4Familiärer Kontext39Einrichtungen wie Kindergärten und Vorschulen sindkeine „Aufbewahrungsstätten“, sondern spielen einewichtige Rolle bei der Vorbereitung der Kinder fürdie Grundschule. Kinder können hier außerhalb derFamilie altersgemäße Erfahrungen sammeln, und fürKinder aus eher bildungsfernen Familien bieten dieseEinrichtungen erstmals die Chance ungleiche Voraussetzungenauszugleichen, und damit einen Schrittin Richtung Bildungsgerechtigkeit zu tun.Abbildung 16A auf der gegenüberliegenden Seite zeigtim Ländervergleich (ohne England, da der Missinganteilüber 50 % ausmacht) den prozentuellen Anteil derKinder, der nach Angaben der Eltern eine vorschulischeEinrichtung besucht hat. In all diesen Ländernwerden institutionalisierte Formen der vorschulischenBetreuung angeboten und in Ungarn ist der Besucheiner solchen Einrichtung sogar verpflichtend (Kennedyet al., 2007). Der Anteil der Schüler/innen, dereine vorschulische Einrichtung über ein Jahr lang besuchthat, ist in allen Vergleichsländern relativ hoch(über 80 %). Lediglich 4 % der Kinder besuchten nurfür max. ein Jahr eine vorschulische Einrichtung undweitere 4 % besuchten eine solche überhaupt nicht.Die Anzahl der Kinder ohne Erfahrungen in vorschulischenEinrichtungen ist vor allem in Luxemburgund in Slowenien mit 13 % und 14 % vergleichsweisehoch. In Österreich sind es nur knapp 2 % derSchüler/innen, wobei der Anteil an Kindern, der einevorschulische Einrichtung nur maximal ein Jahr langbesucht hat, mit 7 % wiederum vergleichsweise hochist.Lesekompetenz und Kindergarten/VorschuleDass die Lesefähigkeit der Schüler/innen nicht unabhängigvon der vorschulischen Bildung ist, zeigt Abbildung16B. Hier sind die durchschnittlich erreichtenPunktewerte aller Schüler/innen der europäischenVergleichsländer auf der Lesegesamtskala nach ihremKindergarten- und Vorschulbesuch aufgetragen. Esist ersichtlich, dass die durchschnittliche Lesekompetenzmit der Dauer des Besuchs einer vorschulischenEinrichtung steigt, was nahelegt, dass die Kinder vomBesuch dieser Einrichtung profitieren. Schüler/innenohne vorschulische Bildung erzielen eine geringereLeseleistung als jene, die einen Kindergarten oder eineVorschule länger als ein Jahr besucht haben – die Leistungsdifferenzbeträgt 28 Punkte. Aber auch jene, dieden Kindergarten oder die Vorschule ein Jahr besuchthaben, schneiden um 15 Leseleistungspunkte schlechterab als Kinder, die länger als ein Jahr in eine solcheEinrichtung gegangen sind.Kindergarten- und Vorschulbesuch in ÖsterreichFür Österreich wurde die Dauer des Kindergartenund/oderVorschulbesuchs etwas differenzierter erhoben(siehe Abb. 16C). Dabei zeigt sich, dass rund 2 %der österreichischen Kinder überhaupt keine vorschulischeEinrichtung besuchten, 7 % besuchten sie fürmaximal ein Jahr, 31 % bis zu 2 Jahre, 37 % bis zu 3Jahre und weitere 23 % sogar 4 Jahre lang, wobei hiervermutlich ein Jahr Vorschule inkludiert ist.Wie die Kinder in den drei Gruppen (je nach VorschulundKindergartenerfahrung) durch Besonderheitenbei der Schulbildung der Eltern, beim Migrationshintergrundoder bei der Leseleistung zu charakterisierensind, wird in Abbildung 16D dargestellt. In der Abbildungsind die Schüleranteile je nach unterschiedlichervorschulischer Erfahrung in Abhängigkeit vonden beiden sozioökonomischen Merkmalen sowie denLesekompetenz-Gruppen dargestellt.Was fällt bei Kindern auf, die keine Vorschule undkeinen Kindergarten besucht haben?(1) Sie stammen wesentlich häufiger aus Elternhäusernmit niedriger Schulbildung (21 % mitPflichtschulabschluss);(2) 54 % von ihnen haben einen Migrationshintergrund(gegenüber 15 % der Kinder, die länger alsein Jahr einen Kindergarten oder eine Vorschulebesuchten);(3) 32 % Risikoschüler/innen in Lesen – doppelt soviele als bei jenen, die eine vorschulische Einrichtunglänger als ein Jahr besucht haben.
40Familiärer KontextElisabeth Stöttinger44.7 Familiäre lesebezogene AktivitätenLesebezogene Aktivitäten zwischen Eltern und Kind vor Schuleintritt wirken sich positiv auf die spätere Leseleistungin der Schule aus. Wenn Eltern mit ihren Kindern gemeinsam Bücher lesen, Lieder singen, ihnen Geschichten erzählenetc., weisen diese eine bessere Leseleistung auf. Außerdem besteht in Österreich ein positiver Zusammenhangzwischen der Häufigkeit dieser Aktivitäten und der Bildung der Eltern: Eltern mit Universitäts- bzw. postsekundäremAbschluss beschäftigen sich mit ihren Kindern in dieser Weise etwa doppelt so häufig als Eltern mit Pflichtschule alshöchstem Bildungsabschluss.GBR (S)8514GBR (S)n. b.522547HUN69265HUN525560SVK65305SVK475542ITA65287ITA531561SLONLDDEUAUTDNKBEL (fr)646457525252313034373636569111111SLONLDDEUAUTDNKBEL (fr)LUX475503510532544531529513535561558552558574LUX473617SWE532561SWE464014BEL (fl)530560BEL (fl)414118GBR (E)*GBR (E)*0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %Teilnehmerländer absteigend nach dem Anteil der Schüler/innen inder Kategorie „hoher Index“ gereihtWerte kleiner als 3 % sind nicht eingetragen* Missinganteil von über 50 % auf Schülerebene - <strong>Dat</strong>en werden inder Analyse nicht berücksichtigthoher Index/hohe Anzahl familiärer lesebezogener Aktivitätenniedriger Index/niedrige Anzahl familiärer lesebezogener Aktivitäten400 450 500 550 600niedrigLesekompetenzhochn. b.: zu wenige Schüler/innen in der Gruppe, um Mittelwertezu berichtenmittlerer Index/mittlere Anzahl familiärer lesebezogener AktivitätenAbb. 17A: Lesebezogene Aktivitäten im Ländervergleich Abb. 17B: Lesemittelwerte und lesebezogene Aktivitäten im Ländervergleich Postsekundärer Abschluss(Uni, FH, PH)Schule mit Matura56633432115hoher Index/hohe Anzahl familiärerlesebezogener AktivitätenBerufliche Fachausbildung493911mittlerer Index/mittlere Anzahl familiärerlesebezogener AktivitätenPflichtschulabschluss344322niedriger Index/niedrige Anzahl familiärerlesebezogener Aktivitäten0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 %Abb. 17C: Bildung der Eltern und familiäre lesebezogene Aktivitäten in Österreich