in Zukunft verstärkt geführt werden.<br />
Allerdings muss das <strong>als</strong> gesamtgesellschaftlicher<br />
Diskurs geschehen und nicht<br />
von den Ärzten allein, nicht von der<br />
Politik allein, sondern gemeinsam mit<br />
allen gesellschaftlichen Gruppen.“<br />
Teure Extremkostenfälle<br />
„Als kommunales <strong>Klinikum</strong> der medizinischen<br />
Maximalversorgung mit seinen vielen<br />
hochspezialisierten Fachabteilungen<br />
ist es für uns aber ja gerade der Auftrag,<br />
die schwierigen, die komplizierten Fälle zu<br />
behandeln. Wir versorgen Patienten, bei<br />
denen teure Intensivmedizin eingesetzt<br />
werden muss, denen nur unter Einsatz<br />
komplexer Diagnostik und aufwändiger<br />
Therapie nachhaltig geholfen werden<br />
kann“, sagt Professor Krier. „Diese Extremkostenfälle<br />
sprengen jede Fallpauschale.<br />
Diesen Schwerstverletzten oder sehr kranken<br />
Menschen werden wir selbstverständlich<br />
auch weiterhin helfen. Dennoch<br />
kommen wir um eine verschärfte Kostendiskussion<br />
höchstwahrscheinlich in Zukunft<br />
nicht herum. Falls die Finanzierung der<br />
Krankenhäuser weiter zurückgeschraubt<br />
werden sollte, werden wir uns verstärkt<br />
der Frage nach Leistungsbeschränkungen<br />
stellen müssen.“<br />
Rationierungen nicht zufällig treffen<br />
Die Diskussion über Kosten und Möglichkeiten<br />
in unserem Gesundheitswesen<br />
bewegt sich zwischen dem Wünschenswerten<br />
und dem Machbaren. „Unter ethischen<br />
Gesichtspunkten ist das eine höchst<br />
schwierige Debatte, denn schließlich geht<br />
es hier um Lebensqualität und in letzter<br />
Konsequenz um Menschenleben“, so<br />
Professor Krier. „Dennoch müssen wir uns<br />
dem Problem offen und ehrlich stellen –<br />
gerade auch gegenüber unseren Patienten.“<br />
Einschränkungen bei Diagnostik und<br />
Therapie jedoch dürfen nicht zufällig<br />
und subjektiv getroffen werden. Auch hier<br />
brauche die Medizin, brauche der Arzt<br />
vor Ort Leitlinien, die verbindlich sind und<br />
nachvollziehbar, vor allem aber auch<br />
ethisch vertretbar. „Hier bin ich ganz einer<br />
Meinung mit dem Tübinger Medizinethiker<br />
Professor Dr. Georg Marckmann,<br />
der fordert, insbesondere teure Therapien<br />
anhand von Studien differenzierter<br />
danach zu beurteilen, ob sie dem Patienten<br />
mit seinem individuellen Fall einen Nutzen<br />
bringen.“ Zu Recht sehe Marckmann<br />
hier ein großes Einsparpotenzial und die<br />
Möglichkeit für einen ethischen Umgang<br />
mit begrenzten Ressourcen. Denn bei<br />
manchen Therapien sind der Gewinn an<br />
Lebensqualität oder eine mögliche<br />
Lebensverlängerung so gering, dass die<br />
Kosten der teueren Therapie kaum<br />
gerechtfertigt erscheinen. Das gilt sicherlich<br />
vor allem am Lebensende. Hinzu<br />
kommt, dass viele Menschen für sich selbst<br />
gar nicht all das wollen, was die Medizin<br />
kann, und haben das in einer Patientenverfügung<br />
dargelegt. „Den erklärten<br />
Willen eines Patienten in der letzten Phase<br />
seines Lebens nicht zu respektieren,<br />
wäre zweifellos erst recht unethisch“,<br />
urteilt Professor Krier. Die Leitlinie für den<br />
Umgang mit Patientenverfügungen und<br />
das Klinische Ethik-Komitee im <strong>Klinikum</strong><br />
<strong>Stuttgart</strong> bieten bei diesen Fragestellungen<br />
für die klinische Praxis Orientierung,<br />
Beratung und Hilfestellung.