Zehn Tage die England veranderten - Wildcat
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lassen, tragen aus anderen Griinden historische Scheuklappen. Radikale<br />
Anwalte sind em n Produkt der Spannungen zwischen den beiden wesentlichen<br />
Klassen der Gesellschaft. Ihre Existenz ist davon abhangig, bis zu welchem<br />
Grad <strong>die</strong> Neutralitat des Gesetzes als allgemeine Norm anerkannt wird. Sie stehen<br />
zwischen den zwei Hauptklassen und sind in keiner richtig verankert. Ihre<br />
Auffassung, zu einem gewissen Grad sei das Gesetz neutral, schliegt jeden wirklich<br />
revolutionaren Klassenkampf von vornherein aus. Der Justizapparat ist<br />
immerhin em n Staatsapparat. Wer darauf besteht, das Gesetz solle wachsamer<br />
sein (mehr statt weniger Gerechtigkeit«), sucht lediglich einen Weg, den Staat<br />
feinfiihliger zu machett, nicht ihn abzuschaffen. Wenn Gesetze massenhaft gebrochen<br />
werden und <strong>die</strong> Autoritat an alien Ecken und Enden auf Widerstand<br />
stogt, wird der Staat zersetzt. Wenn es soweit kommt, spielt das Gesetz keine<br />
Rolle mehr, es wird durch das sich entwickelnde Moment der proletarischen<br />
sozialen Gerechtigkeit ersetzt. Zwischen <strong>die</strong>sen zwei Stulllen werden <strong>die</strong> radikalen<br />
Anwalte sehr wahrscheinlich unsicher hin- und herrutschen und angesichts<br />
der Exzesse der kampfenden Parteien ohne Erfolg den moralischen Zeigefinger<br />
heben unddabei taglich tragische Figuren abgeben.<br />
Ein herausragendes Beispiel dafiir gab es in den <strong>Tage</strong>n nach dem Brixton<br />
Riot im April 1981. Mehrere Zeitungen meldeten, dag Rudi Narayan, dem<br />
schwarzen Anwalt, der bei der Verteidigung der Rioters in Bristol beteiligt war,<br />
in Brixton em n heiger Empfang bereitet wurde, als er <strong>die</strong> Ereignisse dort fiir<br />
sich zu vereinnahmen suchte. Laut der halbjahrlich erscheinenden anarchistischen<br />
Zeitung .eXtra. lieg das Brixton Defence Committee <strong>die</strong> Forderung nach<br />
Generalamnestie fiir alle Inhaftierten fallen und sagte eine Demonstration ab<br />
aus Angst vor Unruhen. Narayan bezog in der Offentlichkeit kein einziges Mal<br />
dazu Stellung. Das Gesetz, so scheint es, war eben das Gesetz. Narayan wurde<br />
wer durch <strong>die</strong> Harte des Gesetzes gegen Schwarze. Die Halle ihrer Antwort<br />
stellt klar, was er ist.<br />
Bandenkriege, das Gesetz<br />
und das Uberleben des Staates<br />
Der Aufruhr in Bristol im April 1980 schlug auf der britischen Szene emn<br />
wie em n unerwarteter Donnerschlag. Er kam vollig aus heiterem Himmel, am<br />
selben Wochenende, als der Streik der Stahlarbeiter, der langste der Nachkriegsgeschichte,<br />
zu Ende .ging. Damals sah es wie em n isolierter Zwischenfall<br />
aus und nicht wie der erste von vielen, und so konnte sich <strong>die</strong> Bourgeoisie<br />
einen gewissen Luxus erlauben. Man suchte nach Erklarungen und das trug<br />
sehr dazu bei, dag das rachende Schwert der Justiz nicht zum Zuge<br />
kam. Alle Angeklagten, <strong>die</strong> em n Gerichtsverfahren verlangten, wurden freige-<br />
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