menschen R gewusst hatte, dass er nur feinnervig und arglos die Zurufe aus <strong>de</strong>m Publikum aufgenommen hatte. Auch ließ sich nicht mehr nachvollziehen, wer die pikante Geschichte eingeleitet hatte. Einen an<strong>de</strong>ren dramatischen Auftritt hatte Galli bei einem Mineralölkonzern, wo die Vorstandsmitglie<strong>de</strong>r ein mittelalterliches Theaterstück spielten. Im Laufe <strong>de</strong>s Spiels stellte sich heraus, dass <strong>de</strong>r König von einigen Grafen und Herzögen bedroht wur<strong>de</strong> und gar nicht so viel Macht hatte, wie gedacht. „Am Anfang ist es lustig, aber wenn es dann um die Deutung geht, wird es ernst“, sagt Galli. <strong>Als</strong> Frem<strong>de</strong>r sei er in diesen Situationen schonungslos ehrlich: „Ich spreche das an, dass einer im Raum <strong>de</strong>n Misserfolg will, da ist es dann vorbei mit <strong>de</strong>r Höflichkeit.“ Die fehlen<strong>de</strong> Höflichkeit ist das, was Galli vom Hofnarren mittelalterlicher Prägung unterschei<strong>de</strong>t. Denn <strong>de</strong>r Narr hatte <strong>de</strong>n Freibrief, <strong>de</strong>m König unangenehme Wahrheiten im Scherz vor Augen zu halten, aber er agierte innerhalb <strong>de</strong>s Systems und war sich bewusst darüber, dass er von <strong>de</strong>r Gunst <strong>de</strong>s Königs abhing. <strong>Als</strong>o musste er ihn auch unterhalten. Der Theatermensch Galli will lernen und er will Lerneffekte erzielen. Um im Bild zu bleiben: Er wechselt aus <strong>de</strong>r Rolle <strong>de</strong>s Hofnarrs in die <strong>de</strong>s Bußpredigers, <strong>de</strong>r die Leute zur Umkehr bewegen will. Bloße Triebabfuhr reicht ihm nicht. Sein Credo lautet „Im Spiel ist <strong>de</strong>r Mensch wirklich“, darum kann ihn <strong>de</strong>r ausbleiben<strong>de</strong> Lerneffekt <strong>de</strong>s Unternehmenstheaters, wie er ihn erlebt hat, nur wurmen. „Ich hätte mir einen Bewusstseinsschub gewünscht“, sagt er und schweift weit auf die Unternehmenswelt im Allgemeinen aus: „Wenn ich Trainings durchführe, wer<strong>de</strong> ich als Trainer in allen Punkten bewertet. Umgekehrt hätte ich bei vielen Trainings gerne mit <strong>de</strong>n Vorgesetzten über die Mitarbeiter gesprochen, die nichts können und es auch nicht wollen. Keiner will lernen, je<strong>de</strong>r will nur die Bestätigung, dass alles gut ist“, sagt Galli. Die Wahrheit tut eben manchmal weh. Der Hofnarr wur<strong>de</strong> bei „Gefahr <strong>de</strong>r Wirkung“ ausgebremst – so empfin<strong>de</strong>t es Galli im Rückblick. „ Wenn keine Begeisterung in die Arbeit fließt, geht die Welt unter!“ Galli sagt von sich selbst, dass er Leistung liebe, dass er Arbeit liebe, die Faulen attackiere und glaube, dass <strong>de</strong>r Mensch auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> sei, um zu arbeiten und sich zu verän<strong>de</strong>rn. „Letztlich hatte ich einfach nicht die Ausdauer, wirklich <strong>de</strong>r Stachel im Fleisch zu sein.“ Das kritisiert er an sich selbst: Er sei zu weich gewesen und habe sich zu schnell aus <strong>de</strong>n Verän<strong>de</strong>rungsprozessen, die er angestoßen hatte, zurückgezogen. Aber es habe eben immer eine Hierarchiestufe gegeben, die ihn zu provokativ gefun<strong>de</strong>n habe: Wenn <strong>de</strong>r Vorstand ihn protegierte, dann war es <strong>de</strong>r Mittelbau, <strong>de</strong>r ihn hinausdrängte und umgekehrt. Galli glaubt nicht daran, dass große Konzerne kreativ sein können. Auch hier erinnert er sich an Beispiele aus seinen Theatern. Das eine hieß „Die Sitzung“, dabei spielten drei Mitarbeiter, die sich selbst Herr Dögel, Herr Dr. Ögel und Herr Dr. Ögel-Dögel nannten. „So haben sie sich selbst gesehen: Nur die 18 wirtschaft + weiterbildung 02_2010 Vielseitigkeit. Das ist Gallis Markenzeichen: Nur auf das Business-Theater setzt er nicht. Zeit totschlagen“, empört sich Galli. In einem an<strong>de</strong>ren Konzern visualisierten die Mitarbeiter ihre Führung, in<strong>de</strong>m sie zwei Flugzeugkapitäne mit Blin<strong>de</strong>nbin<strong>de</strong> spielten. „Das ist doch verheerend!“ Die Mitarbeiter hätten ihre Unternehmensspitze als blin<strong>de</strong> Kapitäne gesehen, die die Maschine nicht in die Luft kriegten. „Aber das Problem wur<strong>de</strong> weggelacht“, erzählt Galli. Keiner habe die Sprengkraft <strong>de</strong>s Spiels erkannt. „Theaterspielen heißt öffnen“, postuliert <strong>de</strong>r Spieler. „Aber in vielen Firmen wird mit Druck und Angst geführt, immer noch!“ Auf einen Auftrag in Brasilien hatte er sich sehr gefreut. Es ging um Motivationstheater. Aber die Reise wur<strong>de</strong> abgesagt, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Vorstand machte ihm klar: „Herr Galli, wir brauchen Sie nicht, wir brauchen keine Motivation. Entwe<strong>de</strong>r die Mitarbeiter spuren o<strong>de</strong>r sie fliegen raus.“ Der Clown ist enttäuscht. O<strong>de</strong>r seine Ansprüche an <strong>de</strong>n Lerneffekt <strong>de</strong>s Unternehmenstheaters sind zu hoch. „Ja“, gibt Galli zu, „aber niedrigere Ansprüche hätten mir nicht gefallen.“ Zu<strong>de</strong>m gehe es nur um seine ganz eigenen Erfahrungen mit <strong>de</strong>m Unternehmenstheater. „Meine Mitarbeiter im Galli-Theater sind begeistert und überzeugt von seiner Wirkung“, sagt er und berichtet von <strong>de</strong>ren neuesten Projekten. Was ihn jedoch antreibe, was ihn ausschließlich interessiere, sei das Lernen: „Wenn jemand lernen will, ist meine Bitterkeit verflogen, da bin ich hun<strong>de</strong>rtprozentig begeisterungsfähig!“ Der Clown lernt beim Spielen: „Ich kann nicht lesen, fernsehen, gar nichts, ich kann nur spielen“ und das for<strong>de</strong>rt er für alle Lernprozesse. Für Galli gibt es radikal nur Bühne: Die Lehrer sollten Geschichte spielen, nicht eintrichtern, Schüler sollten ein Musical machen, bei <strong>de</strong>m sie rappen, da wer<strong>de</strong> gelernt – mit Begeisterung. „Die Verän<strong>de</strong>rung kommt von <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn“, ist sich Galli sicher. Darum hat er nach seiner Krise um die Jahrtausendwen<strong>de</strong> herum sich auf neues Terrain gewagt und ein Kin<strong>de</strong>rtheater am Broadway in New York aufgebaut. Über diese Erweiterungen seines Gesichtskreises, über <strong>de</strong>n Aufbau von Theatern lernt er viel, über sich und über die Menschen. „Die Verän<strong>de</strong>rungen kommen sicher nicht von <strong>de</strong>n Managern. Es ist erschreckend, mit wie wenig Begeisterung Menschen eine Firma führen“, sagt <strong>de</strong>r wahrheitssuchen<strong>de</strong> Clown. Seine Quintessenz: „Wenn keine Begeisterung – und darin steckt das Wort „Geist“ – in die Arbeit fließt, geht die Welt unter.“ Karin Seeber
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