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Schwerpunkt: „Reproduktionsmedizin“ - Tierärztliche Hochschule ...

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Stiftung Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> Hannover<br />

Forschung fürs Leben 2005<br />

<strong>Schwerpunkt</strong>:<br />

„Reproduktionsmedizin“


Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH<br />

55216 Ingelheim/Rhein • Telefon 0180/3660660<br />

vetservice@ing.boehringer-ingelheim.com<br />

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Therapie von Infektionskrankheiten bei Rindern und Schweinen, hervorgerufen durch folgende Enrofloxacin-empfindliche gramnegative und grampositive Bakterien sowie Mykoplasmen: Rind: Bakteriell bedingte Erkrankungen des Respirations- und<br />

Digestionstraktes (Pasteurellose, Mykoplasmose, Colibazillose, Coliseptikämie) bakterielle Sekundärerkrankungen (z.B. im Rindergrippe-Crowding-Komplex) sowie akute E.-coli-Mastitiden mit gestörtem Allgemeinbefinden. - E. coli, Haemophilus spp.,<br />

Pasteurella spp., Mycoplasma bovis. Schwein: Bakteriell bedingte Erkrankungen des Digestions- (Colidiarrhoe, Coliseptikämie) und Respirationstraktes (enzootische Pneumonie), MMA-Syndrom der Sauen. - E. coli, Pasteurella spp., Mycoplasma hyopneumoniae.<br />

Gegenanzeigen: Vorliegende Resistenz gegenüber Chinolonen, da gegenüber diesen eine nahezu vollständige, gegenüber anderen Fluochinolonen eine komplette Kreuzresistenz besteht. Bereits bestehende Knorpelwachstumsstörungen<br />

oder Schädigungen des Bewegungsapparates im Bereich funktionell besonders beanspruchter oder durch das Körpergewicht belasteter Gelenke. Tiere mit bekannter Überempfindlichkeit gegen Fluochinolone sollte nicht mit Enrofloxacin therapiert<br />

werden. Nebenwirkungen: Es kann zu vorübergehenden lokalen Reaktionen an der Injektionsstelle kommen. In seltenen Fällen kann die i.v. Behandlung bei Rindern, vermutlich als Folge von Kreislaufstörungen, zum Auftreten von Schockreaktionen<br />

führen. Vereinzelt ist unter der Behandlung bei Rindern mit dem Auftreten von gastrointestinalen Störungen zu rechnen. Wechselwirkungen: Bei der Kombination von Baytril ® (Enrofloxacin) mit Makroliden oder Tetrazyklinen ist mit antagonistischen<br />

Effekten zu rechnen. Wartezeit: Rind: Essbare Gewebe: i.v.: 7 Tage, s.c.: 14 Tage, Milch: i.v.: 3 Tage, s.c.: 5 Tage; Schwein: Essbare Gewebe: i.m.: 9 Tage. Verschreibungspflichtig. Bayer HealthCare, Bayer Vital GmbH, Geschäftsbereich Tiergesundheit,<br />

51368 Leverkusen<br />

Baytril 05/08/29/TA


2<br />

Dagmar Waberski, Burkhard Meinecke<br />

Das Fachgebiet Reproduktionsmedizin wird an der Stiftung Tierärztliche<br />

<strong>Hochschule</strong> Hannover vom Institut für Reproduktionsmedizin,<br />

den Tierartenkliniken vertreten. Mit der Gründung des Virtuellen<br />

Zentrums für Reproduktionsmedizin Niedersachsen an der Stiftung<br />

Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> Hannover im Jahr 2004 werden durch<br />

institutsübergreifende Kooperationen die Belange des Fachgebietes<br />

in Forschung, Lehre und Dienstleistung synergistisch bearbeitet.<br />

Insbesondere die steigenden Anforderungen einer wettbewerbsfähigen<br />

landwirtschaftlichen Tierproduktion, aber auch die<br />

zunehmende Erwartungshaltung von Pferde- und Hundezüchtern<br />

erfordern eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Reproduktionsmedizinern<br />

und -biologen. Mit der Gründung des Virtuellen<br />

Zentrums wird dem Stellenwert und den Bedürfnissen der Reproduktionsforschung<br />

in der Tiermedizin Rechnung getragen.<br />

In fünf Einrichtungen innerhalb der TiHo, sowie in der Bundesforschungsanstalt<br />

für Landwirtschaft (FAL) Mariensee und im Landgestüt<br />

Celle wird derzeit Forschung im Virtuellen Zentrum für<br />

Reproduktionsmedizin betrieben. Das vorliegende Magazin berichtet<br />

beispielhaft über die Forschungsaktivitäten innerhalb des Zentrums<br />

und über die Forschungskooperationen mit anderen Institutionen.<br />

Dabei kommt der Entwicklung und Anwendung von Biotechnologien,<br />

wie Besamung, Embryotransfer, In-vitro-Produktion von<br />

Embryonen und assoziierten Techniken, eine besondere Bedeutung<br />

zu. Fortschritte in diesen Bereichen setzen das zunehmende Verständnis<br />

reproduktionsphysiologischer Mechanismen voraus. Die<br />

Physiologie der Fortpflanzung auf zellulärer und molekularer Ebene<br />

Vorwort<br />

Forschung im Virtuellen Zentrum für<br />

Reproduktionsmedizin Niedersachsen<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Der Präsident der Stiftung Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> Hannover<br />

Redaktion und Vertrieb<br />

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit<br />

Stiftung Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> Hannover<br />

Sonja von Brethorst<br />

Judith Mc Alister-Hermann, PhD<br />

Bünteweg 2<br />

30559 Hannover<br />

Tel.: (05 11) 9 53-80 02<br />

Fax: (05 11) 9 53-82 80 02<br />

E-Mail: presse@tiho-hannover.de<br />

Literaturnachweis<br />

Umfangreiche Literaturnachweise liegen bei den Autoren vor und<br />

können dort angefordert werden.<br />

bildet daher einen <strong>Schwerpunkt</strong> in den Forschungsaktivitäten.<br />

Untersuchungen zur Herdenfruchtbarkeit und zum Reproduktionsmanagement<br />

besitzen einen hohen Stellwert für eine effiziente<br />

Reproduktionsleistung landwirtschaftlicher Nutztiere und bilden<br />

eine weitere wesentliche Ausrichtung der Forschungsaktivitäten<br />

des Zentrums.<br />

Neben der Forschung erfolgt eine gezielte Nachwuchsförderung in<br />

Praxis und Wissenschaft über spezielle Lehrangebote im Grundund<br />

PhD-Studium. Die Forschungsaktivitäten orientieren sich an<br />

den Notwendigkeiten einer leistungsfähigen wettbewerbsfähigen<br />

Tierproduktion und werden zu wesentlichen Anteilen von der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft, den Besamungszuchtorganisationen<br />

und der Industrie gefördert. Die Mitglieder des Virtuellen Zentrums<br />

genießen national und international hohe Reputation, so dass<br />

den deutschen Tierzüchtern mit dem Virtuellen Zentrum für Reproduktionsmedizin<br />

eine interdisziplinär ausgerichtete Kompetenzeinrichtung<br />

für alle Spezies zur Verfügung steht.<br />

Verlag, Titel und Layout<br />

VMK Verlag für Marketing & Kommunikation GmbH & Co. KG<br />

Faberstraße 17<br />

67590 Monsheim<br />

Tel.: (0 62 43) 9 09-0<br />

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E-Mail: info@vmk-verlag.de<br />

Internet: www.vmk-verlag.de<br />

Druck<br />

VMK Druckerei GmbH<br />

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Tel.: (0 62 43) 9 09-1 10<br />

Fax: (0 62 43) 9 09-1 00


Inhaltsverzeichnis<br />

Steigerung der Reproduktionseffizienz bei landwirtschaftlichen Nutztieren 6<br />

Dagmar Waberski<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Die gestresste Gebärmutter – Ursache für die Gebärmutterentzündung bei der Kuh? 9<br />

Holm Zerbe, Torge König, Hans-Joachim Schuberth, Wolfgang Leibold<br />

Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Detektion und Auswirkungen anabol wirksamer Substanzen an peripubertären Pferdehengsten 12<br />

Bettina Zingrebe, Melanie Köllmann, Erich Klug<br />

Klinik für Pferde der TiHo<br />

Molekulargenetische Untersuchungen zur Fruchtbarkeit von Hengsten 15<br />

Tosso Leeb, Rony Jude, Henning Hamann, Ottmar Distl, Harald Sieme, Edda Töpfer-Petersen<br />

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Einfluss von Inseminatkomponenten auf den Uterus und die Fertilität der Stute 18<br />

Harald Sieme, Doris Schoon, Magali Quetin, Erich Klug, Heinz-Adolf Schoon<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Institut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig<br />

Klinik für Pferde der TiHo<br />

3


4<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Qualitätsmanagement im Uterus: nur ausgewählte Spermien erreichen die Eizelle 21<br />

Hans-Joachim Schuberth, Holm Zerbe, Hans-Wilhelm Michelmann, Peter Schwartz, Ulrike Taylor, Henning Wendt,<br />

Antje Frenzel und Detlef Rath<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Hallo Herr Doktor, bitte ein Stutfohlen! 25<br />

Detlef Rath, Harald Sieme, Heide Buss, Chis Maxwell<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee, (FAL)<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Veterinärfakultät der Universität Sydney<br />

Die Zona pellucida: Schutz- und Kommunikationsorgan der Eizelle 28<br />

Edda Töpfer-Petersen, Detlef Rath, Hans-Wilhelm Michelmann, Dorothee von Witzendorff, Mahnaz Ekhlasi-Hundrieser,<br />

Peter Schwartz, Erik Piehler, Silja Ebeling, Christiane Hettel, Birgit Sieg, Petra Westermann<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Zur erfolgreichen Fortpflanzung von Wildschweinen 32<br />

Friederike Gethöffer<br />

Institut für Wildtierforschung der TiHo (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Klaus Pohlmeyer, Dr. Gunter Sodeikat)<br />

Genetische Ursachen der Wurfgröße beim Schwein 35<br />

Andreas Spötter, Ottmar Distl<br />

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />

Einsatz der Farbdopplersonographie in der Gynäkologie des Rindes 39<br />

Heinrich Bollwein, Kathrin Herzog, Sandra Schmauder, Ulrich Baumgartner, Detlef Rath und Heiner Niemann<br />

Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Untersuchungen zu östrogen-bedingten-Störungen der Fertilität von Sauen<br />

mittels eines Reportergen-Assays 42<br />

Petra Winter, Alfonso Lampen, Tatjana Shobeiry, Dzmitry Karaljov, Charlotte Schröder, Karl-Heinz Waldmann,<br />

Heinz Nau, Josef Kamphues<br />

Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo<br />

Institut für Tierernährung der TiHo<br />

Klinik für kleine Klauentiere und Forensische Medizin und Ambulatorische Klinik der TiHo<br />

Assistierte Reproduktionstechniken und Epigenetik: Die neue Flexibilität in der Embryonalentwicklung 45<br />

Christine Wrenzycki, Andrea Lucas-Hahn und Heiner Niemann<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL), Forschungsbereich Biotechnologie<br />

Assistierte Reproduktion bei Baumsteigerfröschen:<br />

Ein veterinärmedizinischer Beitrag zur Erhaltung gefährdeter Tierarten 49<br />

Christian Lipke, Sabine Meinecke-Tillmann, Burkhard Meinecke<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo


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Intervet Deutschland GmbH, Postfach 1130, 85701 Unterschleißheim<br />

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6<br />

Dagmar Waberski<br />

Forschung für die künstliche Besamung<br />

Die Erfolgsstory darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch<br />

immer viele ungelöste Fragestellungen in der Anwendung dieser Biotechnologie<br />

gibt. Die Beantwortung dieser Fragen ist für die Wettbewerbsfähigkeit<br />

einer modernen Tierproduktion grundlegend. Dazu<br />

zählen beispielsweise die Verbesserung von Konservierungsverfahren,<br />

die Möglichkeiten einer zuverlässigen Fertilitätsprognose durch<br />

moderne spermatologische Untersuchungsmethoden und durch Invivo-Besamungsmodelle,<br />

die Verbesserung des Besamungsmanagements<br />

in der Herde sowie die Sicherstellung der Spermahygiene. Die<br />

Grundlage für den Fortschritt auf diesen Gebieten ist stets das<br />

zunehmende Verständnis der Physiologie der Befruchtung, aus dem<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Steigerung der Reproduktionseffizienz bei<br />

landwirtschaftlichen Nutztieren<br />

Zusammenfassung<br />

Die Sicherstellung des Fortpflanzungserfolgs hat obere Priorität<br />

in der landwirtschaftlichen Tierproduktion. Anders als in der<br />

Humanmedizin ist dafür nicht das einfache Erreichen einer<br />

Schwangerschaft entscheidend, sondern eine möglichst effiziente<br />

Fortpflanzungsleistung der Einzeltiere und die der Herde. Dazu<br />

wird bei Rind und Schwein zu etwa 80% die so genannte künstliche<br />

Besamung eingesetzt: Konserviertes Sperma genetisch<br />

wertvoller Vatertiere wird instrumentell in das Genital weiblicher<br />

Zuchttiere eingebracht. Dort kommt es auf natürliche Weise zur<br />

Befruchtung. Die Nachkommen werden in Zuchtprogrammen<br />

wiederum auf ihren züchterischen Wert, Erbgesundheit und<br />

Fruchtbarkeit getestet, so dass ein permanenter Zuchtfortschritt<br />

erzielt wird. Die künstliche Besamung hat sich in den vergangenen<br />

Jahrzehnten zu einer unerlässlichen und äußerst praktikablen<br />

Biotechnologie entwickelt; so werden in Deutschland jährlich<br />

etwa 4,8 Mio. Rinder und 5 Mio. Schweine besamt. Maßgeblich<br />

für den Siegeszug der Besamung war und ist die Vermeidung der<br />

Übertragung von Krankheiten, so dass die klassischen Deckseuchen<br />

der Nachkriegsjahre heute der Vergangenheit angehören.<br />

Abb. 1: Immunreaktion im Uterus:<br />

Phagozytose von Spermien (Köpfe mit Pfeilen markiert) durch neutrophile<br />

Granulozyten<br />

Summary<br />

High reproductive efficiency is the overall goal in farm animal production.<br />

In contrast to human medicine, where the objective is a<br />

single pregnancy in individual couples, in domestic farm animals<br />

high fertility performance is required for entire herds. In cattle and<br />

pigs, breeding is realized in about 80% of females by artificial<br />

insemination. Preserved semen of genetically proven males is<br />

introduced instrumentally into the female tract, where fertilization<br />

occurs in a natural manner. Offspring are tested for their genetic<br />

value, hereditary diseases, and fertility, thus ensuring ongoing<br />

breeding progress. Artificial insemination has evolved into the<br />

most important and reliable biotechnology in reproductive medicine.<br />

In Germany, about 4.8 million cows and 5 million sows are<br />

inseminated annually. The reason for the current widespread use<br />

of artificial insemination lies in the elimination of genital infections,<br />

which were the cause of severe economic loss in post-war years.<br />

Nevertheless, numerous research issues remain to meet the<br />

challenges of a modern, efficient animal production. Our growing<br />

understanding of reproductive physiology can be applied to<br />

develop reproductive strategies for use in artificial insemination.<br />

This article presents four projects conducted at the Institute for<br />

Reproductive Medicine with the aim of enhancing reproductive<br />

performance in farm animals.<br />

sich Gesetzmäßigkeiten für erfolgreiche Reproduktionsstrategien<br />

ableiten lassen. Im Institut für Reproduktionsmedizin der Stiftung<br />

Tierärztliche <strong>Hochschule</strong> werden in Kooperation mit den Mitgliedern<br />

des Virtuellen Zentrums für Reproduktionsmedizin, mit Unterstützung<br />

des Fördervereins Biotechnologieforschung e. V., der Besamungszuchtorganisationen<br />

ZDS und ADR und der Deutschen Forschungsgemeinschaft<br />

folgende Projekte zu diesen Gebieten bearbeitet:<br />

1. Interaktion von Inseminat und dem Genital beim<br />

weiblichen Schwein<br />

Dagmar Waberski, Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Hans-Joachim Schuberth, Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Marion Hewicker-Trautwein, Institut für Pathologie der TiHo<br />

Holm Zerbe, Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Ronald H.F. Hunter, Edinburgh, UK<br />

Spermien und das Sekret der akzessorischen Geschlechtsdrüsen<br />

(Seminalplasma) interagieren auf vielfältige Weise mit dem weiblichen<br />

Genitaltrakt. Ziel ist, dass befruchtungskompetente Spermien<br />

zum richtigen Zeitpunkt an den Ort der Befruchtung, der Eileiterampulle,<br />

gelangen. Das Seminalplasma der männlichen Geschlechtsdrüsen<br />

beeinflusst beim Schwein den Ovulationszeitpunkt und den<br />

Spermientransport im weiblichen Genital. Immunmodulatorische


Einflüsse auf den Uterus spielen eine große Rolle für die Spermienselektion<br />

und die Entwicklungsmöglichkeit des jungen Embryos.<br />

Die beteiligten aktiven Substanzen und Signaltransduktionswege<br />

sind weitgehend unbekannt. Bekannt ist allerdings, dass beim<br />

Schwein und einigen anderen Haussäugetieren effiziente lokale<br />

Kommunikationswege zwischen Uterus, Eileiter und Ovar existieren,<br />

an denen Lymph- und Blutgefäße mit charakteristischen<br />

Gegenstrombahnen beteiligt sind. Mit Hilfe mikrochirurgischer<br />

Methoden wurde der Versuch unternommen, uterine Lymphflüssigkeit<br />

nach einseitiger „Besamung“ eines Uterushorns zu gewinnen<br />

und zu analysieren. Zum Vergleich wurde ein Kontrolluterushorn mit<br />

einem Placebo behandelt. Vergleichende immunhistochemische<br />

Untersuchungen sollten mögliche lokale Einflüsse des Inseminats<br />

aufzeigen. Die Analyse von Cytokinen und antigenpräsentierenden<br />

Molekülen (MHC II Zellen) als Immunmodulatoren ergab einen signifikanten<br />

Einfluss des Inseminats sowie regionale Unterschiede<br />

zwischen Uterushorn und Uterushornspitze. Damit ist ein weiterer<br />

Hinweis auf die lokale immunmodulatorische Wirksamkeit des<br />

Samens gefunden worden, der bei der Feinsteuerung der sensiblen<br />

Ereignisse unmittelbar vor der Befruchtung von Bedeutung sein<br />

kann. Dieses Phänomen soll in zukünftigen Studien weiter charakterisiert<br />

und beteiligte Substanzen identifiziert werden.<br />

2. Besamungsmanagement in Sauenherden<br />

Dagmar Waberski, Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Horst Brandt, Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

Der falsche Besamungszeitpunkt gilt als Hauptursache für eine verminderte<br />

Fruchtbarkeit (Subfertilität) im Sauenbestand. Im Gegensatz<br />

zum Rind sind Brunstdauer und Ovulationszeitpunkt beim<br />

Schwein variabel. So kommt es in der Praxis häufig zur Spermienalterung<br />

im weiblichen Genital. Dafür verantwortlich sind zu lange<br />

Intervalle zwischen Besamung und Ovulation oder, in selteneren<br />

Fällen, eine verspätete Besamung. Obwohl seit längerem bekannt<br />

ist, dass die Länge des Absetz-Brunstbeginn-Intervalls bestimmend<br />

für den erwartenden Ovulationszeitpunkt ist, bereitet die Umsetzung<br />

der Erkenntnisse Landwirten<br />

und Tierärzten oft Schwierigkeiten.<br />

Ziel dieses Projektes ist es, nach<br />

einer sorgfältigen Anamnese von<br />

Fruchtbarkeitsdaten und -management<br />

betriebsspezifische Empfehlungen<br />

für das Besamungsmanagement<br />

zu erstellen. Wesentliches<br />

Merkmal der Studie ist der Einsatz<br />

einer ultraschallbasierten Ovardiagnostik<br />

im Rahmen der Fruchtbarkeitsbetreuung<br />

im Bestand. In sieben<br />

ausgewählten Betrieben mit<br />

Leistungsreserven im Fruchtbarkeitsbereich<br />

wurde ein Konzept zur<br />

Verbesserung des Besamungsmanagements<br />

erprobt. Das Konzept<br />

berücksichtigt die ökonomischen<br />

Verhältnisse zwischen tierärztlicher<br />

Betreuungsleistung und Verände-<br />

rung der biologischen Leistung nach<br />

Umsetzung der Besamungsempfeh-<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

lung. Es zeigte sich, dass in allen Betrieben die Fruchtbarkeitsleistung<br />

steigerbar war. Dies war mit erheblichen ökonomischen Vorteilen<br />

für die Landwirte verbunden. Die tierärztliche Betreuungstätigkeit<br />

war mit etwa 5% der Steigerung der direktkostenfreien Leistung<br />

äußerst gering.<br />

Die besondere Rolle der transkutanen Ovulationsdiagnostik wurde<br />

in dieser Arbeit herausgestellt und ein Leitfaden für die Analyse des<br />

Reproduktionsmanagements erstellt. Die Erkenntnisse werden in<br />

Fortbildungsveranstaltungen an Besamungsorganisationen sowie<br />

der in der Schweinebestandsbetreuung tätigen Tierärzteschaft und<br />

Landwirte vermittelt.<br />

3. Spermaqualität und Fruchtbarkeit bei<br />

Rind und Schwein<br />

Abb. 2: Ovarsonographie zur Feststellung des Ovulationszeitpunktes<br />

in Sauenherden<br />

Dagmar Waberski, Anna Petrunkina, Edda Töpfer-Petersen, Institut<br />

für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Kooperation: Heinrich Bollwein, Klinik für Rinder der TiHo<br />

Christine Wrenzycki, Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt<br />

für Landwirtschaft (FAL)<br />

Martin Beyerbach, Institut für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung<br />

der TiHo<br />

Die Einschätzung der Spermienqualität bildet die Grundlage für eine<br />

Fertilitätsprognose und ist somit unerlässlich für den gezielten Einsatz<br />

von Zuchttieren. Weiter bildet sie die Grundlage für die Ermittlung<br />

der von Tier zu Tier unterschiedlichen Anzahl an Spermien in<br />

der Besamungsportion, die für einen Besamungserfolg vorhanden<br />

sein müssen. Zudem ist die Erhebung qualitativer Spermienparameter<br />

für eine Beurteilung und Entwicklung von Konservierungsverfahren<br />

essentiell. Standardspermatologische Parameter, wie Motilität<br />

und Morphologie sind für diese Zwecke unzureichend. Moderne<br />

Ansätze beinhalten die Technik der Durchflusszytometrie (s. S. 39)<br />

sowie die computergestützte Motilitätsanalyse.<br />

In dem Projekt werden moderne spermatologische Techniken auf<br />

ihre Eignung zur Fertilitätsdiagnostik<br />

überprüft. Die Basis dafür bilden<br />

reproduktionsphysiologische Erkenntnisse<br />

zu den Mechanismen<br />

der Volumenregulation von Spermien<br />

und deren Bindungsfähigkeit<br />

am Eileiterepithel. Für die Überprüfung<br />

der Methoden werden In-vitro-<br />

Modelle angewendet: z.B. der Oviduktexplant<br />

Assay und In-vivo-<br />

Besamungsmodelle wie dem Jungsauen-Modell<br />

Hannover.<br />

Das Forschungsgebiet bildet einen<br />

<strong>Schwerpunkt</strong> der Arbeitsgruppe<br />

und hat einen ausgeprägten interdisziplinären<br />

Charakter. Spermienpopulationen<br />

werden hinsichtlich<br />

ihrer funktionellen und morphologischen<br />

Eigenschaften präzise charakterisiert<br />

und befruchtungsrelevante<br />

Merkmale identifiziert. So ist<br />

7


8<br />

Abb. 3: Spermien im Eileiter des Schweins: Durch feste Bindung an das Eileiterepithel<br />

wird das funktionelle Spermienreservoir gebildet.<br />

die Fähigkeit von Spermien zur Volumenregulation eine wichtige<br />

Voraussetzung zur Adaptation an unterschiedliche osmotische Verhältnisse<br />

im Nebenhodenschwanz, Uterus und Eileiter und essentiell<br />

für die Aufrechterhaltung der Spermienvitalität sowie für die<br />

Induktion von Reifungsprozessen im weiblichen Genital (Kapazitation).<br />

Unter In-vitro-Bedingungen wird die Fähigkeit von Spermienpopulationen<br />

zur Osmoregulation erfasst und beteiligte Ionenkanäle<br />

identifiziert. Interessanterweise sind bei Bullenspermien die<br />

Fähigkeiten zur Volumenregulation und zur Bindung an das Oviduktepithel<br />

miteinander assoziiert, wie In-vitro-Untersuchungen mit<br />

dem Ovidukt Explant Assay zeigten. Die Bindung von Spermien an<br />

das Eileiterepithel gilt als Voraussetzung für die Etablierung des<br />

funktionellen Spermienreservoirs im weiblichen Genitaltrakt, das für<br />

Selektion, Überleben und Reifung der Spermien verantwortlich ist.<br />

Hierbei konnten die beteiligten Protein-Kohlenhydratstrukturen bei<br />

verschiedenen Spezies identifiziert werden. Die Anzahl der befruchtungskompetenten<br />

Spermien in diesem Spermienreservoir steht in<br />

direkter Beziehung zum Befruchtungserfolg.<br />

Spermienmembranen reagieren während der Spermakonservierung<br />

empfindlich auf Lagerungs- und Temperatureinflüsse. Das<br />

methodische Spektrum einer sensiblen Spermienqualitätsdiagnostik<br />

ist daher der Schlüssel zur Entwicklung verbesserter Konservierungstechniken.<br />

Die Ziele dabei sind die Reduzierung der Schäden<br />

durch Tiefgefrierung bei Rindersperma und die Verlängerung der<br />

Lagerungsfähigkeit flüssigkonservierter Eberspermien. Spermien<br />

unterscheiden sich hinsichtlich Bau und Funktion hochgradig von<br />

Körperzellen, aber nur graduell zwischen verschiedenen Tierarten,<br />

so dass dieses Forschungsgebiet klassischerweise speziesübergreifend<br />

bearbeitet wird und neben den landwirtschaftlichen Nutztieren<br />

auch die Spezies Hund (Kooperation Anne-Rose Günzel-<br />

Apel, Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo) und Pferd (Kooperation<br />

Harald Sieme, Landgestüt Celle) beinhaltet. Eine besondere<br />

Herausforderung stellt die Ermittlung der Beziehung zwischen spermatologischen<br />

Parameter und der Fertilitätsleistung von Vatertieren<br />

dar. Die Fruchtbarkeit ist das Resultat einer Vielzahl von Einflussfaktoren,<br />

z.B. Besamungsmanagement und der Fertilität der weiblichen<br />

Tiere, die in ihrer Summe den Einfluss der Spermaqualität<br />

dominieren. Sorgfältig ausgearbeitete Versuchsdesigns mit In-vivo-<br />

Modellen und Feldbesamungsversuchen, die Erhebung robuster<br />

Fertilitätsdaten sowie solide statistische Analysen sind daher<br />

Voraussetzung für eine erfolgreiche Bearbeitung der Fragestellung.<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

4. Hygiene in der Spermaproduktion auf<br />

Besamungsstationen<br />

Dagmar Waberski, Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Kooperation: Jens Seedorf, Institut für Tierhygiene der TiHo<br />

Während seuchenhaft auftretende Genitalinfektionen durch Einführung<br />

der künstlichen Besamung hierzulande ihren Schrecken verloren<br />

haben, sind unspezifische Genitalinfektionen durch fakultativ<br />

pathogene Keime nach wie vor von hoher Relevanz für den Reproduktionserfolg.<br />

Insbesondere unter den Bedingungen des Natursprungs<br />

gelangen nicht unwesentliche Mengen an Keimen in den<br />

weiblichen Genitaltrakt. Der größte Teil dieser Keime wird durch körpereigene<br />

Abwehrmechanismen inaktiviert oder ist unbedenklich für<br />

die Gesundheit und Fruchtbarkeit des weiblichen Tieres. Anders ist<br />

die Situation bei einer Schwächung des Immunsystems unter<br />

Stressbedingungen oder bei der Übertragung obligat pathogener<br />

Keime. Die Sicherstellung der Produktion mikrobiell unbedenklichen<br />

Spermas ist daher von höchster Priorität für Besamungsstationen.<br />

Da die Gewinnung keimfreien Spermas praktisch unmöglich ist,<br />

müssen Strategien zur Keimminimierung entwickelt werden. Dazu<br />

gehören die Absenkung der Temperatur, die Begrenzung der Lagerungsdauer<br />

bei flüssigkonserviertem Sperma sowie der Zusatz von<br />

Antibiotika zum Konservierungsmedium. In diesem Projekt wurden<br />

der qualitative und der quantitative Keimstatus im Nativsamen und<br />

im verdünnten Samen von Ebern einer repräsentativen Anzahl von<br />

Besamungsstationen erhoben. Es wurden mögliche Keimeintragsquellen<br />

während des Spermaverarbeitungsprozesses identifiziert<br />

und Strategien zur Minimierung des Keimgehaltes entwickelt. Dies<br />

beinhaltet neben der Anleitung zur Verbesserung räumlicher und<br />

arbeitstechnischer Gegebenheiten die Entwicklung eines Hygienekontrollplans<br />

für Spermalabors, der sich als Instrumentarium eines<br />

Qualitätskontrollsystems eignet. Die Untersuchungen zeigten, dass<br />

trotz der unvermeidbaren Kontamination des Spermas während der<br />

Ejakulatgewinnung die Produktion keimfreien verdünnten Spermas<br />

möglich ist.<br />

Abb. 4: Flüssigkonserviertes Ebersperma (mit farblicher Markierung verschiedener<br />

Eberrassen)


Die physiologische Situation<br />

Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Holm Zerbe, Torge König, Hans-Joachim Schuberth, Wolfgang Leibold<br />

Die gestresste Gebärmutter – Ursache für die<br />

Gebärmutterentzündung bei der Kuh?<br />

Zusammenfassung<br />

Als Ursache für die Entstehung der beim Rind relativ häufigen<br />

Gebärmutterentzündung (Endometritis) wird eine bisher nicht<br />

geklärte Verringerung der Abwehrkapazität diskutiert. Es wird vermutet,<br />

dass die neutrophilen Granulozyten, eine Subpopulation<br />

der weißen Blutzellen, dafür verantwortlich sind. Ziel unserer Forschung<br />

ist es, detaillierte Erkenntnisse über die Mechanismen zu<br />

gewinnen, die bei der Entstehung einer Gebärmutterentzündung<br />

eine Rolle spielen. Dieses Wissen ist Voraussetzung für die Erarbeitung<br />

verbesserter Behandlungs- und Prophylaxekonzepte. Die<br />

Forschungsarbeiten haben die Hypothese entkräftet, dass<br />

Geburtsstress die Funktion der neutrophilen Granulozyten in der<br />

Gebärmutter hemmt und so die Entstehung der Endometritis<br />

begünstigt. Weiter konnte gezeigt werden, dass die Stoffwechselsituation<br />

des Tieres sowie die Qualität, die Quantität einer bakteriellen<br />

Kontamination in der Gebärmutter die Funktionalität der<br />

Abwehrzellen stark beeinflussen.<br />

Annähernd bei jeder Abkalbung kommt es beim Rind zu einer bakteriellen<br />

Kontamination der Gebärmutter. Der erste Schutzwall<br />

gegen bakterielle Verunreinigungen, die anatomischen Verschlussmechanismen<br />

des Geburtsweges, ist während der Geburt außer<br />

Kraft – der Geburtsweg ist weit geöffnet. Unter physiologischen<br />

Bedingungen reinigt sich der Uterus trotzdem innerhalb von 10-14<br />

Tagen selbst, so dass keine Keime mehr nachweisbar sind. Zu verdanken<br />

ist das der zweiten, der immunologischen Abwehrlinie.<br />

Diese wird v. a. durch die neutrophilen Granulozyten (Phagozyten =<br />

„Fresszellen“) gebildet. Das gilt grundsätzlich für jede Körperregion<br />

– auch für die Genitalorgane. Unter normalen Bedingungen sind die<br />

neutrophilen Granulozyten, die in großer Anzahl in die Gebärmutterschleimhaut<br />

und -höhle einwandern, in der Lage, die Bakterien<br />

durch Phagozytose zu eliminieren.<br />

Warum kommt es beim Rind trotzdem zur<br />

Gebärmutterentzündung?<br />

Oftmals versagt dieses Prinzip. Viele Rinder erkranken kurz nach<br />

der Abkalbung an einer Gebärmutterentzündung. Meist handelt es<br />

sich dabei um eine rein lokale Entzündung, die oft trotz Behandlung<br />

über 7 bis 10 Tage, manchmal in chronischer Form über Wochen,<br />

fortbesteht. In einigen Fällen ist die körpereigene Abwehr nicht in<br />

der Lage, den Gesamtorganismus gegen die Keime und deren Toxine<br />

zu schützen. Dann kann es zu zum Teil schweren Störungen des<br />

Allgemeinbefindens des Tieres kommen. Die Erkrankung führt häufig<br />

zu empfindlichen wirtschaftlichen Verlusten für den Landwirt.<br />

Summary<br />

Postpartum endometritis is a frequent disease in cows. One reason<br />

for the development of endometritis seems to be a depression<br />

of the functional capacity of neutrophilic granulocytes, a subpopulation<br />

of white blood cells. The aim of our studies is to investigate<br />

in detail the pathogenic mechanisms of this disease. This<br />

knowledge is necessary to develop improved treatment regimens<br />

for puerperal endometritis. In our experiments we could not confirm<br />

the hypothesis that birth-associated stress leading to a<br />

functional depression of neutrophilic granulocytes is responsible<br />

for the development of endometritis in cows. However, it was<br />

determined that metabolic and microbiological parameters were<br />

responsible for the modulation of functional parameters of neutrophils.<br />

Trotz umfangreicher Forschung auf diesem Gebiet gibt es in der<br />

Literatur noch immer sehr unterschiedliche Auffassungen zu Ursachen,<br />

Entstehung und Therapie der Gebärmutterentzündung beim<br />

Rind. Behandelt wird die Erkrankung zurzeit mit Antibiotika und desinfizierenden<br />

Lösungen. Allerdings ist diese Behandlung nicht<br />

immer effizient und hat nachweislich negative Einflüsse auf das<br />

lokale Abwehrgeschehen. Aus diesen Gründen wird nach Therapieformen<br />

gesucht, die die Unterstützung körpereigener Abwehrmechanismen<br />

zum Ziel haben. Neue Erkenntnisse zur Aktivität neutrophiler<br />

Granulozyten im Zusammenhang mit der Entstehung und<br />

Verhinderung der Endometritis sind von grundlegender Bedeutung<br />

und könnten zu Verbesserungen der klinischen Diagnostik und<br />

besonders der Therapie beitragen.<br />

Die Granulozytenfunktionalität ist kurz nach der<br />

Abkalbung inhibiert – wodurch?<br />

Neutrophile Granulozyten, die schon in eine gesunde Gebärmutter<br />

eingewandert sind, weisen im Vergleich zu aus dem Blut isolierten<br />

Zellen eine geringere Vitalität und Phagozytosefähigkeit auf – und<br />

dies sogar in Zeiten weitab von der allgemein als besonders kritisch<br />

angesehenen geburtsnahen Phase. Außerdem weisen diese Zellen<br />

eine deutlich verminderte Ausstattung mit funktionell wichtigen<br />

Oberflächenrezeptoren auf. Allerdings scheinen die neutrophilen<br />

Granulozyten aus der Gebärmutter Mikroorganismen ähnlich gut<br />

abzutöten, wie neutrophile Granulozyten aus dem Blut.<br />

Eigene Experimente haben gezeigt, dass bei Kühen die Abwehrkapazität<br />

der neutrophilen Granulozyten im Blut kurz nach der Abkalbung<br />

herabgesetzt ist. Dieses Defizit ist schon bei Kühen messbar,<br />

die nicht klinisch erkranken. Auf der Suche nach den Ursachen, die<br />

schließlich doch zur Erkrankung des Tieres führen, zeigte sich, dass<br />

sich Störungen des Kohlenhydrat-Lipidstoffwechsels, die regelmäßig<br />

9


10<br />

Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Abb. 1: Während der Geburt (a) werden hohe Konzentrationen des körpereigenen<br />

Stresshormons Kortisol im Blut gemessen. Ist diese als immunsuppressiv<br />

bekannte Mediatorsubstanz für die Entstehung der Gebärmutterentzündung<br />

(b – die Kuh zeigt entzündlichen Ausfluss) kurz nach der Geburt verantwortlich?<br />

nach der Abkalbung auftreten, negativ auf die Abwehrkapazität neutrophiler<br />

Granulozyten auswirken. Wir haben diese Zellen aus dem<br />

Blut von Kühen mit Leberverfettung isoliert. Sie fallen im Vergleich zu<br />

Zellen gesunder Kontrolltiere durch eine verringerte Rezeptordichte<br />

fast aller von uns untersuchten Oberflächenstrukturen auf. Gleichzeitig<br />

ist auch eine verringerte bakterizide Kapazität nachweisbar.<br />

Bisher fehlten auch Untersuchungen über den Einfluss der Gebärmutterflora<br />

auf die funktionellen Eigenschaften von neutrophilen<br />

Granulozyten. Unsere Resultate belegen, dass die Schlüsselbakterien<br />

der Gebärmutterentzündung beim Rind, Escherichia coli- und<br />

Arcanobacterium pyogenes-Keime, in ganz ähnlicher Weise funktionelle<br />

Parameter von neutrophilen Granulozyten modulieren können.<br />

Ausgelöst werden die Veränderungen bei neutrophilen Granulozyten<br />

durch den direkten Kontakt der Bakterien mit den Zellen.<br />

Die Bakterien haben überwiegend negative Effekte auf die Leistungsfähigkeit<br />

der Immunzellen. Dies könnte in einer dauerhaften<br />

und starken Aktivierung der Zellen begründet sein, die eine funktionelle<br />

Erschöpfung mit sich bringt. Außerdem deuten die Ergebnisse<br />

daraufhin, dass E. coli und A. pyogenes zur unphysiologisch erhöhten<br />

Anhäufung von neutrophilen Granulozyten im Entzündungsgebiet<br />

beitragen und damit die Regulation der entzündlichen Prozesse<br />

negativ beeinflussen.<br />

Welchen Einfluss hat Stress auf die Funktionalität<br />

von neutrophilen Granulozyten (PMN)?<br />

a) b) c)<br />

Die Kuh ist vor, während und nach der Geburt durch den Beginn der<br />

Laktation, die Futterumstellung, das Umstallen in den Abkalbestall<br />

und durch die Geburt selbst sowohl psychischem als auch physischem<br />

Stress ausgesetzt. Hinzu kommt die körperliche und<br />

schmerzhafte Belastung durch die Wehen.<br />

Es ist bekannt, dass sowohl psychischer als auch physischer Stress<br />

zu erhöhten Konzentrationen körpereigener Stresshormone, v. a.<br />

des Kortisols, im Blutplasma führen. Diese vom Tier selbst produzierten<br />

so genannten Glukokortikoide werden schon während der<br />

Trächtigkeit, aber eben besonders im Zeitraum der Geburt vermehrt<br />

produziert. Das Phänomen ist auch beim Menschen bekannt. Nachgewiesen<br />

ist weiterhin, dass die physiologische Geburt beim Wiederkäuer<br />

durch den Anstieg endogener Glukokortikoide eingeleitet<br />

wird. Syntheseort der Glukokortikoide ist die Nebenniere der Frucht.<br />

Eine holländische Forschungsgruppe hat zudem gezeigt, dass bei<br />

Kuh und Ziege Stresshormone wie das Kortisol in Abhängigkeit von<br />

der Stärke der Wehen vermehrt ausgeschüttet werden.<br />

Exogene Glukokortikoide werden in Form von Medikamenten aufgrund<br />

unterschiedlicher Indikationen eingesetzt. So wirken diese<br />

Stoffe zum Beispiel stark entzündungshemmend; sie können beim<br />

Rind aber auch zur Einleitung der Geburt eingesetzt werden. Eine<br />

große Bedeutung wird der immunsuppressiven Wirkung sowohl der<br />

exogenen als auch endogenen Glukokortikoide zugesprochen.<br />

Durch die Schwächung der körpereigenen Abwehrkräfte sind Tiere<br />

mit erhöhtem Glukokortikoid-Plasma-Spiegel anfällig gegenüber<br />

unterschiedlichen Erkrankungen. Dieses Phänomen wurde vielfach<br />

untersucht, gleichwohl sind die genauen Mechanismen, die dem<br />

zugrunde liegen, bisher ungenügend erforscht.<br />

Beim Rind sind verschiedene Wirkungen auf das Immunsystem<br />

beschrieben. So haben Glukokortikoide Einfluss auf die Expression<br />

von funktionell wichtigen Oberflächenstrukturen der Leukozyten<br />

(weiße Blutzellen), wie z.B. Bindungsmoleküle. Es wurden Effekte<br />

auf die Wanderungsfähigkeit, die Phagozytose (Fressaktivität), die<br />

Bakterienabtötung durch Leukozyten aber auch auf Antikörper-Konzentrationen<br />

im Blut und die Sekretion von verschiedenen immunologischen<br />

Mediatorsubstanzen beobachtet. Dabei finden sich<br />

durchaus auch widersprüchliche Resultate in der Literatur.<br />

Abb. 2: L-Selectin ist ein Bindungsmolekül der neutrophilen Granulozyten, das einen Tag nach Applikation des Glukokortikoids Dexamethason schwächer an der Oberfläche<br />

der Zellen exprimiert wird als bei unbehandelten Tieren (a). L-Selectin spielt bei der Bindung und beim so genannten „Rolling“ der Zellen an der Gefäßwand<br />

und damit für ihre Auswanderung ins Entzündungsgebiet eine maßgebliche Rolle (b – Abbildung aus Kuby, Immunology, 4th ed.). In einem Endometritismodell wurde<br />

allerdings gezeigt, dass die Einwanderung der neutrophilen Granulozyten in die Gebärmutter nach Dexamethasongabe sogar stärker erfolgt als bei Kontrolltieren (c).


Klinik für Wiederkäuer der Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Unsere Untersuchungen sollten nun zeigen, ob entsprechende Wirkungen<br />

auch beim Rind im geburtsnahen Zeitraum vorhanden sind<br />

und diese mit der Entstehung der Gebärmutterentzündung in<br />

Zusammenhang gebracht werden können.<br />

Zur Simulation von Geburtsstress wurde das synthetische Glukokortikoid<br />

Dexamethason eingesetzt. Dieses gehört zu den am häufigsten<br />

medizinisch genutzten Glukokortikoiden. Es wirkt deutlich<br />

stärker entzündungshemmend als das endogene Kortisol. Da alle<br />

Glukokortikoide über den gleichen Rezeptor innerhalb der Zelle wirken,<br />

kann es auch zur Simulation der Effekte endogener Glukokortikoide<br />

eingesetzt werden. Außerdem kam ein durch eine Kooperation<br />

zwischen Forschern der Klinik für Rinder und der Arbeitsgruppe<br />

Immunologie der TiHo entwickeltes Modell der akuten Gebärmutterentzündung<br />

zur Anwendung. Es ermöglicht, neutrophile Granulozyten<br />

unter definierten Bedingungen in den gesunden Uterus<br />

„jungfräulicher“ Rinder zu locken, zu gewinnen und deren funktionelle<br />

Kapazität zu untersuchen. Mit der Verabreichung des Chemokins<br />

Interleukin 8 (IL-8) wird eine körpereigene Substanz verwendet,<br />

die im Entzündungsgeschehen eine bedeutende Rolle spielt<br />

und im Entzündungsmodell die Granulozyten in großer Anzahl in die<br />

Gebärmutter lockt.<br />

Um aber überhaupt in die Gebärmutter gelangen zu können, müssen<br />

die im Blut zirkulierenden neutrophilen Granulozyten aus den<br />

Blutgefäßen auswandern können. Dieser als Extravasation<br />

bezeichnete Prozess setzt die Kontaktaufnahme der Zellen mit der<br />

Innenauskleidung der Gefäße, dem Gefäßendothel, voraus. Vermittelt<br />

wird dies durch Oberflächenrezeptoren (Adhäsine) wie L-Selektin.<br />

Genau dieser Prozess könnte aber unter Stressbedingungen<br />

gestört sein. Aus der Literatur war bekannt, dass es nach Glukokortikoid-Applikation<br />

zur verminderten Expression von Adhäsionsmolekülen<br />

wie dem L-Selektin kommt – beim Rind, aber auch beim Menschen.<br />

Dieses Phänomen konnte in eigenen Experimenten reproduziert<br />

werden. Deshalb war zu erwarten, dass bei Glukokortikoid-<br />

behandelten Tieren weniger Zellen aus den Blutgefäßen in ein Entzündungsgebiet<br />

migrieren als bei unbehandelten Tieren. Zu einer<br />

Störung der Wanderung der Zellen in die Gebärmutter kam es allerdings<br />

nicht: Einerseits steigerte die Applikation des Glukokortikoids<br />

die Anzahl im Blut zirkulierender neutrophiler Granulozyten dramatisch,<br />

was auch im physiologischen geburtsnahen Zeitraum zu verzeichnen<br />

ist. Andererseits wurden bei diesen Tieren, im Vergleich<br />

zu Placebo-behandelten Tieren, mehr vitale neutrophile Granulozyten<br />

durch IL-8 in die Gebärmutter gelockt.<br />

Allerdings vermindern Glukokortikoide die Produktion von so<br />

genannten reaktiven Sauerstoffmetaboliten bei neutrophilen Granulozyten,<br />

die in erster Linie als bakterizide Substanzen zu verstehen<br />

sind. Da sie – im Übermaß produziert – auch zur Gewebszerstörung<br />

führen können, ist noch nicht abschließend geklärt, ob es sich<br />

hier um eine immunsuppressive Wirkung oder einen natürlichen<br />

Eigenschutzmechanismus vor Gewebsschäden handelt. Dies fordert<br />

weiterführende Forschungsaktivitäten.<br />

Fazit<br />

Diese Resultate – im Zusammenhang mit denen anderer Forschungsteams<br />

– zeigen, dass stoffwechselassoziierte und mikrobiologische<br />

Faktoren Einfluss auf Entstehung und Verlauf einer<br />

puerperalen Endometritis haben können. Daraus sind praktische<br />

Interpretationen und Konsequenzen ableitbar, die insbesondere<br />

das angemessene Fütterungsmanagement und die strenge<br />

Geburtshygiene betreffen. Die Resultate liefern weitere Beweise für<br />

immunmodulierende Glukokortikoidwirkungen, jedoch nicht nur<br />

immunsuppressiver, sondern auch immunprotektiver Art. So konnte<br />

gezeigt werden, dass Glukokortikoide die Wanderung der neutrophilen<br />

Granulozyten in die Gebärmutter nicht stören und damit nicht<br />

zwangsläufig die Empfänglichkeit der Tiere für eine uterine bakterielle<br />

Infektion erhöhen. Vielmehr begünstigen sie eine Akkumulation<br />

von Granulozyten im Entzündungsgebiet.<br />

11


12<br />

Bettina Zingrebe, Melanie Köllmann, Erich Klug<br />

Endogene Androgene<br />

Die wichtigsten körpereigenen Androgene sind neben Testosteron<br />

5-alpha Dihydrotestosteron sowie Dehydroepiandrostenon und 4-<br />

Androsten-3,17-dion. Hauptsyntheseort der endogenen Androgene<br />

sind neben der Nebennierenrinde und dem Ovar vor allem die Leydigschen<br />

Zwischenzellen des Hodens. Das beim Mann 90% der<br />

körpereigenen Androgene ausmachende Testosteron wird in den<br />

meisten Geweben durch ein Enzym erst in das eigentlich wirksame<br />

5-alpha Dihydrotestosteron umgewandelt.<br />

Wirkung von Androgenen<br />

Sexualunspezifische Wirkungen<br />

- Zunahme der Muskelmasse durch erhöhte Stickstoffretention,<br />

damit einher geht eine proteinanabole Wirkung<br />

- Zunahme des Körpergewichts<br />

- Vermehrtes Knochenwachstum durch verstärkte Kalzium-Einlagerung<br />

(Zunahme der Knochendicke und vermehrtes Längenwachstum,<br />

insbesondere der Röhrenknochen beim juvenilen Tier)<br />

- Anregung der Erythropoese<br />

- Verstärkte Mukopolysacharidsynthese<br />

- Regulation der Funktion der Talgdrüsen, sowie Auswirkungen auf<br />

die Beschaffenheit der Haut<br />

- gesenkter Blutspiegel von Cholesterol, freien Fettsäuren, Triglyceriden<br />

und Phospholipiden<br />

- „psychische Effekte“ wie Appetitsteigerung, vermehrte Aggressivität<br />

und „will to win“<br />

sexualspezifische Wirkungen<br />

- Ausprägung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale<br />

Therapeutisch kommen Androgene in der Humanmedizin bei Hypogonadismus,<br />

zur generellen Stoffwechselanregung in Rekonvaleszenzphasen,<br />

nach schweren Operationen oder auch zur Appetitsteigerung<br />

und bei Muskeldystrophie zum Einsatz.<br />

Klinik für Pferde der TiHo<br />

Detektion und Auswirkungen anabol wirksamer<br />

Substanzen an peripubertären Pferdehengsten<br />

Zusammenfassung<br />

Die so genannten Anabolika sind (halb)synthetische Verwandte<br />

des androgenen Steroids Testosteron. Um ihre Bedeutung bei der<br />

missbräuchlichen Anwendung im Leistungssport bei Mensch und<br />

Tier sowie in der Aufzucht von Tieren verstehen zu können, ist<br />

zunächst ein Exkurs in die Pharmakologie des Testosterons<br />

notwendig. Aus diesem Kontext erklären sich auch die negativen<br />

Auswirkungen, die hier in den Vordergrund gestellt werden sollen.<br />

Summary<br />

Anabolic drugs are (semi-)synthetic derivates of the androgenic<br />

steroid testosterone. Thorough knowledge of the pharmacology<br />

of testosterone is required both for better understanding of the<br />

relevance of anabolic drugs in drug abuse in high-level sports in<br />

both humans and animals as well as for the breeding and care of<br />

equine athletes. This knowledge will make it possible to explain<br />

the negative side effects of anabolic drugs.<br />

Infolge der (therapeutischen) Anwendung von Androgenen wurden<br />

jedoch auch Nebenwirkungen wie ein frühzeitiger Epiphysenschluss<br />

beim Heranwachsenden, Leberfunktionsstörungen, Maskulinisierungssyndrom<br />

bei Frauen sowie eine Hemmung der Partialfunktion<br />

der Hypophyse mit Störungen der Hodenfunktion (Verringerung<br />

der Spermatozoenzahl, -qualität und -beweglichkeit, Reduktion<br />

der Hodengröße) festgestellt.<br />

Abb. 1: Strukturformel von Testosteron und einigen im Pferdesport verbotenerweise<br />

eingesetzten anabolen Steroiden


Abb. 2: Schema eines durch Applikation eines GnRH-Analogons stimulierbaren<br />

Testosteronbasalwertes im Gegensatz zu einem niedrigen, nicht stimulierbaren<br />

Testosteronwert eines Hengstes durch Anabolika-Einsatz (aus Untersuchungen<br />

der Klinik für Pferde, TiHo Hannover ermittelt, bislang unveröffentlicht)<br />

Anabolika, anabole Steroide und Doping<br />

Besonders die anabolen (griechisch: ana: auf, ballein: werfen, etwa:<br />

den Aufbaustoffwechsel fördernder Wirkstoff) Effekte der Androgene<br />

sind es, die schon in den 1950er Jahren zum Einsatz dieser Hormone<br />

bei Hochleistungssportlern geführt haben. Schon kurze Zeit<br />

später war der Einsatz auch in der Aufzucht von Masttieren nicht<br />

unüblich und wurde vermehrt im Pferdespring- und Rennsport eingesetzt.<br />

Durch unterschiedliche chemische Modifikationen am Testosteronmolekül,<br />

die insbesondere die androgenen Nebenwirkungen<br />

der Stoffe reduzieren sollten, wurde die Stoffgruppe der<br />

(halb)synthetischen Steroide oder Anabolika „geboren“.<br />

Trotz des Verbots anabole Steroide bei Tieren, die der Fleischgewinnung<br />

dienen, einzusetzen sowie die Aufnahme dieser Stoffe in<br />

die Dopinglisten der Pferdesportverbände, zeigte sich in jüngster<br />

Zeit, dass der Einsatz von Anabolika nicht nur im Pferdeleistungssport<br />

ein ernst zu nehmendes Problem darstellt. Auch in der Pferdezucht,<br />

insbesondere in der Jungpferdeaufzucht in Vorbereitung<br />

auf den Verkauf oder Auktionen, hat der Einsatz der verbotenen<br />

Stoffe Einzug gehalten. Die drei- bis vierjährig zum Verkauf angebotenen<br />

Tiere sollen zu diesem Zeitpunkt einen möglichst weit entwickelten<br />

Eindruck erwecken. Dazu werden den Tieren anabol wirkende<br />

Substanzen verabreicht. Der Einsatz der Substanzen erfolgt<br />

vom Absetzen bis zu einem Zeitpunkt vor dem möglichen Verkauf.<br />

Unabhängig von den Bestimmungen der einzelnen Pferdesportverbände,<br />

die auf sportethischen Gedanken beruhen, ist Doping auch<br />

im Tierschutzgesetz selbst geregelt (TIERSCHUTZGESETZ 1998).<br />

Dort heißt es in § 3: Es ist verboten, 5. ein Tier auszubilden, sofern<br />

damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden<br />

sind, 11. an einem Tier bei sportlichen Wettkämpfen oder<br />

ähnlichen Veranstaltungen Dopingmittel anzuwenden. Nicht zuletzt<br />

ist es auch seit 1998 nach § 6a des Arzneimittelgesetzes ausdrücklich<br />

verboten, Arzneimittel zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr<br />

zu bringen, zu verschreiben oder anzuwenden (ARZNEIMIT-<br />

TELGESETZ 1976).<br />

Durch die Entwicklung anaboler Steroide sollte eine Reduktion der<br />

androgenen Wirkung erzielt werden. Eine vollkommene Trennung<br />

der anabolen von der androgenen Wirkungskomponente gelang<br />

Klinik für Pferde der TiHo<br />

jedoch bei den anabolen Steroiden nicht, so dass oben erwähnte<br />

Nebenwirkungen auch bei einem Einsatz von Anabolika bei Pferden<br />

auftreten.<br />

Anabole Steroide beim Junghengst<br />

Auch bei Junghengsten zeigte die Anwendung anaboler Steroide in<br />

Form von androgenen Nebenwirkungen deutlich negative Folgen:<br />

Es konnten in mehreren Studien neben einer starken Reduktion des<br />

Hodenumfanges und -gewichtes eine signifikante Abnahme der LH-<br />

Konzentration (Luteinisierendes Hormon) im Serum durch negative<br />

Rückkopplung zur Hypophyse sowie eine stark herabgesetzte<br />

Samenqualität nachgewiesen werden.<br />

Nach den bisherigen Erfahrungen in der Klinik für Pferde der TiHo<br />

werden gehäuft Junghengste zur Zuchttauglichkeitsuntersuchung<br />

vorgestellt, die durch eine verminderte Befruchtungsleistung auffallen.<br />

Bei diesen Junghengsten steht oftmals eine Mikrorchie, einhergehend<br />

mit einer verminderten Samenbeschaffenheit (Dysspermie)<br />

im Vordergrund der abweichenden Befunde. In den meisten der hier<br />

beschriebenen Fälle kann die Ursache für diese Symptome mit Hilfe<br />

der bisherigen andrologischen Untersuchungsmethoden nicht festgestellt<br />

werden.<br />

Im Zusammenhang mit Symptomen wie Hodendegeneration bzw.<br />

Hypoplasie wird häufig ihre Ätiologie diskutiert. Als mögliche Ursache<br />

für diese Befunde wird in der Literatur die Anwendung von anabolwirksamen<br />

Steroiden angegeben. Bislang konnte diese Vermutung<br />

aber noch nicht eindeutig verifiziert werden. Da vermutet wird,<br />

dass anabole Steroide auch in der Pferdepraxis und in der Hengstaufzucht<br />

eingesetzt werden, und beim Menschen die negative Wirkung<br />

der Anabolika auf die Fertilität beschrieben wurde, werden von<br />

den Ergebnissen der hier vorgestellten Studie grundlegende Daten<br />

für die andrologische Bewertung und Prognose von Hengsten, die<br />

neu in der Zucht eingesetzt werden, erwartet.<br />

In der geplanten wissenschaftlichen Arbeit soll durch gezielte und<br />

kontrollierte Anabolika-Verabreichung der Effekt der Substanzen<br />

auf Hodengröße und -gewicht ermittelt werden. Weiter soll das<br />

ultrasonographische Erscheinungsbild der Hoden mit der Graustu-<br />

Abb. 3: Foto eines Junghengstes mit Mikrorchie<br />

(Klinik für Pferde, TiHo Hannover)<br />

13


fenanalyse betrachtet werden und<br />

endokrinologische Regelmechanismen<br />

sowie histologische Veränderungen im<br />

Hodenparenchym durch Hodenbiopsien<br />

an einer Versuchs- und einer Kontrollgruppe<br />

von Junghengsten ermittelt<br />

werden.<br />

Die Hodenmaße (Gewicht und Größe)<br />

wurden bislang in allen durchgeführten<br />

Studien durch die einseitige Kastration<br />

der Tiere ermittelt. Die Spermiogeneseleistung<br />

wurde in histologischen Untersuchungen<br />

an den kastrierten Hoden<br />

oder mittels Ejakulatgewinnung durchgeführt.<br />

Die Methode der Kastration ist<br />

nur für wissenschaftliche Studien praktikabel,<br />

zur Diagnosefindung in der<br />

Praxis und Untersuchung am Zuchthengst<br />

allerdings ungeeignet.<br />

Ein Ziel der Arbeit ist es, die Darstellung der histologischen Befunde,<br />

die in früheren Studien mittels einseitiger Kastration erfolgten<br />

anhand von repräsentativen Biopsien zu evaluieren und so eine differenzierte<br />

Bewertung der Spermiogeneseleistung auch am Zuchthengst<br />

zu ermöglichen.<br />

Klinik für Pferde der TiHo<br />

Weiterhin soll ein eindeutiger<br />

Zusammenhang zwischen<br />

Detektion der Substanzen<br />

und klinisch-histologischen<br />

Abweichungen durch eine an<br />

der Stiftung Tierärztliche<br />

<strong>Hochschule</strong> Hannover etablierte<br />

(SCHLUPP) Haarproben-Analysen<br />

erbracht werden.<br />

Nur durch eine enge<br />

Zusammenarbeit mit dem<br />

Institut für Veterinär-Pathologie<br />

der Veterinärmedizinischen<br />

Fakultät der Universität<br />

Leipzig (Heinz-Adolf<br />

Schoon), dem Institut für<br />

Chemische Analytik und<br />

Endokrinologie der TiHo<br />

Abb. 4: Ultrasonogramm eines mikrorchen Hodens, diffuse hyperechogene<br />

Bereiche im Hodenparenchym (Klinik für Pferde, TiHo Hannover) (Hans-Otto Hoppen) und dem<br />

Institut für Dopinganalytik und<br />

Sportbiochemie in Kreischa<br />

(Rudhard Klaus Müller) ist es möglich die Ergebnisse aus verschiedenen<br />

Blickrichtungen zu beleuchten und damit durch eine Harmonisierung<br />

der verschiedenen Fachrichtungen zu einer gemeinsamen<br />

Bewertung der Befunde von subfertilen Junghengsten mit dem<br />

Verdacht auf anabolikabedingte Subfertilität zu kommen.<br />

German Genetics International GmbH<br />

GGI German Genetics International GmbH ist die Export- und<br />

Marketingorganisation von 11 der wichtigsten, deutschen<br />

Zuchtorganisationen, die hauptsächlich Holstein und Red Holstein Genetik<br />

liefern. Wir bieten den Züchtern aus aller Welt einen direkten und<br />

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Das genetische Potenzial der GGI-Bullen reflektiert in hervorragender<br />

Weise die deutsche Zuchtphilosophie: Sehr hohe Milchleistung, bestes<br />

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Ablauf der Befruchtung<br />

Damit ein Hengst erfolgreich in der Zucht eingesetzt werden kann,<br />

muss er neben anderen Voraussetzungen natürlich fruchtbar sein.<br />

Für eine erfolgreiche Fortpflanzung muss der Hengst hierzu<br />

zunächst korrekt ausgebildete Hoden aufweisen, in denen die frühen<br />

Schritte der Spermienproduktion ablaufen (Abb. 1). In den<br />

Samenkanälchen der Hoden befinden sich die Vorläuferzellen für<br />

die Spermienproduktion, die so genannten Spermatogonien, die<br />

noch, genauso wie fast alle anderen Körperzellen, einen doppelten<br />

Satz an Erbanlagen aufweisen (diploide Zellen). Für die Spermienproduktion<br />

werden aus den relativ wenigen Spermatogonien durch<br />

Zellteilung ständig große Mengen an Spermatocyten, welche über<br />

cytoplasmatische Brücken untereinander verbunden sind, gebildet.<br />

In den zwei Teilungsschritten der Meiose werden aus den Spermatocyten<br />

die so genannten Spermatiden gebildet. Spermatide sind<br />

kleine runde Zellen, die anders als die Spermatogonien oder Spermatocyten<br />

nur noch einen einfachen Satz an Erbanlagen tragen.<br />

Dies ist charakteristisch für Keimzellen (haploide Zellen). Ebenfalls<br />

noch im Hoden differenzieren die Spermatiden zu Spermien aus.<br />

Dabei wird die DNA der Spermien mit besonderen Schutzproteinen<br />

extrem dicht verpackt und die charakteristische Morphologie der<br />

Spermien mit Kopf, Mittelstück und Schwanz bildet sich aus. Am<br />

Ende dieser Differenzierungsprozesse im Hoden sind die Spermien<br />

aber immer noch unbeweglich und unter natürlichen Bedingungen<br />

nicht in der Lage, eine Eizelle zu befruchten. Die Spermien werden<br />

schließlich vom Hoden in den Nebenhoden transportiert, wo die<br />

Spermienreifung stattfindet und die Spermien ihre Befruchtungsfähigkeit<br />

erlangen. Bei der Passage durch den Nebenhoden verändert<br />

sich unter anderem die Zusammensetzung der Spermienhülle.<br />

Zu diesen Veränderungen gehört die Bindung verschiedener vom<br />

Nebenhoden sezernierter Proteinen an die Spermienoberfläche.<br />

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Tosso Leeb, Rony Jude, Henning Hamann, Ottmar Distl, Harald Sieme, Edda Töpfer-Petersen<br />

Molekulargenetische Untersuchungen zur<br />

Fruchtbarkeit von Hengsten<br />

Zusammenfassung<br />

Die Fruchtbarkeit von Hengsten wird durch ein komplexes<br />

Zusammenspiel aus Umweltfaktoren und genetischen Einflüssen<br />

bestimmt. Die zunehmende Verbreitung der künstlichen<br />

Besamung in der Warmblutzucht führt zu einer Reduktion der<br />

Anzahl der Zuchthengste und gleichzeitig zu einer Reduktion der<br />

umweltbedingten Schwankungen der Hengstfruchtbarkeit.<br />

Dadurch werden nun auch Untersuchungen zur Genetik der<br />

Hengstfruchtbarkeit möglich. In einem aktuellen Projekt werden<br />

Gene für die CRISP Proteine, einer Hauptkomponente des Seminalplasmas<br />

von Hengsten, untersucht. Dabei wird analysiert,<br />

ob bestimmte Genvarianten mit einer besonders hohen oder<br />

niedrigen Reproduktionsleistung korrelieren.<br />

Summary<br />

Stallion fertility is influenced by complex interactions between<br />

environmental and genetic factors. The increasing use of artificial<br />

insemination in the breeding of riding horses leads to a decrease<br />

in the number of breeding stallions and simultaneously to a<br />

reduction in the environmentally caused variance in stallion fertility.<br />

These developments facilitate the analysis of the genetic<br />

determinants of stallion fertility. The genes for CRISP proteins are<br />

the focus of a current research project. CRISP proteins represent<br />

a major fraction of stallion seminal plasma. This project investigates<br />

whether specific genetic variants are correlated with high or<br />

low reproductive performance.<br />

Genetik der Fruchtbarkeit<br />

Insbesondere durch Untersuchungen an Menschen und Mäusen<br />

sind heute weit über hundert genetische Mechanismen bekannt, die<br />

die Fruchtbarkeit beeinflussen. Hierzu zählen genetische Veränderungen,<br />

die ganze Chromosomen betreffen, wie z.B. das Klinefelter<br />

Syndrom, bei dem zwei X-Chromosomen und ein Y-Chromosom in<br />

den Zellen vorliegen (XXY) oder das Turner Syndrom, bei dem nur<br />

ein X-Chromosom in allen Zellen vorhanden ist (X0). Solche Chromosomenanomalien<br />

beeinträchtigen die korrekte Verteilung der<br />

Chromosomen während der Meiose und führen daher im Allgemeinen<br />

zur vollständigen Unfruchtbarkeit.<br />

Ebenso sind zahlreiche Mutationen einzelner Gene bekannt, die<br />

frühe Schritte der Geschlechtsentwicklung oder der Spermienproduktion<br />

beeinträchtigen, und die typischerweise ebenfalls zur vollständigen<br />

Unfruchtbarkeit führen. Beispielsweise führen Mutationen<br />

im Gen für den Androgenrezeptor, welcher die Wirkung des männlichen<br />

Geschlechtshormons Testosteron vermittelt, zur so genannten<br />

testikulären Feminisierung. Hengste, die eine derartige Mutation<br />

tragen, entwickeln die äußeren Geschlechtsmerkmale einer<br />

Stute, weisen jedoch Hoden in der Bauchhöhle auf. Diese Pferde,<br />

die zunächst für Stuten gehalten werden, sind unfruchtbar und weisen<br />

ein hengsttypisches aggressives Verhalten auf, das durch die<br />

chirurgische Entfernung der Hoden korrigiert werden kann.<br />

In der Pferdezucht gilt das Interesse neben den genetischen<br />

Mechanismen, die zur Unfruchtbarkeit führen, vor allem jenen<br />

genetischen Variationen, die bei grundsätzlich fertilen Hengsten zu<br />

quantitativen Schwankungen in der Reproduktionsleistung führen.<br />

Der zunehmende Einsatz der künstlichen Besamung führt dazu,<br />

dass relativ wenige Hengste, die ohne Berücksichtigung ihrer<br />

Fruchtbarkeitsleistung, ausschließlich aufgrund ihres Exterieurs<br />

und ihrer Leistung im Reitsport selektiert werden, sehr intensiv in<br />

15


16<br />

der Zucht genutzt werden und sehr viele Nachkommen bekommen<br />

(Abb. 2). Natürlich möchte man aber nur solche Hengste für die<br />

künstliche Besamung einsetzen, die uneingeschränkt fertil sind und<br />

eine gleichmäßig hohe Spermienqualität aufweisen. Im Vergleich zu<br />

anderen Nutztierarten weisen die Erfolgsraten der künstlichen<br />

Besamung bei Pferden große Schwankungen auf und sind deutlich<br />

schlechter als zum Beispiel bei Rindern oder Schweinen.<br />

Es ist für die Pferdezucht von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung,<br />

wenn aus dem Sperma eines Spitzenhengstes möglichst viele<br />

Spermaportionen für die künstliche Besamung gewonnen werden<br />

können, d.h. es wird versucht, die Anzahl der Spermien pro Spermaportion<br />

möglichst niedrig einzustellen. Gerade im Zuge dieser<br />

Entwicklung zeigt sich jedoch, dass es bei verschiedenen Hengsten<br />

Schwankungen in den Befruchtungsfähigkeiten der Spermien gibt.<br />

Diese Unterschiede fallen bei natürlichen Bedeckungen nicht so<br />

sehr ins Gewicht, da der Hengst beim Natursprung eine sehr große<br />

Anzahl von Spermien auf die Stute überträgt, so dass die hohe<br />

Menge an Spermien kleinere Beeinträchtigungen der Spermienqualität<br />

kompensieren kann. Es kann daher passieren, dass ein Hengst<br />

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Abb. 1: Schematische Darstellung der Abläufe bei der Differenzierung von Spermien im männlichen<br />

Geschlechtsapparat. Im Hoden befinden sich mit den Spermatogonien die Stammzellen der Spermienproduktion.<br />

Durch mitotische Zellteilungen entstehen aus den Spermatogonien Spermatocyten, welche über<br />

cytoplasmatische Brücken verbunden bleiben. Nach der Meiose, bei der aus jedem Spermatocyt insgesamt<br />

vier Spermatiden entstehen, enthalten die Zellen nur noch einen haploiden Satz an Chromosomen. Immer<br />

noch im Hoden differenzieren die Spermatide zu unreifen Spermien, welche in den Nebenhoden transportiert<br />

werden. Dort und bei der weiteren Passage durch den Genitaltrakt lagern sich Proteine aus dem Seminalplasma<br />

an die Spermienoberfläche, welche zur Spermienreifung beitragen und somit eine wichtige Rolle<br />

für die Befruchtungsfähigkeit spielen. Im rechten Teil der Abbildung sind einige der über 100 Gene aufgelistet,<br />

von denen man heute weiß, dass sie für die männliche Fruchtbarkeit wichtig sind.<br />

im Natursprung eine völlig normale Fruchtbarkeit<br />

zeigt und erst bei seinem Einsatz in<br />

der künstlichen Besamung unterdurchschnittliche<br />

Befruchtungserfolge verzeichnet<br />

werden. Neben der Anzahl der Spermien<br />

haben unter den Bedingungen der Samenübertragung<br />

insbesondere auch die Spermienalterung<br />

und die Konfektionsform<br />

(Frisch-, Tiefgefriersperma) einen wichtigen<br />

Einfluss auf das Fertilitätsergebnis. Aufgrund<br />

der zunehmenden Bedeutung der Spermaqualität<br />

in der künstlichen Besamung<br />

erscheint es besonders wichtig, in Ergänzung<br />

zu modernen spermatologisch-diagnostischen<br />

Verfahren auch genetische<br />

Mechanismen zu untersuchen, die einen<br />

Einfluss auf die Befruchtungsfähigkeit von<br />

Hengstsperma haben.<br />

Untersuchung der CRISP Gene<br />

In dem Forschungsprojekt, das gemeinsam<br />

vom Institut für Reproduktionsmedizin, dem<br />

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung<br />

und dem Landgestüt Celle durchgeführt<br />

wird, ist die systematische Untersuchung<br />

von fortpflanzungsrelevanten Genen<br />

geplant. Derzeit konzentrieren sich die<br />

Untersuchungen dabei vor allem auf Gene,<br />

die die Spermienreifung und die Wechselwirkungen<br />

der Spermien mit dem weiblichen<br />

Genitaltrakt beeinflussen. Hierzu werden am<br />

Institut für Reproduktionsmedizin Proteine<br />

aus der Spermaflüssigkeit isoliert und biochemisch<br />

charakterisiert. Nach der biochemischen<br />

Charakterisierung der isolierten<br />

Proteine beginnt die molekularbiologische<br />

Charakterisierung der zugehörigen Gene.<br />

Abb. 2: Gewinnung von Samen für die künstliche Besamung von einem Hengst.<br />

Der Hengst springt auf ein so genanntes Phantom, welches die charakteristische<br />

Silhouette einer Stute aufweist. Ein Besamungstechniker benutzt eine künstliche<br />

Scheide, um den Samen aufzufangen. Der gewonnene Samen wird anschließend<br />

spermatologisch untersucht, mit Verdünner auf eine definierte Spermienkonzentration<br />

eingestellt und in Portionen für die künstliche Besamung aufgeteilt.


Hierfür werden die mRNA-Moleküle für die Proteine entschlüsselt.<br />

Die Kenntnis der mRNA-Sequenz ist dann wiederum der Ausgangspunkt<br />

für die Bestimmung der genomischen DNA-Sequenz der<br />

zugehörigen Gene, welche am Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung<br />

durchgeführt wird. Am Ende dieser drei ersten<br />

Schritte liegen somit Daten über die untersuchten Gene auf DNA-,<br />

mRNA-, und Proteinebene vor.<br />

Die ersten Gene, die von uns auf diese umfassende Weise charakterisiert<br />

wurden, waren die Gene für die Cystein-reichen sekretorischen<br />

Proteine (CRISP) beim Pferd. Unsere Untersuchungen ergaben,<br />

dass das Pferd zwar genauso wie der Mensch oder die Maus<br />

drei CRISP Gene besitzt. Im Gegensatz zu allen anderen bisher<br />

untersuchten Säugetierarten bildet der Hengst jedoch sehr große<br />

Mengen des CRISP3 Proteins in den akzessorischen Geschlechtsdrüsen.<br />

Dies könnte ein erster Hinweis auf eine besondere tierartspezifische<br />

Funktion von CRISP3 beim Pferd sein. Die Beobachtung,<br />

dass auf der Oberfläche der Spermien eines subfertilen<br />

Hengstes deutlich weniger CRISP Proteine zu finden waren als auf<br />

den Spermien von normal fertilen Hengsten, ist ein weiteres Indiz<br />

für die mögliche Bedeutung der CRISP Proteine im Befruchtungsgeschehen.<br />

Inzwischen wurden die DNA-Sequenzen der drei CRISP Gene von<br />

über 100 Hengsten des Niedersächsischen Landgestüts Celle<br />

untersucht. Dabei zeigte sich im Vergleich zu anderen Genen eine<br />

besonders hohe Variabilität der CRISP Gene. Insgesamt konnten in<br />

den drei CRISP Genen etwa 100 Sequenzvariationen aufgespürt<br />

werden, von denen sechs auch Veränderungen in den Proteinsequenzen<br />

der CRISP Proteine bewirken (Abb. 3).<br />

Im nächsten Schritt des Projekts wird derzeit untersucht, ob die<br />

gefundenen Variationen in den CRISP Genen mit der Spermaqualität<br />

in Zusammenhang stehen. Hierzu werden die oben erwähnten<br />

DNA-Sequenzen der CRISP Gene von Besamungshengsten des<br />

Niedersächsischen Landgestüts bestimmt (Genotyp). Gleichzeitig<br />

werden von diesen Hengsten die Daten über alle Bedeckungen<br />

inerhalb von sechs Jahren ausgewertet, um einen Anhaltspunkt<br />

über die Besamungserfolge der einzelnen Hengste zu gewinnen<br />

(Phänotyp). Im Rahmen einer Assoziationsstudie werden dann<br />

Genotyp und Phänotyp der Hengste verglichen und es wird untersucht,<br />

ob bestimmte genetische Varianten der CRISP Gene gehäuft<br />

bei Hengsten mit besonders guten oder schlechten Besamungsergebnissen<br />

auftreten. Erste Ergebnisse unserer Arbeiten deuten<br />

inzwischen tatsächlich darauf hin, dass bestimmte Varianten der<br />

CRISP Gene die Hengstfertilität beeinflussen. Sollten sich diese<br />

vorläufigen Ergebnisse bestätigen, so könnte ein Gentest entwickelt<br />

werden, der die Beurteilung der Spermaqualität von Hengsten verbessern<br />

wird. Ein großer Vorteil eines solchen Gentests besteht<br />

darin, dass der Test schon beim Fohlen durchgeführt werden kann<br />

und man nicht erst die Geschlechtsreife oder gar den Zuchteinsatz<br />

eines Hengstes abwarten muss.<br />

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Abb. 3: Genotypisierung von Hengsten an einer DNA-Sequenzvariation. (A)<br />

Schematische Darstellung des Nachweisverfahrens. Der Test dient dazu, die<br />

DNA-Sequenz einer vorher bekannten variablen Stelle zu bestimmen. In dem<br />

konkreten Beispiel ist ein DNA-Ausschnitt eines Hengstes dargestellt, bei dem<br />

an einer Position entweder der Baustein A oder der Baustein G stehen kann.<br />

Falls die variable Position ein A ist, enthält die Sequenz an dieser Stelle eine<br />

Erkennungssequenz für das Restriktionsenzym DdeI, welches DNA an bestimmten<br />

Erkennungssequenzen zerschneidet. Falls an der variablen Stelle der Baustein<br />

G steht, dann entspricht die Sequenz in diesem Bereich nicht der DdeI<br />

Erkennungssequenz. Etwas weiter rechts von dieser fakultativen DdeI Erkennungssequenz<br />

befindet sich noch eine konstitutive Schnittstelle für DdeI, die bei<br />

allen Pferden immer konstant vorhanden ist. Zur Bestimmung des Genotyps wird<br />

ein 300 Basenpaare (300 bp) langes DNA-Fragment mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion<br />

(PCR) selektiv vermehrt und anschließend mit dem Restriktionsenzym<br />

DdeI gespalten. Die zwei verschiedenen Allele ergeben dabei unterschiedliche<br />

Fragmentmuster, die schematisch angedeutet sind. (B) Darstellung<br />

eines Agarosegels, bei dem nach einer Gelelektrophorese die DNA-Fragmente<br />

des Experiments ihrer Größe nach aufgetrennt wurden. In den vier Spuren (1-4)<br />

sind vier verschiedene Hengste untersucht worden. Anhand der unterschiedlichen<br />

Bandenmuster lässt sich der Genotyp eindeutig zuordnen (A/A – homozygot<br />

A; A/G – heterozygot A/G; G/G – homozygot G).<br />

17


18<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Institut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig<br />

Klinik für Pferde der TiHo<br />

Harald Sieme, Doris Schoon, Magali Quetin, Erich Klug, Heinz-Adolf Schoon<br />

Einfluss von Inseminatkomponenten auf den<br />

Uterus und die Fertilität der Stute<br />

Zusammenfassung<br />

Jede Bedeckung oder Besamung hat, vermittelt durch komplexe<br />

Interaktionen zwischen zellulärer und humoraler Immunantwort<br />

(neutrophile Granulozyten, Immunglobuline, Komplement) sowie<br />

mechanischer Clearance (myometriale Kontraktionen) eine physiologische<br />

transiente Endometritis bei der Stute zur Folge. Die<br />

Bedeutung dieses Entzündungsgeschehens für das Fertilitätsergebnis<br />

wird kontrovers diskutiert.<br />

Der Einfluss isolierter Inseminatkomponenten (Spermien, Seminalplasma,<br />

Verdünner) nach intrauteriner Applikation auf das<br />

Auftreten von neutrophilen Granulozyten und weiterer Entzündungszellen,<br />

wie Makrophagen, Lymphozyten, Plasmazellen,<br />

eosinophile Granulozyten und Mastzellen, wurde in einem<br />

aktuellen Projekt anhand von Endometriumbioptaten östrischer<br />

Stuten erfasst. Im Ergebnis waren die Einzelkomponenten des<br />

Inseminates, bezogen auf die Zelldichte der neutrophilen Granulozyten,<br />

IgA-produzierender Plasmazellen und Makrophagen<br />

graduell und temporär unterschiedlich am Entzündungsgeschehen<br />

beteiligt. Die gewonnenen Erkenntnisse werden hinsichtlich<br />

der Ätiopathogenese und Bedeutung für das Fertilitätsergebnis<br />

erläutert.<br />

Vorgänge im Genitaltrakt der Stute nach<br />

Bedeckung/Besamung<br />

Damit eine erfolgreiche Vereinigung der Gameten im Eileiter stattfinden<br />

kann, muss vorher eine Reihe von Prozessen in einer präzise<br />

abgestimmten, zeitlichen Reihenfolge ablaufen. Neben der<br />

Anzahl befruchtungspotenter Spermien werden in diesem Zusammenhang<br />

der Bedeckungs-/Inseminationszeitpunkt, die -frequenz<br />

und das -intervall als wesentliche, limitierende Faktoren hinsichtlich<br />

des Befruchtungserfolges angesehen. Die Überlebensdauer männlicher<br />

Gameten im Genitaltrakt der Stute variiert sehr deutlich zwischen<br />

den Hengsten (24 Stunden - 6 Tage). Die Lebensdauer der<br />

Eizelle hingegen nimmt mit zunehmendem Abstand zur Ovulation<br />

kontinuierlich ab. In den Gebärmutterkörper eingebrachte Spermien<br />

erreichen schon nach relativ kurzer Zeit die Uterushornspitze und<br />

stehen in einer spezifischen Anordnung zu den epithelialen Strukturen<br />

der uterotubalen Verbindung. Deutlicher als durch die individuelle<br />

Progressivität der Spermien wird die Verteilung im weiblichen<br />

Genitale jedoch durch eine Uterusmotilitätssteigerung im Zuge der<br />

Interaktion mit dem Inseminat beeinflusst. Der Spermientransport<br />

gilt 4 Stunden nach Bedeckung oder Besamung als abgeschlossen.<br />

Nach erfolgreicher Befruchtung gelangt der Embryo ~6 Tage post<br />

ovulationem in die Gebärmutter.<br />

Summary<br />

In the mare, breeding, whether natural or artificial, leads to a transient<br />

physiological endometritis due to complex interactions<br />

between the cellular and lymphatic immune response (the neutrophils,<br />

immunoglobulins, the complement system) and to<br />

mechanical clearance (myometrial contractions). There is as yet<br />

no consensus about the significance of this inflammatory process<br />

for fertilization.<br />

The present project used endometrial biopsies from mares in<br />

estrus to study the effects of intrauterine application of isolated<br />

inseminate components (sperm, seminal plasma and extender)<br />

on the occurrence of neutrophils and other inflammatory cells:<br />

macrophages, lymphocytes, plasma cells, eosinophils and mast<br />

cells. The results showed that the different involvement of individual<br />

components of the inseminate to different degrees and at different<br />

times influenced the cell density of neutrophils, IGA-producing<br />

plasma cells, and macrophages. These phenomena are<br />

discussed in terms of their etiopathogenesis and their relevance<br />

for fertility.<br />

Entzündung des Endometriums nach<br />

Bedeckung/Besamung („post-breeding induced<br />

Endometritis“, PBIE)<br />

Als Endometritis werden alle entzündlichen Prozesse des Endometriums<br />

bezeichnet, die qualitativ sowie quantitativ über die physiologische<br />

zyklische Selbstreinigung hinausgehen, unabhängig von<br />

ihrer Ätiologie. Es handelt sich um Infiltrationen freier Zellen in der<br />

Uterusschleimhaut, die durch den vorkommenden Zelltyp, die Lokalisation,<br />

die Verteilung der Infiltrate sowie den Grad der Infiltration<br />

charakterisiert werden. Die Beurteilung des Schweregrades der<br />

Entzündung erfolgt unter Berücksichtigung der Ausdehnung und<br />

Verteilung der zellulären Infiltrate innerhalb des Endometriums.<br />

Jede Bedeckung/Besamung löst bei der Stute eine akute entzündliche<br />

Reaktion des Endometriums aus. Eine ähnliche Entzündung<br />

kann bei Ratten, Mäusen und Kaninchen sowie bei Frauen in der<br />

Schleimhaut der Vagina beobachtet werden.<br />

Diese Endometritis (post-breeding induced Endometritis, PBIE) ist<br />

physiologischerweise transient. Durch komplexe Interaktionen zwischen<br />

zellulärer und humoraler Immunantwort (neutrophile Granulozyten,<br />

Immunglobuline, Komplement) und mechanischer Clearance<br />

(myometriale Kontraktionen) ist der Entzündungsprozess innerhalb<br />

von 48 bis 72 Stunden abgeschlossen. Bei der persistierenden<br />

Endometritis handelt es sich um einen entzündlichen Vorgang des<br />

Endometriums, der länger als 96 Stunden nach der Bedeckung


Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Institut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig<br />

Klinik für Pferde der TiHo<br />

Abb. 1: Rasterelektronenmikroskopische Darstellung der Emigration neutrophiler<br />

Granulozyten aus dem Uterusepithel in das Uteruslumen<br />

andauert. Pathomechanismen, die zur Persistenz der Endometritis<br />

führen, sind in zahlreichen Studien untersucht worden (s. Abb 2).<br />

Überwiegend wird eine Inkompetenz des uterusassoziierten<br />

Immunssystems nicht als kausaler Faktor angesehen.<br />

Als wesentlicher klinischer Indikator für das Vorliegen einer persistierenden<br />

Endometritis gilt die ultrasonographische Darstellung<br />

Abb. 2: Übersicht über die in der Literatur diskutierte Ätiopathogenese endometrialer Reaktionen nach<br />

Bedeckung/Besamung bei genitalgesunden („resistant“) und endometritisanfälligen („susceptible“)<br />

Stuten.<br />

einer Flüssigkeitsakkumulation mit einem Durchmesser von ≥2cm<br />

12-36 Stunden post inseminationem. Intrauterine Flüssigkeitsansammlungen<br />

können mit Fertilitätsstörungen verbunden sein, da<br />

der Pferdeembryo ~6 Tage post ovulationem vom Eileiter in ein entzündliches<br />

und damit nicht-rezeptives Uterusmilieu gelangt. Die fertilitätsmindernde<br />

Relevanz intrauteriner Flüssigkeitsansammlungen<br />

infolge Bedeckung oder Besamung wird in der Literatur kontrovers<br />

diskutiert. Als wesentliche Ursache für eine gestörte Fertilität gilt bei<br />

der Stute eine herabgesetzte Motilität des Uterus. Dies kann dazu<br />

führen, dass einerseits der Spermientransport in Richtung Eileiter<br />

gestört ist, andererseits die „uterine clearance“, d.h. die Entfernung<br />

überschüssiger Flüssigkeit und Zellmaterials aus dem Uterus nach<br />

einer Insemination herabgesetzt ist.<br />

Einfluss von Inseminatkomponenten (Spermien,<br />

Seminalplasma, Verdünner)<br />

Eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen beschäftigt sich mit der<br />

PBIE der Stute; entscheidend für eine differenzierte Beurteilung der<br />

teils widersprüchlichen Ergebnisse dieser Studien dürfte die<br />

Berücksichtigung der Untersuchungsparameter, der zeitlichen<br />

Abstände bei Verlaufsuntersuchungen sowie deren Anzahl und der<br />

Reproduktionsstatus der Versuchsstuten sein. Der überwiegende<br />

Anteil dieser Publikationen zur „uterinen clearance“ der Stute<br />

befasst sich mit Untersuchungen zur Uterusmotorik sowie der<br />

Erfassung der Anzahl aus Rückspülungen<br />

gewonnener, intraluminaler polymorphkerniger<br />

neutrophiler Granulozyten (PMN), einschließlich<br />

deren Funktionseigenschaften in-vitro.<br />

Zum Einfluss der Bedeckung/Besamung auf das<br />

Auftreten von PMN und weiterer Entzündungszellen,<br />

wie Makrophagen, Lymphozyten, Plasmazellen,<br />

eosinophilen Granulozyten und Mastzellen,<br />

im gesamten Endometrium der Stute ist nur<br />

wenig bekannt; dieser Aspekt wurde im Projekt<br />

der eigenen Arbeitsgruppe unter Berücksichtigung<br />

der Effekte isolierter Inseminatkomponenten<br />

(Spermien, Seminalplasma, Verdünner)<br />

untersucht.<br />

Am 17. Zyklustag wurde klinisch-genitalgesunden,<br />

östrischen Stuten einmalig intrauterin Aliquote<br />

von konstant 20 ml einer sterilen NaCl-<br />

Lösung (Kontrolle), Verdünner, Seminalplasma,<br />

seminalplasmafreie Spermiensuspension sowie<br />

ein Inseminat (verdünnte Spermaportion) appliziert.<br />

Endometriumbiopsieproben wurden zu den<br />

Zeitpunkten vor (0h), sowie 6-8h und 48 h nach<br />

intrauteriner Applikation gewonnen. Die Effekte<br />

der Inseminatkomponenten auf das Endometrium<br />

wurden durch histopathologische (Hämatoxylin-Eosin-Färbung),<br />

enzymhistochemische<br />

(Naphthol-AS-D-Chlorazetat-Esterase ClAE-Darstellung<br />

von PMN, 1-Naphthylazetat-Esterase<br />

(ANAE)-Darstellung von Makrophagen) und<br />

immunhistochemische (CD3-Rezeptoren der<br />

T-Lymphozyten, Darstellung IgG,A,M produzie-<br />

19


20<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Institut für Veterinär-Pathologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig<br />

Klinik für Pferde der TiHo<br />

Abb. 3: Unterschiede in der PMN-Dichte im Stratum compactum vor (0h), 6-8h<br />

und 48h nach intrauteriner Flüssigkeitsapplikation bei östrischen Warmblutstuten<br />

unter Berücksichtigung des endometrialen Ausgangszustandes (o.b.B.,<br />

Endometritis, Endometritis und Endometrose, Endometrose) (Mittelwertdarstellung,<br />

±SD)<br />

render Plasmazellen) Untersuchungsverfahren ermöglicht. Mikroskopisch<br />

wurden je nach Zelltyp 5-15 Gesichtsfelder im Stratum<br />

compactum inkl. luminalem Epithel sowie im Stratum spongiosum<br />

auf das Vorkommen von Entzündungszellen untersucht.<br />

Nach Auswertung der prae applicationem gewonnenen Bioptate<br />

(0 h) wurden die Stuten zunächst, unabhängig von ihrer Gruppenzuordnung,<br />

in vier verschiedene histopathologische „Klassen“ eingeteilt:<br />

Stuten mit ungeschädigtem Endometrium, mit Endometritissymptomen,<br />

mit Endometrose oder mit entzündlichen und fibrotischen<br />

Läsionen der Uterusschleimhaut. Dadurch wurde zusätzlich<br />

die Beeinflussung des initialen histopathologischen Endometriumzustandes<br />

auf den Reaktionsverlauf untersucht. Aus der Klassenverteilung<br />

konnte keine signifikante Veränderung des Reaktionsvorganges<br />

hinsichtlich der Infiltration mit PMN, Lymphozyten, Makrophagen<br />

sowie Mastzellen bei Stuten mit geschädigtem Endometrium<br />

im Vergleich zu gesunden Probanden festgestellt werden (s.<br />

Abb. 3). Durch eine vorab bestehende Endometritis war jedoch die<br />

Rekrutierung von IgA-Plasmazellen beeinträchtigt.<br />

Die entzündliche Reaktion der Uterusschleimhaut nach der Bedeckung/Besamung<br />

entspricht, wie in Abbildung 4 dargestellt, im<br />

pathohistologischen Kontext einer akuten katarrhalischen Endometritis,<br />

welche im Wesentlichen durch Infiltrate von PMN im Stratum<br />

compactum und im luminalen Epithel charakterisiert werden kann.<br />

Die intrauterine Applikation von Spermien, verdünntem Samen<br />

(Inseminat) sowie Seminalplasma verursachte einen signifikant größeren<br />

Anstieg der Infiltration mit PMN als die Applikation von Verdünner<br />

bzw. von Kochsalzlösung (Kontrolle). Diese Unterschiede<br />

werden zum einen als Effekte einer Wirkung von Spermatozoen<br />

und gewissen Faktoren des Seminalplasmas auf Chemotaxis, Vermittlung<br />

von Komplementfaktoren und Entzündungsmediatoren der<br />

PMN und zum anderen als Folge mechanischer Reize nach Applikation<br />

eines bestimmten Flüssigkeitsvolumens (Verdünner, Kochsalzlösung)<br />

auf die Schleimhaut interpretiert. Die Clearance erwies<br />

sich innerhalb von 48 Stunden als vergleichsweise verzögert bei<br />

Stuten der Seminalplasma- und Verdünnergruppe.<br />

0h<br />

6-8h<br />

48h<br />

Nach Applikation von Spermien, Inseminat sowie Kochsalzlösung<br />

(Kontrolle) waren über den Untersuchungszeitraum IgA-produzierende<br />

Plasmazellen signifikant vermehrt nachweisbar; im Gegensatz<br />

dazu bestimmten Makrophagen nach intrauteriner Applikation<br />

von Seminalplasma bzw. Verdünner das histologische Bild. Die<br />

Applikation von Verdünner führte möglicherweise auch zu einer<br />

intensivierten Degranulation von Mastzellen.<br />

Zusammenfassend sind bei der PBIE die Einzelkomponenten des<br />

Inseminates (Spermien, Seminalplasma, Verdünner), bezogen auf<br />

die Zelldichte der PMN, graduell und temporär unterschiedlich<br />

beteiligt. Die Rekrutierung von Lymphozyten, Plasmazellen, Makrophagen<br />

und Mastzellen könnte dahingehend gedeutet werden,<br />

dass möglicherweise auch bei der Stute die Konfrontation des<br />

Endometriums mit dem semiallogenetischem Material Hengstsperma<br />

nicht nur hinsichtlich uteriner Reparationsprozesse, sondern<br />

auch im Sinne einer immunomodulatorischen Auseinandersetzung<br />

im Verbund mit möglicherweise fertiltätsfördernden Effekten spezifischer<br />

Inseminatkomponenten (Seminalplasma) – wie bei Maus,<br />

Schwein und Mensch beschrieben – von Bedeutung sein könnte.<br />

Dies wird das Ziel weiterer Untersuchungen sein.<br />

Aus den bisher vorliegenden Erkenntnissen zur PBIE ergeben sich<br />

Notwendigkeiten zielgerichteter, weiterer Untersuchungen aber<br />

auch Hinweise für Anwendungsmöglichkeiten in der Praxis der Pferdezucht<br />

zur Verbesserung der Fertilitätsresultate der Stute; so<br />

befassen sich bereits publizierte und aktuelle Studien mit Verbesserungen<br />

des Besamungsmanagements und der Besamungstechnik<br />

via Beeinflussung des Myometriums und der uterinen Immunantwort<br />

durch spezifische Modifikationen der Inseminatbeschaffenheit.<br />

0h<br />

6-8h<br />

48h<br />

Abb. 4: Befunde von Endometriumbiopsien vor (0h), 6-8h und 48h nach intrauteriner<br />

Applikation eines verdünnten Inseminats einer östrischen Warmblutstute<br />

(Naphthol-AS-D-Chlorazetat-Esterase (ClAE)-Darstellung polymorphkerniger<br />

neutrophiler Granulozyten PMN)<br />

0h gesundes Endometrium<br />

6-8h diffuse, mittelgradige Infiltration des Stratum compactum mit PMN;<br />

einige PMN auch im Stratum spongiosum<br />

48h einzelne PMN-Infiltrate im Stratum compactum noch vorhanden


Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Hans-Joachim Schuberth, Holm Zerbe, Hans-Wilhelm Michelmann, Peter Schwartz, Ulrike Taylor, Henning Wendt,<br />

Antje Frenzel und Detlef Rath<br />

Qualitätsmanagement im Uterus: nur ausgewählte<br />

Spermien erreichen die Eizelle<br />

Zusammenfassung<br />

Für eine erfolgreiche Konzeption muss eine ausreichende Anzahl<br />

befruchtungsfähiger Spermien im Eileiter auf die zu befruchtende<br />

Eizelle treffen. Nach einer Bedeckung oder Besamung kommt es<br />

bei vielen Spezies zu einem regulierten Einstrom neutrophiler<br />

Granulozyten in den Uterus. Ziel der gegenwärtigen Forschung<br />

ist es, die Regulation des Einstroms näher zu analysieren und die<br />

Mechanismen zu klären, über die Granulozyten an der Selektion<br />

befruchtungskompetenter Spermatozoen teilnehmen. Diese<br />

frühe Phase nach der Besamung ist zudem Teilaspekt einer komplexen<br />

immunologischen Gesamtreaktion im Uterus, welche nicht<br />

nur ausgewählte Spermien die Eizelle erreichen lässt, sondern<br />

auch die Vorraussetzung für eine erfolgreiche Trächtigkeit schafft.<br />

Warum so viele Spermien?<br />

Bei einer Besamung gelangen natürlicherweise viele Milliarden<br />

Spermien in die Vagina, die Cervix<br />

oder in den Uterus. Die Anzahl der<br />

Spermien und die Lokalisation der<br />

Deposition variiert je nach Spezies.<br />

Der scheinbare Überfluss äußert<br />

sich auch darin, dass beim Schwein<br />

in den ersten Stunden nach Besamung<br />

durch Rückfluss aus dem<br />

weiblichen Genitale etwa 25% der<br />

applizierten Spermatozoen schlicht<br />

verloren gehen. Warum werden so<br />

viele Spermien bei der Besamung<br />

gebraucht, wo doch nur wenige für<br />

die Befruchtung einer oder mehrerer<br />

Oozyten benötigt werden? Die<br />

Beantwortung dieser Frage wird<br />

umso wichtiger, als bei landwirtschaftlichen<br />

Nutztieren die Besamung<br />

schon seit einigen Jahrzehnten<br />

routinemäßig angewendet wird<br />

und neuere biotechnologische Verfahren den Einsatz immer geringerer<br />

Spermatozoenmengen implizieren. Beispielsweise enthalten<br />

Besamungsportionen mit verfahrenstechnisch gesextem Sperma<br />

nur noch 10% (Rind), 2,5% (Schwein) oder 4-10% (Pferd) der üblichen<br />

Spermatozoendosierungen. Eine nahe liegende Antwort lautet,<br />

dass Vielzahl gleichzeitig auch Auswahl ermöglicht. Eine weitere<br />

Antwort ergibt sich, wenn man das physiologische Folgegeschehen<br />

im Uterus betrachtet. Die Interaktionen, die viele Spermatozoen<br />

mit Zellen im Uterus eingehen, und die Wechselwirkungen zwischen<br />

Bestandteilen des sie umgebenden Seminalplasmas mit Zel-<br />

Summary<br />

A successful conception requires sufficient numbers of spermatozoa<br />

to reach the oocyte in the oviduct. Insemination with an abundance<br />

of spermatozoa is followed in many species by a regulated<br />

influx of granulocytes into the uterus. Ongoing research focuses<br />

on the analysis of this influx, its regulation and the mechanisms<br />

of granulocyte-mediated selection of competent and fertilizing<br />

spermatozoa. The early phase after insemination is part of a<br />

complex immunological reaction in the uterus, which not only<br />

results in sperm selection but also creates the environment necessary<br />

for a successful pregnancy.<br />

len des Uterus induzieren Mechanismen und Folgeprozesse, die<br />

sich positiv auf eine erfolgreiche Trächtigkeit oder Schwangerschaft<br />

auswirken. Somit tragen die physiologischen Mechanismen im Uterus<br />

nach Besamung zur optimalen Auswahl von Spermien bei und<br />

schaffen die Voraussetzungen für erfolgreiche Trächtigkeit (Abb. 1).<br />

Abb. 1: Eine Besamung kurz vor (prä) oder nach (post) dem Eisprung führt zum Granulozyten-Einstrom. Etwa zu<br />

diesem Zeitraum findet eine Spermienselektion statt. Das Milieu im Gewebe bleibt bis zur Nidation entzündlich (proinflammatorisch).<br />

Im Verlauf der Trächtigkeit kehrt sich die Situation um; das graviditätserhaltende Milieu ist antiinflammatorisch.<br />

Vielzahl ermöglicht Auswahl<br />

Neben einer potenziellen Auswahl der besten Spermatozoen (ein<br />

noch nicht definierbarer Begriff) wird durch das Prinzip der Selektion<br />

sichergestellt, dass nicht befruchtungsfähige oder geschädigte<br />

Spermien mit befruchtungsfähigen Spermien konkurrieren.<br />

Selektionsvorgänge an Spermien während ihrer Wanderung durch<br />

den Uterus sind allerdings nur teilweise bekannt und werden gegen-<br />

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22<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

wärtig genauer untersucht. Zwei denkbare Szenarien werden<br />

geprüft. Die These der Negativ-Selektion geht davon aus, dass<br />

überflüssige Spermien aktiv entsorgt werden, und damit im Wesentlichen<br />

befruchtungsfähige Spermien übrig bleiben. Der anderen<br />

These liegt die Idee der Positiv-Selektion zu Grunde, die besagt,<br />

dass Spermien, die mit Zellen im Uterus in Kontakt treten, zu<br />

befruchtungsfähigen Spermien werden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

greifen beide Selektionsprinzipien ineinander und komplementieren<br />

sich.<br />

Wer wählt wen aus?<br />

Spermatozoen können im Uterus prinzipiell mit allen Zellen interagieren,<br />

die dort residieren. Dies sind zunächst uterine Epithelzellen.<br />

Vergleichbare Interaktionen wurden mit Epithelzellen des Eileiters<br />

beschrieben. Ihnen wurde eine reifende Wirkung auf die später<br />

befruchtenden Spermien zugeschrieben. Über Bindungen von Spermien<br />

an Uterus-Epithelzellen ist bisher wenig bekannt. Spermatozoen<br />

gehen während der Uteruspassage ebenfalls Interaktionen mit<br />

uterinen Leukozyten ein. Die Analyse der vorhandenen Leukozyten<br />

im Uterus des Schweins und des Rindes vor einer Besamung ergab<br />

ein heterogenes Bild. Beim Rind lassen sich kaum Leukozyten aus<br />

einem nicht besamten Uterus ausspülen. Dennoch zeigen rasterelektronenmikroskopische<br />

Aufnahmen viele neutrophile Granulozyten<br />

in engem Kontakt mit der Oberfläche des Uterusepithels<br />

(Abb. 2A), so dass sie durchaus an der postulierten Spermienselektion<br />

aktiv teilhaben könnten. Das Rind belässt es offensichtlich bei<br />

diesem Status. Nach umfangreichen Studien, in denen unterschiedliche<br />

Besamungsverfahren mit verschiedenen Spermapräparationen<br />

geprüft wurden, zeigte sich zu keinem der gewählten Zeitpunkte<br />

nach Besamung ein weiterer Einstrom neutrophiler Granulozyten.<br />

Beim Schwein lassen sich vor der Ovulation (prä-ovulatorisch) nur<br />

relativ wenige Leukozyten im Uteruslumen nachweisen (etwa 1 Million<br />

pro Uterus). Diese Zahl wächst post-ovulatorisch auf das 50 bis<br />

180-fache an. Diese Immunzellen setzen sich beim Schwein im<br />

Wesentlichen aus neutrophilen Granulozyten und Monozyten<br />

zusammen (Abb. 2B). Die Besamung beim Schwein belässt es<br />

jedoch nicht bei diesem Status quo, bei dem das Verhältnis Spermien<br />

zu Leukozyten anfangs immer zu Gunsten der Spermien ausfällt.<br />

Vielmehr kommt es, mit einer zeitlichen Verzögerung von ca.<br />

90 Minuten bis 3 Stunden, zu einem deutlichen Leukozyteneinstrom,<br />

diesmal hauptsächlich von neutrophilen Granulozyten.<br />

Abb. 2: A) Granulozyten auf dem Endometrium des Rindes. Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme, 2000x Vergrößerung. Die Pfeile kennzeichnen einige der<br />

erkennbaren Granulozyten. B) Zellen im Uterus von Schweinen vor einer Besamung (durchflusszytometrische Messung). Neutrophile Granulozyten (nG), Monozyten<br />

(Mz) und Epithelzellen (Ez) lassen sich anhand ihrer relativen Zellgröße und Komplexität voneinander differenzieren.


Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Signal zum Einstrom von<br />

neutrophilen Granulozyten<br />

Im Tiermodell konnten wir zeigen,<br />

dass viele Faktoren diesen<br />

Einstrom steuern können, allerdings<br />

quantitativ sehr unterschiedlich.<br />

Hierzu zählt ein einfacher<br />

Volumenreiz (physiologische<br />

Salzlösung), chemotaktische<br />

(chemisch anlockende)<br />

Faktoren wie das Chemokin<br />

Interleukin-8, der Komplementfaktor<br />

C5a, das Seminalplasma,<br />

die Spermien, und das bei der<br />

Besamung verwendete Verdünnungsmedium<br />

für porcine Spermien.<br />

Die Granulozyten treten<br />

dabei in der vergleichsweise langen<br />

Gebärmutter der Sau auf<br />

breiter Front in das Lumen ein.<br />

Gerade der Blick auf die Effekte<br />

des Seminalplasmas im Vergleich<br />

zum Verdünnermedium<br />

lässt erkennen, dass ein Einstrom<br />

neutrophiler Granulozyten<br />

nicht um jeden Preis erwünscht<br />

ist. Vielmehr scheint die Kombi-<br />

nation aus Seminalplasma und Spermien die neutrophilen Granulozyten<br />

moderat anzulocken (Abb. 3).<br />

Es wird davon ausgegangen, dass Interleukin-8 eine bedeutende<br />

Rolle bei der Granulozyten-Rekrutierung in den Uterus spielt, und<br />

dass es von den endometrialen Epithelzellen auch selbst gebildet<br />

wird. Bei der Frau stimuliert das Seminalplasma die Freisetzung<br />

dieses Chemokins aus den Makrophagen und den Zervikalschleimhautzellen.<br />

Beim Schwein führen Inhaltstoffe des Seminalplasmas<br />

(Spermadhäsine) dazu, dass von Makrophagen eine für Granulozyten<br />

chemoattraktive Substanz frei gesetzt wird. Wir fanden ebenso<br />

Hinweise, dass die vor der Bedeckung im Uteruslumen vorliegenden<br />

Monozyten an der Induktion des Granulozyteneinstroms in den<br />

Uterus beteiligt sind. Auch Spermien selbst können, nach Kontakt<br />

mit Epithelzellen, zur Induktion chemoattraktiver Moleküle beitragen.<br />

Diese insgesamt fördernden, stimulierenden Wirkungen von<br />

Ejakulatbestandteilen werden teilweise wieder aufgefangen und<br />

durch hemmende Eigenschaften moduliert. So erwies sich porcines<br />

Seminalplasma in vitro als inhibierend für eine Interleukin-8-induzierte<br />

Chemotaxis von Granulozyten.<br />

Neutrophile Granulozyten – Fresszellen und Selektierer<br />

Diesen Fress-Zellen, sie sind in der Lage zu phagozytieren, schrieb<br />

man bisher nahezu ausschließlich eine reinigende Funktion zu; sie<br />

sollten im Sinne der Negativ-Selektion überflüssige, nicht-motile,<br />

geschädigte, zu früh und damit falsch gereifte Spermien entsorgen.<br />

Überdies eliminieren sie eingedrungene Mikroorganismen und stellen<br />

binnen kurzer Zeit ein steriles Milieu wieder her. Ob die Phagozytose<br />

der Spermatozoen durch uterine, polymorphkernige neutro-<br />

Abb. 3: Die Zahl einwandernder Granulozyten in den Uterus des Schweines hängt vom Zeitpunkt der Besamung relativ<br />

zum Eisprung ab (prä- oder post-ovulatorisch) und ist größer, wenn statt Seminalplasma ein Spermienverdünnermedium<br />

eingesetzt wird.<br />

phile Granulozyten (PMN) selektiv erfolgt oder ein randomisierter<br />

Prozess ist, kann noch nicht beantwortet werden. Zumindest deuten<br />

Beobachtungen darauf hin, dass neben erkennbar geschädigten<br />

Spermien auch solche gebunden werden, die augenscheinlich<br />

vital und morphologisch intakt sind. Die Phagozytose von Spermatozoen<br />

(Abb. 4) scheint jedoch unter In-vitro-Bedingungen nicht<br />

schnell abzulaufen. Das wesentliche Element der Interaktion zwischen<br />

PMN und Spermien ist eine nicht sehr stabile, transiente Bindung<br />

und Kontaktaufnahme.<br />

Abb. 4: Phagozytose eines Spermiums im Uterus des Schweins.<br />

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme. 3000x Vergrößerung.<br />

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24<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Arbeitsgruppe Immunologie der TiHo<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Generell setzt die Positiv- wie die Negativselektion voraus, dass<br />

sich Spermien-Subpopulationen in molekularen Strukturen unterscheiden,<br />

die von anderen Zellen mittels Rezeptoren erkannt werden<br />

können. Diese molekulare Basis der Unterscheidung könnte<br />

auf der Expression von Lektinen oder deren Zielstrukturen (Zuckermotiven)<br />

liegen. Lektine sind Zucker-bindende Proteine, die im Zentrum<br />

eines komplexen Zuckermoleküls einen bestimmten Zucker<br />

erwarten, um binden zu können. Zellen des Immunsystems erkennen<br />

und beeinflussen sich gegenseitig über verschiedene Zucker-<br />

Lektin-Bindungen. Solche Interaktionen spielen ebenfalls eine Rolle<br />

bei der Bindung von Spermien an Epithelzellen des Eileiters und bei<br />

der Bindung von Spermien an die zu befruchtenden Eier. Analysen<br />

von Spermien und Granulozyten haben gezeigt, dass sie eine Vielzahl<br />

unterschiedlicher Zuckermotive an der Oberfläche aufweisen.<br />

Mit Hilfe fluoreszenzmarkierter Lektine können Veränderungen an<br />

Spermien identifiziert werden (Abb. 5).<br />

Die Oberflächenstrukturen von Granulozyten unterscheiden sich<br />

nach ihrer Wanderung durch das Gewebe in das Uteruslumen beim<br />

Rind und beim Schwein signifikant von denen aus dem Blut. Dies<br />

betrifft bestimmte Adhäsionsmoleküle, Komplementrezeptoren,<br />

Lektine wie auch einige von Lektinen erkannte Zuckermotive.<br />

Gegenwärtig untersuchen wir, ob diese modulierten Zelloberflächenstrukturen<br />

für die selektive Erkennung einzelner Spermienpopulationen<br />

relevant sind, und welche Folgen dies für die gebundenen<br />

Spermien sowie für die Zellen selbst hat.<br />

Eine erhebliche Bedeutung kommt hier der vermittelnden Rolle von<br />

Inhaltsstoffen des Seminalplasmas zu. Es gilt unter anderem, den<br />

Widerspruch zwischen der vielfach publizierten massiven Phagozytose<br />

von Spermien durch Granulozyten und dem hemmenden Einfluss<br />

von Seminalplasma auf diese Zellfunktion zu klären. Hypothetisch<br />

lässt sich die These formulieren, dass Komponenten des<br />

Seminalplasmas anfangs dafür Sorge tragen, die Interaktionen zwischen<br />

Granulozyten und Spermien nur transient zu gestalten. Dies<br />

würde Zeit für eine subtilere Selektion von Spermien lassen und<br />

andererseits die Zellen an einer zu frühen und zu massiven Produktion<br />

reaktiver Sauerstoffprodukte (ROS, reactive oxygen species)<br />

hindern. In vitro führten ROS-produzierende Granulozyten zu einer<br />

gesteigerten Spermatozoenkapazitation, die durch die Zugabe von<br />

Seminalplasma umgekehrt werden konnte. Reaktive Sauerstoffspezies,<br />

zu früh und massiv gebildet, können die Motilität von Spermien<br />

deutlich reduzieren, als auch für das Endometrium schädigende<br />

Folgen haben.<br />

Haben die regulierten Interaktionen zwischen Granulozyten und<br />

Spermien zur Selektion der besten Spermien geführt, steht einer<br />

effektiven Phagozytose der überzähligen Spermien nichts mehr im<br />

Wege.<br />

Ausblick<br />

Die Gesamtreaktionen im Uterus nach Besamung bis zur Nidation<br />

eines befruchteten Eies werden durch Spermien, Komponenten des<br />

Seminalplasmas, Immunzellen und die Interaktionen dieser Komponenten<br />

mit Endometriumszellen bestimmt. Die einzelnen Mechanismen<br />

führen nicht nur zur Selektion von befruchtungsfähigen Spermien,<br />

sondern schaffen ebenso ein Milieu, das durch das Vorherrschen<br />

entzündlicher Mediatoren im Gewebe gekennzeichnet ist.<br />

Dieses so genannte pro-inflammatorische Milieu scheint für die<br />

Kontaktaufnahme zwischen befruchtetem Ei und der Uterusschleimhaut<br />

essentiell zu sein und die Embryonenentwicklung zu<br />

fördern. Überdies werden immunologische Folgeprozesse eingeleitet,<br />

die sicherstellen, dass die sich entwickelnden Embryonen nicht<br />

vom mütterlichen Immunsystem abgestoßen werden. In der<br />

Summe sind dies äußerst komplexe, ineinander greifende Abläufe,<br />

deren tiefere Kenntnis mittelfristig Schlussfolgerungen für biotechnologische<br />

Ansätze zur Verbesserung der Befruchtungserfolge in<br />

der Tierproduktion ermöglicht.<br />

Abb. 5: Fluorochrom-markierte, zuckerbindende Lektine markieren in unterschiedlicher Weise membranintakte und membrangeschädigte porcine Spermien. Mit<br />

Erdnussagglutinin (FITC-PNA) können 5 Spermien-Subpopulationen im Durchflusszytometer unterschieden werden (Kreise).


Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Veterinärfakultät der Universität Sydney<br />

Detlef Rath, Harald Sieme, Heide Buss, Chis Maxwell<br />

Hallo Herr Doktor, bitte ein Stutfohlen!<br />

Zusammenfassung<br />

In den vergangenen Jahren ist ein Sortiersystem für Spermien<br />

entwickelt worden, das auf der Flowzytometrietechnik basiert. Da<br />

sich die Geschlechtschromosomen geringfügig in ihrer Größe<br />

unterscheiden, kann nach Fluoreszenzfärbung eine Selektion in<br />

X- und Y-Chromosom tragende Spermien vorgenommen werden.<br />

Auch im modifizierten Hochgeschwindigkeitsflowzytometer bleibt<br />

die Zahl der „gesexten“ Spermien auf ca. 15 Millionen pro Stunde<br />

beschränkt, aber die Reinheit der Proben liegt deutlich über 90%.<br />

Weltweit sind bereits mehr als 40 000 Nachkommen nach diesem<br />

Verfahren geboren worden. Es gibt aber deutliche Unterschiede<br />

zwischen den Tierarten, wobei für Bullensperma der kommerzielle<br />

Einsatz in sehr begrenztem Umfang bereits erfolgt.<br />

Zurzeit werden in Mariensee in mehreren Kooperationsprojekten<br />

vor allem Hengst- und Ebersperma sortiert und die Konservierungsverfahren<br />

optimiert.<br />

Hallo Herr Doktor, bitte ein Stutfohlen! So oder ähnlich wird wohl in<br />

Zukunft häufig an den Tierarzt die Bitte herangetragen werden,<br />

„gesextes Sperma“ bei der Besamung einzusetzen. Damit wird ein<br />

in der Tierzucht seit langem gehegter Wunsch Wirklichkeit, das<br />

Nachkommengeschlecht vor der Besamung bereits festzulegen.<br />

Seit mehreren Jahren wird an einer Technik gearbeitet, die jetzt kurz<br />

davor steht, bei den Nutztierspezies in die Routinebesamung übernommen<br />

zu werden. Am weitesten ist die Sortiertechnik beim Rind<br />

vorangeschritten, was vor allem im Zusammenhang mit der relativ<br />

geringen Anzahl an Spermien, die für eine erfolgreiche Besamung<br />

notwendig ist, steht.<br />

Biologischer Hintergrund<br />

Bei Säugetieren wird das Geschlecht primär durch die Geschlechtschromosomen<br />

in den Samenzellen bestimmt. Eine Gensequenz<br />

(SRY) auf dem kurzen Arm des Y-Chromosoms ist für die Anlage<br />

des Hodengewebes verantwortlich, nachdem die Urgeschlechtszellen<br />

in die Genitalfalte des frühen Fetus eingewandert sind.<br />

Das Y-Chromosom ist etwas kleiner als das X-Chromosom und enthält<br />

entsprechend weniger DNA. Der relative, speziesspezifische<br />

Unterschied beträgt bei den Nutztierspermien 3,5 - 4%. Dieses ist<br />

der einzige, nachgewiesene Unterschied zwischen X- und Y-Chromosom<br />

tragenden Spermien, der für eine Separation aus dem Ejakulat<br />

zuverlässig genutzt werden kann. Alle anderen, theoretisch<br />

möglichen, physikalischen und immunologischen Unterschiede<br />

konnten nicht verifiziert werden oder ließen sich technisch bisher<br />

nicht nutzen.<br />

Abstract<br />

Recently, a new method for sorting of spermatozoa has been<br />

developed on the basis of flow cytometry. Differences in the size<br />

of sex chromosomes are visualized by fluorochromes and sorted<br />

into sperm populations bearing X and Y chromosomes. Although<br />

the output is limited to 15 million spermatozoa per hour even with<br />

a modified high speed flow cytometer, the purity of samples is<br />

greater than 90%. Worldwide more than 40,000 offspring have<br />

thus far been produced with this technique, but there are obvious<br />

species-related differences. Sex-sorted bull semen is now almost<br />

ready for commercial production. At present, our research is concentrated<br />

on spermatozoa from stallions and boars. Several<br />

cooperative projects focus on the optimization of long-term<br />

preservation of sperm.<br />

Technische Lösungen<br />

Zur Darstellung der Unterschiede der Geschlechtschromosomen<br />

werden die Spermien mit einem Fluoreszenzfarbstoff (Hoechst<br />

33342), der sich an die Chromosomen anlegt, gefärbt. In einem an<br />

die Samenzellmorphologie angepassten Flowzytometer mit angekoppelter<br />

Sortiervorrichtung werden die Spermien individuell erfasst<br />

und entsprechend ihres Fluoreszenzsignals nach UV-Laser Exposition<br />

zwei Populationen zugeordnet. Um eine hohe Reinheit zu<br />

gewährleisten, werden nur die Spermien ausgewählt, die mit ihrer<br />

flachen Seite senkrecht zum Laserstrahl stehen. Der Sortiervorgang<br />

erfolgt nach Fluoreszenzsignal abhängiger elektrischer Aufladung<br />

der Spermatröpfchen im elektrostatischen Feld. In speziellen<br />

Auffangmedien werden pro Stunde bis zu 15 Millionen gesexte<br />

Spermien gesammelt. Die Sortierreinheit beträgt dabei deutlich<br />

über 90%. Nach kurzer Zentrifugation stehen die gesexten Spermien<br />

zur Besamung zur Verfügung oder können für den späteren<br />

Gebrauch tiefgefroren werden. Allerdings bestehen noch erhebliche<br />

Unterschiede zwischen den verschieden Nutztierspezies bei der<br />

Anwendung von gesextem Tiefgefriersperma.<br />

Einsatz in der Tierzucht<br />

Ursprünglich war es das Ziel der amerikanischen Forschergruppe<br />

um Professor L.A. Johnson in Washington gewesen, kleinere, sehr<br />

reine Spermienpopulationen zu sortieren und diese auf andere<br />

geeignete Parameter zu untersuchen, die einen großflächigen Einsatz<br />

in der Tierzucht erlauben sollten. Mittlerweile ist die flowzytometrische<br />

Technik trotz einiger noch nicht vollkommen gelöster Probleme<br />

zu einem stabilen und zuverlässigen Verfahren weiterentwickelt<br />

worden, so dass es Sinn macht, über Anwendungsbereiche in<br />

der Tierzucht nachzudenken. Sortiertes Bullensperma wird in den<br />

USA und England bereits für den kommerziellen Einsatz in<br />

beschränktem Umfang angeboten.<br />

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26<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Veterinärfakultät der Universität Sydney<br />

Beim Rind kann gesextes Sperma beispielweise in Milchbetrieben<br />

zur Erstellung von Kuhkälbern benutzt werden, da HF-Bullenkälber<br />

zur Mast kaum zu verwenden sind. Testbesamungen zur Ermittlung<br />

des Zuchtwertes der Bullen können bis um 50% reduziert werden,<br />

ohne die statistische Präzision der Zuchtwertschätzung zu verringern.<br />

Färsen können mit X-chromosomalen Spermien besamt werden,<br />

um die Rate der Todgeburten zu reduzieren. Außerdem könnten<br />

gezielt Bullenmütter erzeugt werden. Bei Mastrassen wird eher<br />

Wert auf männliche Nachkommen gelegt. Gesexte Y-chromosomale<br />

Spermienpopulationen sind in ihrer Reinheit zwar geringfügig<br />

schlechter als X-chromosomale (2%-5%), aber prinzipiell besteht<br />

für den Sortiervorgang kein Unterschied.<br />

In der Endstufe der Schweineproduktion steht die Erzeugung weiblicher<br />

Nachkommen im Vordergrund des Interesses. Seit kurzem<br />

wird in einigen EU-Staaten über die Abschaffung der Ferkelkastration<br />

nachgedacht; beispielsweise wird Norwegen die Kastration ab<br />

2009 nicht mehr zulassen. Gesextes Sperma könnte theoretisch<br />

eine Alternative sein, wenn es gelingt, die Effizienz des Sortierprozesses<br />

deutlich zu steigern. Beim gegenwärtigen technischen<br />

Stand kommt lediglich ein Einsatz in ausgewählten Zuchtbereichen,<br />

z.B. Nukleusherden in Frage, denn trotz neuer Besamungsverfahren<br />

werden immer noch 20-mal mehr Spermien für die Besamung<br />

benötigt als beim Rind.<br />

Seit der Einführung der hysteroskopischen Besamung konnte die<br />

für die Besamung bei Stuten benötigte Spermienzahl deutlich reduziert<br />

werden. Der Sortierprozess ist aufgrund der Spermienkopfform<br />

und des höheren DNA-Unterschiedes<br />

zwischen den Spermienpopulationen<br />

effektiver als bei anderen Tierarten.<br />

So wird in absehbarer Zeit der<br />

Wunsch nach Besamung mit gesextem<br />

Sperma auch beim Pferd zur<br />

Routine gehören können. Auch bei<br />

Schafen war die hysteroskopische<br />

Besamung mit gesextem Tiefgefriersperma<br />

sehr erfolgreich.<br />

Eine besondere Bedeutung hat<br />

gesextes Sperma bei der Erhaltung<br />

von Rassen in Genreserveprogrammen<br />

sowie zur Erhaltung bedrohter<br />

Tierarten. Hierbei wird Wert auf „Xchromosomale<br />

Spermien“ gelegt,<br />

denn mit weiblichen Nachkommen<br />

kann eine Stabilisierung bedrohter<br />

Arten und Rassen deutlich schneller<br />

erzielt werden. So werden außer den<br />

Spermien unserer Nutztiere auch die<br />

von Primaten, Delfinen, Elefanten,<br />

Nashörnern, Büffeln und andere exotischer<br />

Tierarten für Versuche genutzt,<br />

um entsprechende Spermabanken<br />

anlegen zu können. Für die letzten<br />

drei genannten Spezies werden diese<br />

Untersuchungen u.a. in Mariensee<br />

gemeinsam mit nationalen und internationalen<br />

Forschungsinstitutionen<br />

durchgeführt.<br />

Aktuelle Forschungsarbeiten<br />

Abb. 1: Nachkommen aus gesextem Sperma in Mariensee.<br />

Die Ferkel wurden im In-vitro-System via ICSI erstellt, das Kalb<br />

stammt aus einer Besamung in den Uteruskörper.<br />

Seit dem Jahr 2000 steht dem Institut für Tierzucht der FAL in Mariensee<br />

das einzige Flowzytometer in Deutschland zur Verfügung,<br />

das zur Sortierung von Spermien geeignet ist. Das Gerät dient ausschließlich<br />

Forschungszwecken, von denen im Folgenden einige<br />

Projekte, die vorwiegend in Zusammenarbeit mit Institutionen des<br />

Virtuellen Zentrums für Reproduktionsmedizin durchgeführt wurden,<br />

aufgeführt sind.<br />

Rind: Eines der Hauptprojekte der vergangenen zwei Jahre diente<br />

der Verbesserung von gesextem Tiefgefriersperma. Zwar wird dieses<br />

bereits kommerziell angeboten, die Qualität ist aber sehr variabel<br />

und konnte bislang nicht überzeugen. Mittlerweile ist es uns<br />

gelungen, einige der Hauptbelastungsquellen während des Sortiervorganges<br />

aufzudecken und ein verbessertes Sortierverfahren mit<br />

geändertem Processing und neuen Verdünnern (Sexcess®) zu entwickeln.<br />

Die Besamungsergebnisse bei rund 500 Färsen verschiedener<br />

Rassen und Nutzungstypen unterschieden sich nicht mehr<br />

von den Kontrollbesamungen mit unsortiertem Sperma identischer<br />

Ejakulate und lagen in der Befruchtungsrate über 70%. Auch als<br />

gesextes Frischsperma ist es bei Lagerung im Kühlschrank für drei<br />

Tage für die Besamung geeignet. Deutlich schlechtere Trächtigkeitsergebnisse<br />

(~-20%) erhielten wir nach Besamung von Kühen.<br />

Die Ursache ist zurzeit noch offen; es könnte sich aber um immunologische<br />

Prozesse im Uterus handeln, die noch nicht verstanden<br />

werden (s. auch Qualitätsmanagement im Uterus S. 21). Neben der<br />

Verwendung für die Besamung wird gesextes Sperma auch zur Invitro-Befruchtung<br />

sowie im Rahmen<br />

des Embryotransfers mit<br />

Erfolg eingesetzt<br />

Schwein: Die Untersuchungen<br />

zum Sortieren von Ebersperma<br />

gehen auf eine langjährige Kooperation<br />

des Instituts für Tierzucht mit<br />

dem USDA in Beltsville zurück.<br />

Bereits 1993 wurden gemeinsam<br />

erste Embryonen mit gesextem<br />

Ebersperma über In-vitro-Befruchtung<br />

erstellt und drei Jahre später<br />

gelang mit diesem Verfahren die<br />

Geburt der ersten Ferkel. Interessanterweise<br />

zeigten neuere Time-<br />

Lapse-Studien unserer Arbeitsgruppe,<br />

dass sich männliche und<br />

weibliche Embryonen nach der Invitro-Befruchtung<br />

in ihrem Entwicklungsverhalten<br />

unwesentlich unterscheiden.<br />

Ihr Wachstumspotential<br />

war aber deutlich vermindert, wenn<br />

die Eizellen vor der Befruchtung invitro<br />

gereift werden mussten.<br />

Noch effizienter konnten wir Ferkel<br />

mit gewünschtem Geschlecht<br />

erzeugen, wenn die Befruchtung<br />

mittels intrazytoplasmatischer<br />

Spermieninjektion (ICSI) erfolgte


Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Niedersächsisches Landgestüt Celle<br />

Veterinärfakultät der Universität Sydney<br />

Abb. 2: High-Speed Flowzytometer zur Trennung von Spermien<br />

(MoFlo Sx, Dakocytomation)<br />

und je Eizelle nur eine Samenzelle zur Verfügung stehen musste.<br />

Dieses Verfahren ist allerdings technisch aufwendig und erfordert<br />

relativ hohe Investitionen für eine Mikromanipulationseinheit. Das<br />

Verfahren ist aber dann sinnvollerweise einzusetzen, wenn nur<br />

wenige oder nicht mehr funktionsfähige Spermien zur Verfügung<br />

stehen, wie dies häufig bei bedrohten Tierarten vorkommt. Für viele<br />

dieser Tierarten wurden noch keine Spermakonservierungsverfahren<br />

entwickelt; hier kann über ICSI versucht werden, gereifte Eizellen<br />

mechanisch zu befruchten.<br />

Für den Routineeinsatz von gesextem Sperma muss die Besamung<br />

auch beim Schwein das Mittel der Wahl sein. Üblicherweise werden<br />

pro Besamung mindestens 1 Milliarde Samenzellen, evtl. auch<br />

mehrmals pro Rausche, verwendet. Um die Schweinebesamung<br />

mit gesextem Sperma zu ermöglichen,<br />

musste daher zunächst ein<br />

Besamungskatheter entwickelt werden,<br />

der es erlaubt, das Sperma tief<br />

im Uterushorn kurz vor der utero-tubalen<br />

Verbindung zu platzieren. Damit<br />

lassen sich Spermaverluste vermeiden.<br />

Von mehreren Typen hat sich ein<br />

in Spanien entwickeltes Instrumentarium<br />

als besonders geeignet erwiesen<br />

(Firflex®). Hiermit kann die Besamungsdosis<br />

auf ca. 50 Millionen Spermien<br />

reduziert werden. Erste Ferkel<br />

aus der Besamung mit gesextem<br />

Sperma wurden 2003 in Mariensee<br />

geboren. Dennoch bedeutet eine<br />

Spermadosis von 50 Millionen Spermien<br />

eine Sortierdauer von 3 bis 5<br />

Stunden, was zeigt, dass ein Routineeinsatz<br />

für die Erstellung von Endprodukten<br />

kaum rentabel sein wird. Ein<br />

Ausweg bietet evtl. die Tiefgefrierung<br />

von Ebersperma. Allerdings müssen<br />

hierzu bekannte Einfrierverfahren<br />

stark modifiziert werden. Dies wird<br />

gegenwärtig in Mariensee in Zusammenarbeit<br />

mit den Universitäten in<br />

Sydney und Murcia erarbeitet.<br />

Abb. 3: Sortierdiagramm für Hengstsperma<br />

Pferd: Auch bei der Pferdebesamung besteht prinzipiell die Anforderung<br />

einer relativ hohen Spermadosierung. In Kombination mit der<br />

hysteroskopischen Besamung wurden in den USA, Argentinien,<br />

Australien und Deutschland mehrere Fohlen aus gesextem Sperma<br />

geboren. In Zusammenarbeit mit dem Landgestüt Celle und der<br />

Universität Sydney wird zurzeit an einem neuen Tiefgefrierverfahren<br />

geforscht, das in Anlehnung an die Ergebnisse aus Gefrierversuchen<br />

mit Schweine- und Rindersperma die Belastungen beim<br />

Sortieren und Tiefgefrieren mindern soll. Erste Ergebnisse zeigen,<br />

dass mit dem gewählten Einfrierprotokoll Hengstspermien nach<br />

dem Sortierprozess eingefroren werden können und dabei eine<br />

ausreichende Bewegungsaktivität und Membranintegrität nach dem<br />

Auftauen erhalten bleibt. Beim Vergleich eines computergesteuerten<br />

Gefrierprozesses war kein Unterschied gegenüber einem einfachen<br />

Verfahren im Stickstoffdampf zu erkennen. Auch zwischen<br />

zwei Verdünnersystemen (INRA 82 und LactoseEDTA) bestand<br />

kein nachweisbarer Unterschied. Während bei allen geprüften Verfahren<br />

die Motilität durch die Kombination von Sortier- und Gefrierprozess<br />

deutlich abnahm, blieben Membranintegrität und morphologische<br />

Parameter unbeeinflusst gut. Gegenwärtig muss die Besamung<br />

dennoch sehr genau auf den Ovulationszeitpunkt terminiert<br />

werden, da nach dem Auftauvorgang die Überlebenszeit der<br />

Hengstspermien auf wenige Stunden beschränkt ist.<br />

Einen zusätzlichen Aspekt untersucht man derzeit an der Universität<br />

Sydney. Hier wird zunächst tiefgefrorenes Sperma von Schafböcken<br />

und Hengsten aufgetaut, im Flowzytometer sortiert, anschließend<br />

wieder eingefroren und zum Gebrauchstermin erneut aufgetaut.<br />

Das Sperma dieser beiden Spezies ist ausreichend widerstandsfähig,<br />

um den Prozess zu überstehen und um zur In-vitro-<br />

Befruchtung verwendet werden können. So könnte es bald häufiger<br />

heißen: Herr Doktor, bitte ein Stutfohlen!<br />

a) Jeder rote Punkt repräsentiert eine Samenzelle, Anhäufungen färben sich über gelb nach grün. Zwei deutliche<br />

Populationen (X-und Y-chromosomale Spermien) sind zu erkennen.<br />

b) Elektronische Aufbereitung nach Gating. Rotes und blaues Fenster dienen der Sortierentscheidung<br />

c) Separation der Spermienpopulation nach DNA Gehalt (counts: DNA Gehalt).<br />

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28<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Edda Töpfer-Petersen, Detlef Rath, Hans-Wilhelm Michelmann, Dorothee von Witzendorff, Mahnaz Ekhlasi-Hundrieser,<br />

Peter Schwartz, Erik Piehler, Silja Ebeling, Christiane Hettel, Birgit Sieg, Petra Westermann<br />

Die Zona pellucida: Schutz- und Kommunikationsorgan<br />

der Eizelle<br />

Zusammenfassung<br />

Die Zona pellucida (ZP) der Eizelle spielt für die Regulierung der<br />

Befruchtung eine wesentliche Rolle. Voraussetzung für eine erfolgreiche<br />

Befruchtung ist die Kohlenhydrat-vermittelte Erkennung<br />

beider Gameten, die an dieser extrazellulären Matrix abläuft. Die<br />

Untersuchung der beteiligten Kohlenhydrat-Rezeptorsysteme ist<br />

daher schon lange ein Anliegen der Reproduktionsbiologie. In<br />

einem gemeinsamen Projekt werden die Glykane der porzinen<br />

ZP mittels moderner massenspektrometrischer Methoden (glycomics)<br />

identifiziert, Veränderungen ihrer Struktur sowie die globalen<br />

Veränderungen der dreidimensionalen Architektur der ZP<br />

während der Oozytenreifung in Relation zu ihrer Funktionalität<br />

untersucht. Die Kenntnis der Vorgänge, die bei der Reifung der<br />

Zona pellucida ablaufen, sind von besonderem Interesse für die<br />

Optimierung der In-vitro-Produktion von Schweineembryonen.<br />

Die Befruchtungskaskade<br />

Die Säugetiereizelle ist von einer hochorganisierten, dreidimensionalen<br />

Matrix umgeben, die als Zona pellucida bezeichnet wird. Die<br />

Zona pellucida schützt die wachsende Eizelle und den jungen –<br />

noch nicht implantierten – Embryo vor mechanischen und anderen<br />

äußeren Einflüssen und vermittelt, wie eine Mailbox, den Kontakt<br />

zwischen Embryo und der mütterlichen Umgebung. Darüber hinaus<br />

erkennt das befruchtungskompetente Spermatozoon über die Zona<br />

pellucida seine Eizelle und nimmt den ersten Kontakt zu ihr auf. Im<br />

Gegenzug dazu steuert die Zona pellucida die Funktion des Spermatozoons,<br />

sodass es diese äußere Eihülle durchdringen und<br />

schließlich die Eizelle befruchten kann.<br />

Die Folge dieser verschiedenen Schritte der Befruchtungkaskade<br />

sind in Abbildung 1 dargestellt. Zunächst müssen die Spermatozoen,<br />

die nach der Insemination in den Eileiter gelangt sind, in einen<br />

aktiven befruchtungsfähigen Zustand versetzt werden – eine<br />

Sequenz äußerst komplizierter endogener Vorgänge, die unter dem<br />

Begriff Kapazitation zusammengefasst werden. Das kapazitierte<br />

Spermatozoon ist nun in der Lage, der ovulierten Eizelle zum Ort<br />

der Befruchtung (der Übergang von Isthmus zur Ampulle des Eileiters)<br />

entgegen zu schwimmen, die Eizelle an der Zona pellucida zu<br />

erkennen und an diese zu binden. Bei dem gebundenen Spermatozoon<br />

induziert die Zona pellucida nun über Signaltransduktionskaskaden<br />

den massiven Influx von Kalziumionen in die Zelle; dieser<br />

löst dann die so genannte Akrosomreaktion, die Exozytose des<br />

Akrosoms, aus. Durch die Akrosomreaktion wird der enzymatische<br />

Inhalt des Akrosoms, das einen Teil des Spermatozoonkopfes<br />

umgibt (Abb. 1), ausgeschüttet, und trypsinähnliche Proteinasen,<br />

wie beispielsweise das akrosomale Akrosin, hydrolisieren sehr lokal<br />

Summary<br />

The oocyte zona pellucida plays an essential role in the regulation<br />

of fertilization. The carbohydrate-mediated recognition of<br />

both gametes is a crucial step of the fertilization cascade and has<br />

been one of the main topics of reproductive biology in the past<br />

decade. The current project focus on the characterization of the<br />

glycans of the porcine zona pellucida (glycomics), their structural<br />

changes, as well as the global changes in the three-dimensional<br />

architecture of the ZP during oocyte maturation in relation to zona<br />

pellucida function. Knowledge of the maturation process of the<br />

zona pellucida is of interest for optimizing the in-vitro production<br />

of porcine embryos.<br />

die Zona pellucida. Den sich bildenden Schlitz kann das Spermatozoon<br />

nun mit Hilfe seiner eigenen Beweglichkeit durchdringen und<br />

gelangt in den perivitellinen Raum. Das ist der Raum zwischen Zona<br />

pellucida und der eigentlichen Eizelle. Es dockt im nächsten Schritt<br />

an die Plasmamembran der Eizelle an, fusioniert mit dieser und<br />

wird in das Zytoplasma der Eizelle gezogen, wobei der Kern des<br />

Spermatozoons zu dekondensieren beginnt und den männlichen<br />

Vorkern bildet. Bei der Fusion werden neben der Aktivierung der<br />

Kernreifung und des embryonalen Entwicklungssystems auch<br />

Mechanismen eingeleitet, die zum so genannten Polyspermieblock<br />

führen. Dieser soll verhindern, dass mehr als ein Spermatozoon in<br />

die Eizelle eindringen kann. Bei der reifen, befruchtungsfähigen<br />

Eizelle sind unterhalb der Plasmamembran kleine Organellen – die<br />

Abb. 1: Die Befruchtungskaskade. Das kapazitierte Spermatozoon (Akrosom:<br />

rot) bindet an die Zona pellucida (grün). Die Akrosomreaktion wird ausgelöst und<br />

das akrosom-reagierte Spermatozoon penetriert die Zona pellucida. Durch die<br />

Fusion mit der Eizelle kommt es zur Exozytose der kortikalen Granulae (grau);<br />

durch deren Inhalt die Zona Reaktion eingeleitet wird.


Karl-Eibl-Str. 17–27 · 91413 Neustadt<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

kortikalen Granulae – angeordnet (Abb. 2),<br />

die bei Fusion von Spermatozoon und Eizelle<br />

ihren Inhalt in den perivitellinen Raum ausschütten.<br />

Proteinasen, Glycosidasen, Lektine<br />

und viele andere kortikale Inhaltsstoffe verändern<br />

die Struktur der Zona pellucida in einer<br />

Weise, dass nachfolgende Spermatozoen<br />

nicht mehr an die Zona pellucida binden oder<br />

diese nicht mehr penetrieren können. Diese<br />

Strukturveränderung der Zona pellucida wird<br />

als Zona Reaktion oder Zona hardening<br />

bezeichnet. Interessanterweise kann man<br />

Spermatozoen auch außerhalb des Eileiters<br />

in künstlichen Medien kapazitieren und<br />

schließlich sogar eine Eizelle befruchten.<br />

Damit sind die Voraussetzungen für die so<br />

genannte In-vitro-Fertilisation (IVF-)Techniken<br />

gegeben, die seit vielen Jahren nicht nur<br />

beim Menschen, sondern auch beim Nutztier<br />

eine wichtige Rolle spielen. Beim Menschen<br />

wird die Technik zur Behandlung von Kinderwunschpatienten eingesetzt,<br />

bei Nutztieren zur assistierten Fortpflanzung.<br />

Die Zona pellucida<br />

Die Zona pellucida (ZP) ist, gemessen an ihren vielfältigen Aufgaben,<br />

einfach zusammengesetzt. Sie besteht aus drei Glykoproteinen,<br />

die entsprechend ihrer Gene als ZPA- (das größte Gen), ZPBund<br />

ZPC-Proteine benannt werden (Abb. 3a). Sie sind nicht nur<br />

innerhalb der Säuger hoch konserviert. Die Eihüllproteine anderer<br />

Vertebraten, wie beispielsweise die vom Krallenfrosch, von Fischen<br />

oder von Hühnern, gehören zu den gleichen Proteinfamilien.<br />

Gemeinsam ist allen Zona- und Eihüllproteinen eine etwa 260 Aminosäure<br />

lange so genannte ZP-Domäne, die für die Filamentbildung<br />

der Zona-Proteine und damit für den netzartigen Aufbau dieser<br />

extrazellulären Matrix verantwortlich ist. Die ZP-Proteine werden im<br />

Ihr bewährter Partner für<br />

Darstellung der kortikalen Granulae<br />

Wesentlichen von der Eizelle selbst synthetisiert<br />

und während ihres Wachstums<br />

sezerniert. Bei größeren Tierarten, wie<br />

Schweinen und Rindern, tragen auch<br />

die die wachsende Eizelle umgebenden<br />

Granulosazellen zur Synthese und dem<br />

Aufbau der dreidimensionalen Struktur<br />

der Zona pellucida bei.<br />

Das große ZPA-Protein spielt bei dem<br />

Block gegen Polyspermie eine besondere<br />

Rolle, da es nach der Befruchtung<br />

durch Enzyme der kortikalen Granula<br />

gespalten und damit eine weitere Vernetzung<br />

der Proteine begünstigt wird.<br />

Die Zona pellucida wird dadurch weitgehend<br />

undurchlässig für weitere eindringende<br />

Spermatozoen. Für die erste<br />

Kontaktaufnahme und Erkennung von<br />

Spermatozoon und Eizelle sind je nach<br />

Tierart die beiden anderen ZP Proteine, ZPC (Maus) und ZPB im<br />

Komplex mit ZPC (Schwein), verantwortlich. Für die meisten anderen<br />

Tierarten ist der Spermienrezeptor der Zona pellucida noch<br />

nicht eindeutig bestimmt. Definierte Kohlenhydrate der entsprechenden<br />

Glykoproteine, die in der dreidimensionalen Struktur der<br />

ZP in der richtigen Weise nach außen gerichtet sind, können nun<br />

von Lektin-ähnlichen Proteinen, die auf der Oberfläche des Spermatozoonkopfes<br />

lokalisiert sind, erkannt werden. Die Spermatozoen<br />

binden an die Matrix, und es werden die weiteren Schritte der<br />

Befruchtungskaskade eingeleitet (Abb. 1). Die Erkennung beider<br />

Gameten und die Bindung eines Spermatozoons an die Zona pellucida<br />

sind also Voraussetzung für die Befruchtung der Eizelle.<br />

Abb. 2: Darstellung der kortikalen Granulae im<br />

konfokalen Mikroskop. Die kortikalen Granulae<br />

sind 120 min nach Beginn der In-vitro-Befruchtung<br />

mit FITC-PNA angefärbt.<br />

• Spitzengenetik von Bullen und Ebern<br />

• Fruchtbarkeitsberatung und<br />

-schulung<br />

• Trächtigkeitsuntersuchung<br />

mit dem Scanner<br />

• Embryotransfer auf höchstem Niveau<br />

Die Identifizierung der Kohlenhydratstrukturen, ihre Lokalisation<br />

entlang der Polypeptidketten und die Definition der an der Erkennung<br />

und Bindung beteiligten Kohlenhydrate der Zona pellucida<br />

sind daher schon lange ein Anliegen der Reproduktionsbiologen.<br />

E-Mail: info@bvn-online.de · Internet: http://www.bvn-online.de<br />

Telefon: 09161 / 787 - 0 · Fax: - 2 50<br />

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Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Die Kohlenhydrate der Zona pellucida des Schweins<br />

Die Analyse der Kohlenhydrate in Gykoproteinen stellt den Analytiker<br />

wegen des hohen Materialbedarfs und der normalerweise<br />

außerordentlichen Heterogenität der Kohlenhydratseitenketten<br />

(Glykane) vor besondere Probleme. Erst mit der Entwicklung der<br />

Massenspektrometrie, hier insbesondere der Entwicklung der<br />

„Matrix-unterstützten Laserdesorption/Ionisation Massenspektrometrie<br />

(MALDI-MS), gelingt es, auch mit geringeren Ausgangsmengen<br />

Glykoproteine zu analysieren. In den neunziger Jahren ist es<br />

M. Nakano, Chiba Universität, Japan, gelungen, die Glykane der<br />

beiden Glykoproteine ZPB und ZPC vollständig in ihrer Struktur aufzuklären,<br />

ihre Verteilung entlang der Moleküle zu bestimmen und<br />

die Struktur und Lokalisation der für die Gametenerkennung verantwortlichen<br />

Glykane zu identifizieren. Die Glykoproteine der porzinen<br />

Zona pellucida sind mit einem Kohlenhydratanteil von etwa 30%<br />

hochglykosyliert. Sie enthalten Glykane, die über die Aminosäuren<br />

Asparagin oder Serin/Threonin verknüpft sind und kurz als N-Glykane<br />

bzw. O-Glykane bezeichnet werden. Die N-Glykane gehören<br />

dem so genannten komplexen Typus an. N- und O-Glykane können<br />

durch sulfatierte Lactosamineinheiten und Neuraminsäuren verlängert<br />

sein (Abb. 3b). Durch die Vielzahl der Modifizierungen sind die<br />

Kohlenhydratstrukturen der ZP außerordentlich heterogen. Es sind<br />

daher nur die häufigsten Glykanstrukturen der porzinen Zona pellucida<br />

in Abbildung 3b schematisch dargestellt.<br />

Auf der Basis dieser Arbeiten konnten nun mittels moderner massenspektrometrischer<br />

Methoden die Kohlenhydratmuster (glycan<br />

profiles) des großen ZPA-Proteins bestimmt und ihre Veränderungen<br />

während Wachstum und Reifung der Eizelle verfolgt werden.<br />

Zona pellucida Glycomics<br />

Die im Wesentlichen massenspektrometrische Analyse der Glykane<br />

in Glykoproteinen wird in Analogie zur proteomics auch glycomics<br />

genannt. Die Untersuchung der Zona pellucida folgt der Methodik<br />

Abb. 3:<br />

a) Die Domänenstruktur der reifen Glykoproteine der Zona pellucida des<br />

Schweins. Die Glykosylierungen sind mit Symbolen dargestellt (für eine Erklärung<br />

siehe Abbildung 2b). Schwarze Balken symbolisieren die Lokalisation der<br />

Cysteinreste. bezeichnet die nicht besetzte potentielle Glykosylierungsstelle<br />

in ZPA.<br />

von glycomics und soll hier kurz schematisch dargestellt werden<br />

(Abb. 4a). Nach elektrophoretischer Trennung von ZPA werden im<br />

Gel die Kohlenhydratseitenketten durch spezifische Enzyme (endo-<br />

Glykosidasen) abgespalten, die freien Glykane aus dem Gel gelöst<br />

und nach Reinigung im MALDI-MS analysiert. Alternativ wird das<br />

Protein im Gel selbst mit Proteasen (vorwiegend Trypsin) gespalten,<br />

die entstehenden Peptide und Glykopeptide aus dem Gel<br />

gelöst und dann ebenfalls massenspektrometrisch analysiert. Dieses<br />

Vorgehen erlaubt die Erstellung der Glykanmuster (glycan profiling,<br />

Abb. 4b) und die Lokalisation der Glykane innerhalb des<br />

Moleküls. Für ZPA konnte damit gezeigt werden, dass dieses Protein<br />

neben den vorher beschriebenen komplexen N-Glykanen eine<br />

weitere Glykanstruktur trägt, die als Oligomannosyl-Glykan<br />

bezeichnet wird (Abb. 3b). Außerdem konnte gezeigt werden, dass<br />

nur fünf der sechs potentiellen Glykosylierungsstellen tatsächlich<br />

Glykane tragen.<br />

Die Reifung der Zona pellucida<br />

Zyklusabhängig wächst die Eizelle im Follikel heran. Zu diesem<br />

Zeitpunkt hat sie die Reduktionsteilung (Meiose) noch nicht vollständig<br />

durchgeführt, d.h. sie hat ihren doppelten Chromosomensatz<br />

(die mütterlichen und väterlichen Chromosomenpaare) noch<br />

nicht vollständig halbiert. Das gelingt erst mit der Ovulation und der<br />

nachfolgenden Befruchtung selbst. Befruchtungskompetent ist nur<br />

die ovulierte, gereifte Eizelle. Die Reifung der Eizelle kann ebenfalls,<br />

wie die eigentliche Befruchtung, in vitro durchgeführt werden<br />

(In-vitro-Maturation, IVM). Es stellte sich nun die Frage, ob es<br />

neben der Reifung des Eizellkerns, des Zytoplasmas und der intrazytoplasmatischen<br />

Organellen auch zu reifungsbedingten Veränderungen<br />

der extrazellulären Matrix kommt. Vergleicht man die Eigenschaften<br />

der Zona pellucida „ungereifter“ Eizellen, die aus Follikeln<br />

gewonnen wurden, mit denen, die einer 2-tägigen In-vitro-Reifung<br />

unterworfen wurden, lassen sich einige entscheidende Unterschiede<br />

feststellen. So hat sich die Kommunikationsfähigkeit mit der<br />

Samenzelle während der Reifung deutlich erhöht. Die von der Zona<br />

b) Die häufigsten Glykane der porzinen Zona pellucida. Die Symbole charakterisieren<br />

bi- (blau), tri- (grau) und tetra- (rot) antennäre komplexe N-Glykane<br />

sowie Oligomannose-Typ N-Glykane (grün).


Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Abb. 4:<br />

a) Schema der Strategie für die Glykananalyse der Proteine der porzinen<br />

Zona pellucida.<br />

pellucida induzierte Akrosomreaktion der gebundenen Spermatozoen<br />

läuft deutlich schneller und effizienter ab. Elektrophoretische und<br />

rasterelektronenmikroskopische Analysen der ZP zeigten, dass<br />

diese Funktionalität von einer Erhöhung des Anteils der sauren sulfatierten<br />

Glykane und einer feineren dreidimensionalen Architektur<br />

der Zona pellucida begleitet ist. Zusätzlich unterscheiden sich diese<br />

Parameter in einer in-vitro-gereiften von denen einer in-vivo-gereiften<br />

Zona pellucida.<br />

Ausblick<br />

Die Kenntnis der Funktionskapazität der Zona pellucida ist von<br />

besonderem Interesse für die Optimierung der In-vitro-Produktion<br />

von Schweineembryonen. Die ersten Analyseergebnisse über Bau<br />

und Funktion des Zona Glykoproteins ZPA deuten auf eine insuffiziente<br />

Funktion im In-vitro-System hin, das für polysperme Befruchtungen,<br />

die nicht zur Fortpflanzung führen können, mit verantwortlich<br />

ist. Zusätzlich spielen aber auch die zeitgerechte Ausschüttung<br />

des Inhaltes der kortikalen Granula (Abb. 2) und die Integrität der<br />

Spermienmembranen eine entscheidende Rolle bei der polyspermen<br />

Befruchtung. Auch wenn mit den hier beschriebenen Untersuchungen<br />

einige Bausteine der Befruchtungsvorgänge gefunden<br />

wurden, ist das In-vitro-System noch weit von den natürlichen Vorgängen<br />

entfernt und bedarf intensiver Forschungsarbeiten. Dies<br />

gilt, wenn auch in unterschiedlichem Umfang, ebenfalls für die Invitro-Techniken<br />

anderer Nutztierspezies.<br />

b) Glycan Profiling von ZPA durch MALDI-MS. Die Glykanstrukturen sind über<br />

den entsprechenden Massenpeaks angegeben.<br />

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32<br />

Friederike Gethöffer<br />

Einleitung<br />

Institut für Wildtierforschung der TiHo (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Klaus Pohlmeyer, Dr. Gunter Sodeikat)<br />

Zur erfolgreichen Fortpflanzung von Wildschweinen<br />

Zusammenfassung<br />

Die Bestände des europäischen Wildschweins in Mitteleuropa<br />

sind in den letzten Jahren stark angewachsen. In einer 2-jährigen<br />

Untersuchung am Institut für Wildtierforschung wurde die<br />

Fortpflanzungsleistung dieser Wildtiere kontrolliert. Dazu wurden<br />

Ovarien und Uteri aus einem niedersächsischen und zwei rheinland-pfälzischen<br />

Gebieten gewonnen, in denen die Klassische<br />

Schweinepest (KSP) bei Wildschweinen aufgetreten ist. Untersuchungen<br />

von Blutproben gaben zudem Aufschluss über das<br />

Vorhandensein von Erkrankungen, die Auswirkungen auf das<br />

Reproduktionsgeschehen der Sauen haben können.<br />

Die Ergebnisse zeigen, dass exogene Faktoren sowohl den Zeitpunkt<br />

der Fortpflanzung im Jahresverlauf als auch die Gesamtbeteiligung<br />

der Tiere an der Reproduktion stark beeinflussen.<br />

Neben hohen Ovulationsraten, Fetenzahlen und Trächtigkeitsprävalenzen<br />

aller Altersklassen konnte bei Jungtieren eine frühe<br />

Geschlechtsreife mit anschließender Trächtigkeit festgestellt werden.<br />

Das europäische Wildschwein (Sus scrofa), zu dem derzeit 14<br />

Unterarten gerechnet werden, sorgte in der jüngeren Vergangenheit<br />

durch anhaltend hohe Vermehrungsraten für Aufmerksamkeit. Das<br />

natürliche Vorkommen dieser Wildart erstreckt sich von Westeuropa<br />

über Asien bis nach Japan. In Australien, Neuseeland sowie<br />

Nord- und Südamerika ist es, nach Aussetzung von Menschenhand,<br />

ebenfalls verbreitet. In Mitteleuropa nehmen die Bestände<br />

des in Deutschland als Schwarzwild bezeichneten Wildtiers stetig<br />

zu. Die Streckenzahlen, also die Zahlen der von Jägern erlegten<br />

Tiere, die noch immer als einziger Indikator zur Einschätzung der<br />

Bestände herangezogen werden<br />

können, zeigen seit dem Ende des<br />

zweiten Weltkrieges ein ununterbrochenes<br />

Wachstum (Abb.1).<br />

Die Gründe für diesen Populationsanstieg<br />

sind vielfältig. Neben hervorragenden<br />

Umweltbedingungen, milden<br />

Wintern, einem ausreichenden<br />

Futterangebot sowie einer geringen<br />

Zahl von natürlichen Feinden geben<br />

Untersuchungen von Reproduktionsparametern<br />

seit den 1950er Jahren<br />

gleichzeitig Hinweise auf eine<br />

zunehmende Fortpflanzungsleistung<br />

des Wildschweins. Die starke Vermehrung<br />

der Tiere wird zum Teil als<br />

Summary<br />

Recent increases in wild boar populations in central Europe<br />

necessitated evaluation of the current reproductive performance<br />

of this species.<br />

During a two-year study, samples of ovaries and uteri were taken<br />

from wild boars from areas in Lower Saxony and Rhineland-<br />

Palatinate, Germany (“Westeifel” and “Pfälzerwald”, respectively),<br />

in which wild boar have been vaccinated against CSF following<br />

several outbreaks of the disease. Serum samples were also<br />

analyzed to determine the prevalence of diseases that may influence<br />

pig reproduction and fertility.<br />

Our results indicate that exogenous factors have a strong impact<br />

on both reproductive seasonality and the percentage of reproducing<br />

individuals in an age class. Ovulation rates, numbers of fetuses<br />

and prevalence of pregnancies were found to be high among<br />

all age classes, while early onset of puberty and high pregnancy<br />

rates were typical of young animals.<br />

problematisch angesehen. Abgesehen von einer erhöhten Unfallgefahr<br />

sowie Schäden in der Infrastruktur birgt die hohe Wildschweindichte<br />

auch epidemiologische Risiken. KSP ist insbesondere in<br />

Wildschweinbeständen mit hoher Wilddichte und hohen Reproduktionsraten<br />

endemisch. Mehreren Untersuchungen zufolge ist eine<br />

Vielzahl der Primärausbrüche von KSP beim Hausschwein auf Kontakte<br />

zu Sus scrofa zurückzuführen.<br />

Fragestellungen zur Wildschweinreproduktion<br />

Die Seuchenzüge der KSP in niedersächsischen und rheinlandpfälzischen<br />

Wildschweinpopulationen geben daher Anlass, die<br />

Reproduktionsparameter des Wildschweins in diesen Regionen<br />

Abb. 1: Entwicklung der Schwarzwildstrecke in Deutschland von 1960-2004


Institut für Wildtierforschung der TiHo (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Klaus Pohlmeyer, Dr. Gunter Sodeikat)<br />

Abb. 2: Verteilung der Geburtstermine im Jahresverlauf (Okt. 2003 bis Sept. 2004) von Wildschweinen der rheinland-pfälzischen Untersuchungsgebiete (Altersklasse<br />

1=Frischlinge, 2=Überläufer, 3=Mehrjährige; Untersuchungsgebiet 2=westliche Eifel, 3=Pfälzerwald)<br />

erneut zu untersuchen. Unter anderem wurde geprüft, inwieweit der<br />

Beginn der Geschlechtsreife und die erste Trächtigkeit von Alter und<br />

Gewicht der Wildschweine abhängig ist. Ein weiterer Focus lag auf<br />

der jahreszeitlichen Reproduktionsaktivität der Tiere.<br />

Insbesondere die für Wildtiere typische Saisonalität der Fortpflanzung,<br />

die durch Faktoren wie Tageslichtlänge, Temperatur und Nahrungsangebot<br />

beeinflusst wird, ist wegen der starken Vermehrung<br />

des Schwarzwildes oft in Frage gestellt worden. Ganz wesentlich<br />

ist, herauszufinden, in welchem Alter sich die Wildschweine fortpflanzen.<br />

Vor allem ist der Anteil der sich reproduzierenden Jungtiere<br />

interessant. Frischlinge, die Ferkel des Wildschweins, machen<br />

den größten Anteil der demographischen Struktur aus – ob sie aber<br />

tatsächlich nennenswerten Zuwachs beisteuern, ist umstritten.<br />

Sicher ist, dass vor allem Tiere der Jugendklasse von KSP-Infektionen<br />

betroffen sind, so dass eine Quantifizierung des potentiellen<br />

jährlichen Zuwachses notwendig ist.<br />

Neue Ergebnisse zu dieser Thematik liefert die am Institut für Wildtierforschung<br />

im Rahmen einer Dissertation durchgeführte Untersuchung.<br />

Uteri und Ovarien von erlegten Wildschweinen aus zwei<br />

rheinland-pfälzischen sowie einem niedersächsischen Untersuchungsgebiet<br />

bilden das Untersuchungsmaterial der über einen<br />

Zeitraum von zwei Jahren durchgeführten Arbeit. Anhand der<br />

Zuordnung ovarieller Zyklusstadien konnte die jahreszeitliche<br />

Reproduktionsaktivität der Tiere in der Stichprobe skizziert werden.<br />

Die Scheitel-Steiß-Länge sowie das Gewicht von Wildschweinfeten,<br />

die in der Gebärmutter von geschossenen Tieren vorgefunden wur-<br />

den, geben Anhaltspunkte über den Zeitpunkt der Bedeckung des<br />

Muttertieres und dienen zur Berechnung des Geburtstermins.<br />

Saisonal, frühreif und hocheffektiv<br />

Die Untersuchung zeigt, dass die Saisonalität für die Fortpflanzung<br />

der Wildschweine noch immer von erheblicher Bedeutung ist. Die<br />

Hauptreproduktionszeit beginnt mit der Rausche, der Begattungszeit,<br />

in den Monaten November und Dezember und endet in gestaffelten<br />

Wurfterminen in den Frühjahrsmonaten. Ein beachtlicher Teil<br />

weiblicher Individuen der Jugendklasse weicht allerdings von diesem<br />

Rhythmus ab. Während mit hoher Wahrscheinlichkeit mehr als<br />

zwei Drittel der Jungtiere bereits im Alter von 8 - 12 Monaten zur<br />

„Hauptsaison“ erfolgreich gedeckt wurden, waren weitere 15% dieser<br />

Altersklasse in den Sommermonaten tragend, wie in den rheinland-pfälzischen<br />

Untersuchungsgebieten gezeigt werden konnte<br />

(Abb. 2). So entstand in den rheinland-pfälzischen Wildschweinpopulationen<br />

während der Sommermonate ein zweites Geburtenmaximum.<br />

Paarungstermine, die sich außerhalb dieser Zeiträume<br />

befinden, konnten nur für weniger als 10% der Stichprobe ermittelt<br />

werden. Allerdings weisen die Ovarien der Tiere mehrheitlich auch<br />

während der Sommermonate sowohl Follikel von präovulatorischer<br />

Größe als auch Gelbkörper auf.<br />

Die ermittelten Ovulationsraten und Fetenzahlen der Wildschweine<br />

in den drei Untersuchungsgebieten übertreffen die im innerdeutschen<br />

und europäischen Vergleich bisher bekannten Werte. Diese<br />

33


34<br />

Institut für Wildtierforschung der TiHo (Arbeitsgruppe Prof. Dr. Klaus Pohlmeyer, Dr. Gunter Sodeikat)<br />

Fruchtbarkeitsmerkmale sind multifaktoriell beeinflusst. Ihre Untersuchung<br />

hat zudem signifikante Altersunterschiede ergeben. So<br />

weisen Frischlinge in Niedersachsen bereits durchschnittlich 5,2<br />

Feten im Uterus auf, für zwei- und mehrjährige Tiere werden 6,7<br />

und 7,6 Feten im arithmetischen Mittel errechnet. Im Gegensatz<br />

hierzu erzielt die embryonale Mortalität, die der Literatur zufolge<br />

beim Wildschwein 25% und mehr erreichen kann, in den untersuchten<br />

Populationen mit 6% bis 18% Minimalwerte.<br />

Auch das Eintrittsalter von Frischlingen in die Geschlechtsreife<br />

scheint geringer zu sein als bisher angenommen. In den untersuchten<br />

Regionen besteht eine 80%ige Wahrscheinlichkeit für Frischlinge,<br />

in einem Alter von acht Monaten die Pubertät erreicht zu haben.<br />

Dabei erweist sich das Körpergewicht der Tiere als wesentlicher<br />

Einflussfaktor. Ab einem Aufbruchgewicht von 20 kg, das circa 75%<br />

des Lebendgewichtes entspricht, konnten mehr als zwei Drittel der<br />

untersuchten Tiere als geschlechtsreif eingestuft werden. Da ein so<br />

komplexes biologisches Ereignis wie die Pubertät nicht allein an<br />

Ovarbefunden festzumachen ist, kann in diesem Zusammenhang<br />

die Zahl der tatsächlich tragenden Frischlinge im weiteren Reproduktionsgeschehen<br />

als zusätzlicher Beweis gelten. Das Minimalgewicht<br />

tragender Jungtiere beträgt 22 kg (Aufbruchgewicht).<br />

Zu den Umweltfaktoren, die wesentlichen Einfluss auf die Reproduktion<br />

des Schwarzwilds haben können, gehört die Nahrungsverfügbarkeit.<br />

Obwohl in den drei untersuchten Gebieten aufgrund der Vegetationsstruktur<br />

und der landwirtschaftlichen Verhältnisse von einer<br />

guten Ernährungsgrundlage für Wildschweine ausgegangen werden<br />

kann, haben Baummasten, insbesondere die Fruktifizierung von<br />

Eichen und Buchen, Auswirkungen auf die Fortpflanzung der Sauen<br />

gezeigt. Im zweiten Untersuchungsjahr wurde im Untersuchungsgebiet<br />

der westlichen Eifel (Rheinland-Pfalz) eine Vollmast, also ein<br />

besonders ertragreiches Jahr, für Eichen und Buchen festgestellt.<br />

Die anschließende Reproduktionsphase des Schwarzwilds begann<br />

ungefähr vier Wochen früher als im Vorjahr und zeigte eine Trächtigkeitsrate<br />

der zwei- und mehrjährigen Tiere von 100% (Abb. 3).<br />

Ein weiteres Augenmerk<br />

der Untersuchung lag auf<br />

Erkrankungen, die Auswirkungen<br />

auf das Reproduktionsgeschehen<br />

der Wildschweine<br />

haben können. In<br />

stratifizierten serologischen<br />

Untersuchungen auf Antikörper<br />

gegen die Aujeszky`sche<br />

Krankheit, Brucellose,<br />

KSP, Porcine Parvovirose<br />

sowie PRRS (Porcines<br />

Reproduktives und Respiratorisches<br />

Syndrom) wurde<br />

in den drei Regionen ein<br />

hoher Durchseuchungsgrad<br />

der Wildschweinpopulationen<br />

mit Porcinem Parvovirus<br />

festgestellt. Zudem weisen<br />

mehrere Seren von Tieren<br />

eines rheinland-pfälzi-<br />

Abb. 3: Ovarbefunde von Wildschweinen eines rheinland-pfälzischen Untersuchungsgebietes während eines normalen und<br />

eines Mastjahres<br />

Abb. 4: Nur im Winter, insbesondere im<br />

November und Dezember, gesellen sich<br />

die alten Keiler zu den Bachen; Foto:<br />

Copyright: Goldmann<br />

schen Untersuchungsgebietes zusätzlich Antikörper gegen den<br />

Erreger der Aujeszky`schen Krankheit auf. Weder pathologische<br />

Organveränderungen noch abnorme Embryonal- oder Fetalstadien<br />

geben Anlass, ein erhöhtes Vorkommen der Erkrankung in diesen<br />

Populationen zu vermuten. Lediglich eine geringfügig erhöhte<br />

embryonale Mortalität unter mehrjährigen Tieren der Stichprobe im<br />

Vergleich zu den übrigen Gebieten macht einen Einfluss der Erkrankung<br />

auf die Fortpflanzungsleistung wahrscheinlich.<br />

Die Analyse der Untersuchungsgebiete hinsichtlich Nahrungsverfügbarkeit,<br />

Vegetation, klimatischer Verhältnisse und weiterer Komponenten<br />

veranschaulicht, dass das Wildschwein sich sowohl als<br />

reiner Waldbewohner als auch in der Rolle des Kulturfolgers in<br />

Großstädten erfolgreich fortpflanzt. Neben einem hohen Reproduktionspotential,<br />

das bei einer idealen Populationsstruktur eine Vermehrungsrate<br />

von mehr als 200% gewährleistet, weisen die untersuchtenWildschweinbestände<br />

einen hohen Anteil<br />

reproduzierender Frischlinge<br />

auf.


Andreas Spötter, Ottmar Distl<br />

Wurfgröße beim Schwein – bestimmende Faktoren<br />

und Rasseunterschiede<br />

Die Anzahl lebend geborener Ferkel wird von zahlreichen Faktoren,<br />

wie Ovulationsrate, embryonaler Überlebensrate und Uteruskapazität,<br />

bestimmt. Die Anzahl ovulierter Eizellen (= Ovulationsrate)<br />

bestimmt die maximale Wurfgröße. Bei steigenden Ovulationsraten<br />

nimmt jedoch die pränatale Überlebensrate ab und ist als limitierender<br />

Faktor anzusehen. Eine Steigerung der Wurfgröße über eine<br />

Verminderung dieser Verluste scheint daher ein viel versprechender<br />

Ansatz zu sein. Für die Schweinezucht ist es wichtig, zu erfahren,<br />

welche Faktoren die Wurfgröße regulieren und wie sich diese<br />

Erkenntnisse in der Zucht praktisch nutzen lassen.<br />

Das chinesische Meishan Schwein (Abb. 1) ist für seine hohe<br />

Fruchtbarkeit bekannt. Im Vergleich mit westlichen Schweinerassen<br />

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />

Genetische Ursachen der Wurfgröße beim Schwein<br />

Zusammenfassung<br />

Die Wurfgröße beim Schwein wird wesentlich von der embryonalen<br />

Sterblichkeit bestimmt. Diese ist während der ersten<br />

Wochen der Trächtigkeit am höchsten und wird auf Störungen<br />

bestimmter embryonaler Entwicklungsprozesse zurückgeführt.<br />

Um die Wurfgröße zu erhöhen, wird bisher meist auf phänotypische<br />

Informationen und eine Zuchtwertschätzung für die Anzahl<br />

lebend geborener Ferkel zurückgegriffen. Ein anderer Ansatz verwendet<br />

molekulargenetische und phänotypische Informationen<br />

gleichzeitig. Dementsprechend gehen viele Forschungsarbeiten<br />

dahin, Gene zu identifizieren und deren Expressionsmuster<br />

aufzuklären, die einen Einfluss auf die Befruchtung, embryonale<br />

Implantation und weitere fetale Entwicklung haben. Das Ziel<br />

dieses Artikels ist es, einen Überblick über den Stand dieses<br />

Forschungsgebiets zu geben.<br />

Abb. 1: Meishan oder Chinesisches Faltenschwein<br />

Summary<br />

One of the major determinants for litter size in pigs is prenatal<br />

mortality. It occurs most frequently during the first few weeks of<br />

gestation and can be attributed to disturbances in developmental<br />

processes during embryogenesis. Improvement of litter size has<br />

been attempted using phenotypic data and prediction of breeding<br />

values. However, another promising approach in pursuit of this<br />

aim has been the use of molecular genetic information to<br />

increase embryonic survival. Accordingly, considerable efforts<br />

have been made in identifying and mapping genes involved in the<br />

regulation of fertilization, embryo implantation and fetal development<br />

and in elucidating their expression patterns.<br />

The objective of this paper was to give an overview of the efforts<br />

being made and approaches being used in this field.<br />

hat es bei vergleichbaren Ovulations- und Befruchtungsraten durchschnittlich<br />

3,6 lebend geborene Ferkel mehr pro Wurf sowie eine<br />

höhere Anzahl von Zitzenpaaren.<br />

Die pränatalen Verluste sind beim Schwein während des ersten<br />

Monats der Trächtigkeit mit 20 bis 30% der ovulierten Eizellen doppelt<br />

so hoch, wie für den restlichen Zeitraum der Trächtigkeit (85<br />

Tage), da die Implantation des Embryos in die Gebärmutterschleimhaut<br />

eine sehr kritische Phase für das weitere Überleben darstellt.<br />

Diese Phase wird von einer größeren Anzahl von Genen gesteuert<br />

und Mutationen in einzelnen Genen können bereits zu erheblichen<br />

Veränderungen in der Frequenz pränataler Verluste führen.<br />

Die Rolle genetischer Marker bei der Erforschung der<br />

Wurfgröße<br />

Molekulargenetische Methoden, insbesondere der Einsatz genetischer<br />

Marker wie Mikrosatelliten und Single Nucleotide Polymorphisms<br />

(SNPs), sind von großer Bedeutung bei der Identifizierung<br />

reproduktionsrelevanter Gene und der Selektion von Zuchttieren.<br />

Mikrosatelliten bestehen aus Wiederholungen von zwei oder mehr<br />

Basenpaaren (z.B.: (GT) n ). Die Anzahl der Wiederholungen ist<br />

variabel, d.h. sowohl einzelne Individuen als auch die beiden Allele<br />

eines Individuums können sich durch die Anzahl der Wiederholungen<br />

unterscheiden (Abb. 2). Die Anzahl möglicher Allele ist je nach<br />

Mikrosatellit sehr verschieden und kann zwischen 1 und bis zu 20<br />

liegen. Die Nutzbarkeit eines Mikrosatelliten für die Selektion ergibt<br />

sich dann, wenn er in unmittelbarer Nähe eines Gens liegt, das für<br />

die Fruchtbarkeit von Bedeutung ist. In diesem Fall ist der Mikrosatellit<br />

mit dem fruchtbarkeitsrelevanten Gen genetisch gekoppelt und<br />

somit eine Trennung dieser beiden Genorte durch Crossing-over<br />

während der Meiose wenig wahrscheinlich.<br />

35


36<br />

Eine zweite Klasse genetischer Marker, SNPs, kommt überall im<br />

Genom vor, also auch innerhalb von Genen, und hat gegenüber<br />

Mikrosatelliten den Vorteil, dass sie wesentlich häufiger auftreten,<br />

d.h. leichter zu finden sind. SNPs sind Einzelbasenaustausche an<br />

bestimmten Stellen im Genom (z.B. ein Adenin für ein Cytosin,<br />

Abb. 3). Da die meisten SNPs diallel sind, sind sie weniger informativ<br />

als Mikrosatelliten, d.h. die Vererbung der Allele eines SNP von<br />

den Eltern auf die Nachkommen lässt sich nicht immer nachvollziehen.<br />

Dieser Nachteil lässt sich jedoch durch die Verwendung mehrerer<br />

unmittelbar benachbarter SNPs ausgleichen.<br />

Die Genotypisierung, d.h. der Allelnachweis für genetische Marker,<br />

erfolgt z.B. über eine Sequenzierung des entsprechenden Genomabschnitts<br />

für das jeweilige Individuum, eine Minisequenzierung<br />

(SNaPshot Methode), durch PCR (Polymerase Chain Reaction)<br />

und anschließender gelelektrophoretischer Auftrennung des Polymorphismus<br />

(Abb. 2) oder durch einen PCR gestützten „Restriction<br />

Fragment Length Polymorphism“ (PCR-RFLP, Abb. 3). Eine Selektionsentscheidung<br />

anhand eines Genotypisierungsergebnisses ist<br />

im Gegensatz zur phänotypischen Selektion bereits sofort nach der<br />

Geburt möglich, wodurch das Generationsintervall verkürzt wird.<br />

Des Weiteren kann der Genotyp in beiden Geschlechtern nachgewiesen<br />

werden und ist damit der Selektion leichter zugänglich.<br />

Merkmalsassoziierte intragenische oder eng gekoppelte Marker<br />

können über die Untersuchung von Kandidatengenen identifiziert<br />

Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />

Abb. 2: Genotypisierung eines Mikrosatellitenmarkers. Der Nachweis der zwei verschiedenen Allele eines jeden Tieres geschieht in zwei Schritten. Zuerst wird der<br />

den Marker enthaltende Genomabschnitt über eine PCR amplifiziert. Anschließend erfolgt eine elektophoretische Auftrennung der PCR Produkte in einem 6 %igen<br />

Polyacrylamidgel.<br />

werden. Dieser Ansatz und die damit erzielten Ergebnisse werden<br />

anschließend näher erläutert.<br />

Kandidatengene für die Wurfgröße beim Schwein<br />

Es gibt verschiedene Kriterien für die Wahl eines Gens als Kandidatengen<br />

für ein bestimmtes Merkmal, die es zur weiteren Untersuchung<br />

mit dem Ziel der Bestätigung oder Verwerfung dieses Verdachts<br />

qualifizieren. Gene von denen bekannt ist, dass sie eine<br />

wichtige physiologische Rolle bei der Steuerung des jeweiligen<br />

Merkmals bei der untersuchten Spezies oder auch einer anderen<br />

Art spielen, werden als physiologische Kandidatengene bezeichnet.<br />

Kandidatengene können auch aufgrund ihrer chromosomalen Lokalisation<br />

in der Nähe von Quantitative Trait Loci (QTL, siehe folgenden<br />

Abschnitt) für das untersuchte Merkmal ausgewählt werden<br />

(positionelle Kandidatengene) oder aufgrund differentieller Expression<br />

eines Gens in dem untersuchten Gewebe. Treffen mehrere Kriterien<br />

auf ein Gen zu, erhöht dies die Chance ein merkmalsbeeinflussendes<br />

Gen identifizieren zu können. Dieser Nachweis<br />

geschieht über die Durchführung einer Assoziationsstudie, d.h. ein<br />

identifizierter Kandidatengenpolymorphismus (z.B. Mikrosatellit<br />

oder SNP) wird anhand eines Familienmaterials (z.B. Halbgeschwister)<br />

genotypisiert und auf eine Assoziation mit dem untersuchten<br />

Merkmal untersucht. Die Entdeckung eines signifikanten<br />

phänotypischen Effekts eines solchen Polymorphismus auf die


Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der TiHo<br />

Abb. 3: Genotypisierung eines SNP Markers über Restriction Fragment Length Polymorphism (RFLP). Hierbei wird die Tatsache genutzt, dass der SNP zufällig innerhalb<br />

der Erkennungssequenz des Restriktionsenzyms DraIII liegt. Der Nachweis der zwei verschiedenen Allele eines jeden Tieres geschieht in drei Schritten. Zuerst<br />

wird der den Marker enthaltende Genomabschnitt über eine PCR amplifiziert. Im zweiten Schritt wird das PCR Produkt mit DraIII verdaut. Abschließend werden die<br />

Reaktionsprodukte auf einem 1%igen Agarosegel aufgetrennt.<br />

Wurfgröße dient als Beleg der Bedeutung dieses Gens für die Wurfgröße.<br />

Die erste Verifizierung einer Assoziation zwischen einem Kandidatengenpolymorphismus<br />

und der Wurfgröße beim Schwein gelang<br />

für einen SNP im Östrogen Rezeptor 1 (ESR1) Gen, welches auf<br />

dem Schweinechromosom (SSC) 1 lokalisiert ist. Vom Embryo<br />

sezerniertes Östrogen ist essenziell für die Trächtigkeit, indem es<br />

die Funktionsfähigkeit der Corpora lutea aufrechterhält. Dieser<br />

Polymorphismus wurde in zahlreichen weiteren Studien untersucht,<br />

wobei die an unterschiedlichen Schweinerassen nachgewiesenen<br />

Effekte zwischen +0,3 und +1,8 Ferkeln pro Wurf schwankten bzw.<br />

in zwei Studien kein Effekt nachgewiesen werden konnte.<br />

Ein weiteres Kandidatengen für die Wurfgröße beim Schwein ist<br />

das Prolactin Rezeptor (PRLR) Gen auf SSC 16, welches eine<br />

Rolle bei der Aufrechterhaltung der Trächtigkeit spielt. Die Interaktion<br />

von Östrogen und Prolaktin ist verantwortlich für die Umleitung<br />

des luteolytisch (= gelbkörperauflösend) wirkenden Prostaglandin F<br />

(PGF 2α ), so dass es seinen luteolytischen Effekt nicht über die<br />

utero-arterielllen Gefäße ausüben kann. Für einen SNP im PRLR<br />

Gen wurde eine Assoziation mit Unterschieden in der Wurfgröße<br />

nachgewiesen und in unterschiedlichen anderen Studien bestätigt.<br />

Das Retinol-Binding Protein 4 (RBP4) Gen auf SSC 14 wurde als<br />

Kandidatengen ausgewählt, da es während der frühen Phase der<br />

Trächtigkeit bei der Versorgung des Embryos mit Retinolsäure mit-<br />

wirkt und ein Überangebot dieser Substanz abpuffert. Retinolsäure<br />

wird mit der Regulierung der Gen-Transkription in Zusammenhang<br />

gebracht. Bei der Untersuchung eines diallelen SNP in einem Intron<br />

des Gens wurden in den ersten Studien an der Rasse Large White<br />

und verschiedenen synthetischen Linien keine signifikanten Effekte<br />

nachgewiesen. Beim Deutschen Edelschwein und der Deutschen<br />

Landrasse zeigten sich jedoch deutliche Effekte des Markers auf<br />

die Anzahl lebend geborener Ferkel.<br />

Das Erythropoietin Rezeptor (EPOR) Gen kontrolliert Differenzierung<br />

und Anzahl der fetalen roten Blutzellen. Die Transkription des<br />

Gens in der fetalen Leber steigt zwischen Tag 24 und 40 der Trächtigkeit<br />

stark an. Während dieser Periode kann es durch die zunehmende<br />

Enge im Uterus zu Entwicklungsstörungen der Erythrozyten<br />

im Fötus und letztendlich zu seinem Absterben kommen. Aus den<br />

genannten Gründen wurde ein SNP im EPOR Gen auf seine Assoziation<br />

mit Reproduktionsmerkmalen beim Schwein untersucht.<br />

Dabei wurde ermittelt, dass der fetale Genotyp signifikant mit der<br />

Wurfgröße und der Genotyp der Sau signifikant mit der Uteruskapazität<br />

assoziiert sind.<br />

Das Osteopontin (OPN) Gen auf SSC8 wird mit dem Transport und<br />

der Pufferung von Ca 2+ vom maternalen Blutkreislauf zum Embryo<br />

in Zusammenhang gebracht. Die Existenz von Bindestellen für<br />

Östrogen und Glucocorticoide im Promotor des OPN Gens in Mäusen<br />

lässt auf eine Regulierung seiner Transkription durch Steroid-<br />

Hormone schließen, welche bekanntermaßen an reproduktionsrele-<br />

37


38<br />

Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

vanten Vorgängen beteiligt sind. Aus diesem Grund und der Gegebenheit,<br />

dass die chromosomale Lokalisierung von OPN auf SSC8<br />

mit der Position eines QTL für die Wurfgröße korrespondiert, wurde<br />

das Gen auf seinen Einfluss auf die Wurfgröße untersucht. In zwei<br />

Studien wurden signifikante Effekte einiger Allele eines mit OPN<br />

gekoppelten Mikrosatellitenmarkers auf die Wurfgröße nachgewiesen.<br />

Die Effekte des Leukemia Inhibitory Factor (LIF) auf SSC14 umfassen<br />

Proliferation und Differenzierung von Zellen. Die essentielle<br />

Rolle von endometrial synthetisiertem LIF auf Embryowachstum<br />

und -implantation bei Mäusen lässt vermuten, dass dieses Gen<br />

auch während der frühen Phase der Trächtigkeit beim Schwein<br />

wichtige Aufgaben erfüllt. Diese Annahme wird durch die Entdeckung<br />

der LIF Expression im Endometrium während der Zeit der<br />

Embryoimplantation und das Vorhandensein von LIF Rezeptor<br />

mRNA im porcinen Embryo gestützt. In einer Studie, die zum ersten<br />

Mal den Einfluss des LIF Gens auf die Fruchtbarkeit beim Schwein<br />

untersuchte, wurde für einen SNP im 3’-untranslatierten Bereich<br />

des dritten LIF Exons eine signifikante Assoziation mit der Wurfgröße<br />

nachgewiesen.<br />

Die unterschiedlichen Resultate zwischen den verschiedenen Studien<br />

zeigen die Schwierigkeiten, Resultate vorangegangener Studien<br />

an einer anderen Population zu bestätigen. Selbst eine fehlende<br />

Assoziation zwischen Kandidatengenpolymorphismus und Phänotyp<br />

muss nicht bedeuten, dass das Genprodukt keine Bedeutung<br />

bei der Regulierung des Merkmals hat. Vielmehr ergibt sich hieraus,<br />

verschiedene Schweinerassen zu untersuchen und vor allem den<br />

Stichprobenumfang groß genug zu wählen, um die Nützlichkeit<br />

eines Markers für Zuchtprogramme, die die Steigerung der Wurfgröße<br />

zum Ziel haben, beurteilen zu können.<br />

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Die inkonsistenten Resultate lassen sich durch unterschiedliche<br />

Stichprobengrößen und/oder unterschiedliche rasse- oder populationsspezifische<br />

Allelverteilungen und das Vorhandensein unterschiedlicher<br />

Mutationen in den einzelnen Genen erklären. Des Weiteren<br />

wäre es denkbar, dass zwischen der ursächlichen Mutation<br />

und dem untersuchten intragenischen Polymorphismus in dem<br />

jeweiligen Kandidatengen unterschiedliche populationsspezifische<br />

Kopplungsphasen vorliegen, welche durch Rekombination während<br />

der Meiose verursacht wurden. Außerdem könnten epistatische und<br />

pleiotrope Effekte dafür verantwortlich sein, dass ein Gen in einer<br />

Population einen großen Effekt bewirkt, in einer anderen jedoch nur<br />

einen kleinen.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Für ein umfassendes Verständnis der Kontrolle der Reproduktion<br />

beim Schwein ist es wichtig, in größerem Umfang weitere Kandidatengene<br />

auf ihren Einfluss auf die Wurfgröße zu untersuchen. Bei<br />

der Auswahl solcher Gene sind insbesondere Expressionsstudien<br />

an Uterus, Plazenta und Embryonen vom Schwein hilfreich. Derartige<br />

Untersuchungen wurden in den letzten Jahren in zunehmend<br />

größerem Maßstab durchgeführt – was auf die Entwicklung neuer<br />

Techniken, wie cDNA Microarrays, zurückzuführen ist. Als ergänzende<br />

Auswahlkriterien dienen Informationen über die Funktion<br />

orthologer Gene bei anderen Arten. Insbesondere für die Maus wurden<br />

dank der Technik des Gen Knock-Outs viele Genfunktionen<br />

aufgeklärt. Für eine Überprüfung des Einflusses dieser Gene auf<br />

die Wurfgröße durch Assoziationsstudien wird die schnelle und kostengünstige<br />

Entwicklung genetischer Marker wie SNPs und Mikrosatelliten<br />

von großer Bedeutung sein. Die Markerdichte in der untersuchten<br />

Region muss dabei so hoch sein, dass Effekte, die vom<br />

untersuchten Gen ausgehen, von solchen Effekten unterschieden<br />

werden können, die von eng benachbarten Genen ausgehen. Für<br />

den Nachweis signifikanter Merkmalseffekte in Assoziationsstudien<br />

ist weiterhin das Vorhandensein eines genügend großen Familienmaterials,<br />

an welchem die neu entwickelten Marker genotypisiert<br />

werden können, von hoher Bedeutung. Eine weitere Verbesserung<br />

der Nachweisbarkeit von Effekten wird über die Genotypisierung<br />

extremer Teilpopulationen – im Falle der Wurfgröße mit Sauen, die<br />

stets eine große Anzahl lebend geborener Ferkel haben, und Sauen<br />

mit einer stets kleinen Anzahl lebend geborener Ferkel – erreicht.<br />

Für die ausgewählten Gene sind also umfassende Untersuchungen<br />

auf DNA-, mRNA-, Protein- und Phänotyp-Ebene nötig. Hierbei werden<br />

Techniken zur DNA Sequenzierung, Genexpressions- und<br />

Mutationsanalyse eingesetzt, welche unter der Bezeichnung<br />

‘functional genomics’ zusammengefasst werden. Das Ziel ist es,<br />

diese Techniken so einzusetzen, dass möglichst viele Gene und<br />

deren Produkte in ihren multiplen Wechselwirkungen untersucht<br />

werden können. Die neuen Erkenntnisse aus solchen Studien werden<br />

unser Verständnis von komplexen, d.h. von einer Vielzahl von<br />

Genen gesteuerten, Merkmalen in Nutztierrassen erweitern. Hierdurch<br />

sollte es dann möglich sein, die Anzahl der lebend geborenen<br />

Ferkel und deren Überlebensrate beim Schwein zu steigern.


Einleitung<br />

Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

Heinrich Bollwein, Kathrin Herzog, Sandra Schmauder, Ulrich Baumgartner, Detlef Rath und Heiner Niemann<br />

Einsatz der Farbdopplersonographie in der<br />

Gynäkologie des Rindes<br />

Zusammenfassung<br />

Das Ziel der vorliegenden Studien war, zu überprüfen, ob die<br />

Untersuchung des uterinen und lutealen Blutflusses mittels transrektaler<br />

Farbdopplersonographie neue Erkenntnisse über zyklische<br />

und pathologische Prozesse am inneren Genitale der Kuh<br />

liefert. Sowohl die uterine als auch die luteale Durchblutung<br />

zeigten charakteristische Schwankungen während des Zyklus,<br />

die nur teilweise mit den Veränderungen der Sexualsteroidhormonkonzentrationen<br />

zusammenhingen. Das künstliche Auslösen<br />

einer Entzündung der Gebärmutterschleimhaut führte zu einem<br />

deutlichen Anstieg des uterinen Blutflusses. Eine Stunde nach<br />

Auflösung der Gelbkörperrückbildung mittels eines PGF2α-Analo gons war ein Anstieg in der lutealen Durchblutung bei konstant<br />

bleibenden Progesteronwerten zu beobachten. Erst danach kam<br />

es zu einem gemeinsamen Abfall der lutealen Durchblutung und<br />

der Plasmaprogesteronkonzentrationen. Die Ergebnisse zeigen,<br />

dass die Farbdopplersonographie im Vergleich zu bisherigen<br />

Untersuchungsmethoden zusätzliche Informationen über physiologische<br />

und pathologische Veränderungen an Uterus und<br />

Ovarien der Kuh liefert.<br />

Vor etwa zwei Jahrzehnten wurde die B-Mode Sonographie erstmals<br />

in der Gynäkologie des Rindes eingesetzt. Diese Technik brachte<br />

tief greifende Fortschritte sowohl in der Forschung als auch in der<br />

klinischen Diagnostik mit sich, da sie die visuelle Untersuchung der<br />

inneren Reproduktionsorgane auf nicht-invasivem Weg ermöglichte.<br />

Die mit dieser Technik erhobenen Befunde erlauben zwar Aussagen<br />

über die morphologische Struktur der Organe, nicht jedoch über ihre<br />

Funktionen, wie z.B. die Blutversorgung. Blutflussstudien zur Untersuchung<br />

der Physiologie und Pathophysiologie der Genitalorgane<br />

werden zwar beim Rind seit langem<br />

durchgeführt, jedoch ausschließlich experimentell<br />

mittels invasiver Methoden. In<br />

der Humanmedizin wird seit einigen Jahren<br />

die Farbdopplersonographie eingesetzt,<br />

um auf nicht-invasivem Weg die<br />

genitale und fetale Blutversorgung zu<br />

beurteilen. Diese Technik wird dort bereits<br />

in der Routinediagnostik angewandt, um<br />

bei Frauen mit Risikoschwangerschaften<br />

den Blutfluss in der Nabelschnurarterie zu<br />

bestimmen und dadurch frühzeitige Hinweise<br />

auf eine eventuell unzureichende<br />

fetale Zirkulation zu erlangen. Bei Patientinnen,<br />

die sich einem Embryotransferprogramm<br />

unterziehen, wird die Farb-<br />

Abb. 1: Farbdopplersonographische Darstellung der<br />

A. uterina dextra einer Kuh am Tag 5 post ovulationem.<br />

In der linken Bildhäfte sind die Dopplerfrequenzverschiebungen<br />

im Spektralmodus dargestellt, in der<br />

rechten Bildhälfte ist der Blutfluss farbig kodiert.<br />

Summary<br />

The aim of the present study was to determine if the examination<br />

of genital blood flow by transrectal colour Doppler sonography<br />

provides new information about physiological and pathological<br />

changes in the inner genital organs of cows. Both uterine and<br />

luteal blood flow were found to show characteristic changes during<br />

the oestrous cycle which were only partly related to alterations<br />

in sexual steroid hormone levels. Artificial induction of endometritis<br />

caused a distinct increase in uterine blood flow. One hour after<br />

the induction of luteolysis by PGF2α there was an increase in<br />

luteal blood flow without changes in plasma progesterone values.<br />

Afterwards there was a simultaneous decrease in luteal blood<br />

flow and plasma progesterone levels. These results show that,<br />

compared to conventional methods, transrectal colour Doppler<br />

sonography provides additional information about physiological<br />

and pathological changes in the bovine uterus and ovaries.<br />

dopplersonographie angewandt, um anhand der uterinen und lutealen<br />

Durchblutung eine Prognose bezüglich der Implantation des<br />

Embryos abzugeben. Das Ziel der vorliegenden Studien war, zu<br />

überprüfen, ob und inwieweit mit Hilfe der transrektalen Farbdopplersonographie<br />

beim Rind zusätzliche Informationen über physiologische<br />

und pathologische Prozesse an den inneren Genitalien<br />

erzielt werden können.<br />

Grundlagen und Technik der Farbdopplersonographie<br />

Der Doppler-Effekt, benannt nach seinem Entdecker Christian<br />

Johann Doppler, besagt, dass sich die Frequenz einer fortlaufenden<br />

Welle ändert, wenn Beobachter und Wellenerreger sich relativ zueinander<br />

bewegen. Ein Beispiel für dieses Phänomen stellt ein vorbeifahrendes<br />

Auto dar. Nähert sich das Auto, so<br />

erhöht sich für den Beobachter die Frequenz<br />

der vom Motor ausgehenden Schallwellen<br />

und damit der Ton. Entfernt sich das<br />

Fahrzeug wieder, dann erniedrigt sich die<br />

Frequenz der Schallwellen und der Ton wird<br />

tiefer. In der Farbdopplersonographie wird<br />

dieses Prinzip vor allem zur Untersuchung<br />

des Blutflusses genutzt. Treffen die von<br />

einem in Schwingung versetzten, piezoelektrischen<br />

Kristall ausgesendeten Ultraschall-<br />

wellen auf die sich bewegenden Blutkörperchen,<br />

so kommt es zu einer Frequenzänderung<br />

der reflektierten Ultraschallwellen, der<br />

so genannten Dopplerfrequenzverschiebung.<br />

Ein Demodulator im Ultraschallgerät<br />

39


40<br />

Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

vergleicht die Frequenzen der abgestrahlten und der empfangenen<br />

Schallwellen und berechnet die Frequenzverschiebung, anhand<br />

welcher sich wiederum die Geschwindigkeit der Blutkörperchen<br />

bestimmen lässt. Bei Farbdopplergeräten werden die Dopplersignale<br />

zum einen als farbkodierte Bildpunkte in ein Ultraschallbild eingeblendet,<br />

zum anderen werden die Doppler-Spektren in Abhängigkeit<br />

von der Zeit dargestellt und geben indirekt ein Abbild des Blutströmungsprofils<br />

in dem betrachteten Gefäß (Abb. 1). Pulsatile Arterien<br />

zeigen typischerweise eine biphasische Wellenform der Frequenzverschiebungen<br />

mit einer systolischen Spitze und einem Abfall in<br />

der Diastole.<br />

In den letzten Jahren wurde eine neue Technik, der so genannte<br />

Colour-Angio-Modus, im Bereich der Farbdopplersonographie entwickelt.<br />

Hierbei wird nicht, wie bei dem herkömmlichen Verfahren,<br />

die Geschwindigkeit, sondern die Anzahl<br />

der pro Zeiteinheit durch ein Gefäß strömenden<br />

Blutkörperchen farblich kodiert.<br />

Da diese Methode gegenüber dem herkömmlichen<br />

Verfahren eine höhere Sensitivität<br />

bei der Sichtbarmachung des Blutflusses<br />

besitzt, wird sie vorwiegend zur<br />

Untersuchung der Durchblutung kleiner<br />

Gefäße innerhalb von Organen, wie z.B.<br />

dem Corpus luteum, eingesetzt (Abb. 2).<br />

Quantifiziert werden kann der im Colour-<br />

Angio-Modus erfasste Blutfluss jedoch<br />

nicht am Farbdopplergerät selbst, sondern<br />

nur durch die Digitalisierung der Farbbilder<br />

und die anschließende Bestimmung der<br />

Farbpixelzahl mit Hilfe eines computergestützten Bildanalyseprogramms.<br />

Je mehr Farbpixelzahl ein untersuchtes Organ aufweist,<br />

desto besser ist es durchblutet.<br />

Uterine Durchblutung<br />

Die uterine Perfusion wurde anhand der Blutflussgeschwindigkeit in<br />

der A. uterina beurteilt. Dazu wurde dieses Gefäß beidseits in der<br />

Nähe der Darmbeisäule aufgesucht, und der Blutfluss farbig sowie<br />

in Form von Dopplerwellen dargestellt (Abb. 1).<br />

Abb. 3: Mittlere Blutflussgeschwindigkeit (time averaged maximum velocity =<br />

TAMV) der A. uterina während des Zyklus. Darstellung der Mittelwerte und Standardfehler<br />

(x ± s x ) von 4 Kühen während je 2 Zyklen.* signifikanter Unterschied<br />

zum vorhergehenden Untersuchungstag (p < 0,05).<br />

Abb. 2: Darstellung des Corpus luteum eines Rindes<br />

im Colour Angio Modus am Tag 10 post ovulationem.<br />

Es zeigte sich, dass die uterine Durchblutung während des Zyklus<br />

charakteristischen Schwankungen unterliegt (Abb. 3). Der Blutfluss<br />

in der A. uterina war kurz nach der Ovulation (Tage 0 und 1) sehr<br />

niedrig, stieg danach auf Maximalwerte während des Proöstrus<br />

(Tag -3) an, um bereits an den letzten beiden Zyklustagen wieder<br />

abzufallen. Da die Blutflussschwankungen sich nur teilweise auf die<br />

zyklischen Änderungen der Sexualsteroidhormone zurückführen<br />

lassen und sich in eigenen Studien gezeigt hat, dass beim Pferd<br />

das Stickstoffmonoxydsystem eine wichtige Rolle bei der Regulation<br />

der uterinen Durchblutung zu spielen scheint, wird in laufenden<br />

Studien überprüft, inwieweit dieses System auch eine Rolle bei der<br />

Regulation der uterinen Blutversorgung des Rindes spielt.<br />

Um zu überprüfen, ob die transrektale Farbdopplersonographie der<br />

A. uterina auch geeignet ist, um entzündungsbedingte Änderungen<br />

in der uterinen Perfusion darzustellen,<br />

wurde bei Kühen mittels intra-uteriner Infusion<br />

von 100 ml einer 4%igen Lotagen®-<br />

Lösung artifiziell eine Endometritis induziert.<br />

Während es bei zwei Kontrolltieren,<br />

denen 100 ml einer physiologischen Kochsalzlösung<br />

infundiert wurden, zu keinen<br />

Schwankungen in der uterinen Durchblutung<br />

kam, wurde eine Stunde nach der<br />

Infusion der Lotagen®-Lösung ein Anstieg<br />

in der Blutflussgeschwindigkeit der A. ute-<br />

rina um mehr als das 1,7fache ausgelöst<br />

(Abb. 3). Sechs Stunden post infusionem<br />

hatte die Blutflussgeschwindigkeit wieder<br />

annähernd das Ausgangsniveau erreicht,<br />

stieg dann aber zwischen den Stunden 6 und 48 wieder an. Am dritten<br />

Tag post infusionem war die mittlere Blutflussgeschwindigkeit<br />

wieder deutlich abgefallen, lag aber immer noch über den vor der<br />

Infusion gemessenen Werten.<br />

Luteale Durchblutung<br />

Auch der luteale Blutfluss zeigte charakteristische Veränderungen<br />

während des Zyklus (Abb. 4). Die Durchblutung, gemessen anhand<br />

der Farbpixelzahl, stieg bis Tag 9 kontinuierlich an, blieb bis Tag 13<br />

Abb. 4: Mittlere Blutflussgeschwindigkeit (time averaged maximum velocity =<br />

TAMV) der A. uterina nach intrauteriner Infusion einer 4 %-igen Lotagen®- (n =<br />

4 Kühe) bzw. physiologischen Kochsalzlösung (n = 2 Kühe). Darstellung der<br />

Mittelwerte und Standardfehler (x ± s x ). * signifikanter Unterschied zur vorhergehenden<br />

Untersuchung (p < 0,05).


Klinik für Rinder und Institut für Tierzucht der TiHo<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL)<br />

Zentrum für Frauenheilkunde und Zentrum für Anatomie der Georg-August-Universität Göttingen<br />

auf ähnlichem Niveau und fiel ab Tag -5 stetig bis<br />

Tag -1 ab. Die Korrelation zwischen lutealer<br />

Durchblutung und den Plasmaprogesteronspiegeln<br />

war höher als diejenige zwischen der Größe<br />

des Corpus luteum und den peripheren Progesteronkonzentrationen.<br />

Daraus lässt sich folgern,<br />

dass die Farbdopplertechnik der B-Mode Sonographie<br />

bei der Beurteilung des Funktionszustandes<br />

des Corpus luteum überlegen ist.<br />

In einer weiteren Studie wurden die Auswirkungen<br />

einer medikamentös induzierten Luteolyse<br />

auf die luteale Vaskularisation untersucht. Dazu<br />

wurde Kühen zwischen den Tagen 8 und 10 post<br />

ovulationem das PGF 2α -Analogon Tiaprost intramuskulär<br />

appliziert und die Veränderungen in der<br />

lutealen Blutversorgung, dem Durchmesser des<br />

Corpus luteum sowie dem peripheren Progesteronspiegel<br />

überprüft. Eine Stunde nach der Injektion<br />

wurde überraschenderweise kein Abfall, sondern<br />

ein Anstieg in der lutealen Durchblutung<br />

festgestellt. Dieser Anstieg könnte auf entzündungsähnliche<br />

Vorgänge, welche bei einer<br />

Luteolyse eine wichtige Rolle spielen sollen,<br />

zurückzuführen sein. Erst im weiteren Verlauf<br />

kam es dann zum Abfall des lutealen Blutflusses,<br />

der parallel mit dem Absinken der peripheren<br />

Progesteronkonzentrationen einherging. Der<br />

Rückgang im Durchmesser des Corpus luteum<br />

war im Vergleich zu den Änderungen in der lutealen<br />

Durchblutung und in den Progesteronkonzentrationen<br />

nur relativ undeutlich ausgeprägt.<br />

Schlussfolgerung und Ausblick<br />

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen, dass die transrektale<br />

Farbdopplersonographie ein geeignetes Verfahren darstellt, um<br />

beim Rind auf nicht-invasivem Weg die genitale Durchblutung zu<br />

messen. Mit Hilfe dieser Technik können im Bereich der Forschung<br />

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Abb. 5: Luteale Durchblutung (gemessen an der Farbpixelzahl), Plasmaprogesteronkonzentration und<br />

Durchmesser des Corpus luteum (x ± s x ) während des Zyklus der Kuh (n = 8); * signifikanter Unterschied<br />

zur vorhergehenden Untersuchung (p < 0,05).<br />

Abb. 6: Luteale Durchblutung (gemessen an der Farbpixelzahl), Plasmaprogesteronkonzentration und<br />

Durchmesser des Corpus luteum (x ± s x ) nach Applikation von PGF 2α bei der Kuh (n = 8); * signifikanter<br />

Unterschied zur vorhergehenden Untersuchung (p < 0,05).<br />

wertvolle neue Erkenntnisse über die Physiologie und Pathophysiologie<br />

des inneren Genitales beim weiblichen Rind gewonnen werden.<br />

Daraus könnten sich neue Konzepte bei der Therapie von Fertilitätsstörungen<br />

ergeben.<br />

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41


42<br />

Phytoöstrogene<br />

Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo<br />

Institut für Tierernährung der TiHo<br />

Klinik für kleine Klauentiere und Forensische Medizin und Ambulatorische Klinik der TiHo<br />

Petra Winter, Alfonso Lampen, Tatjana Shobeiry, Dzmitry Karaljov, Charlotte Schröder, Karl-Heinz Waldmann, Heinz Nau,<br />

Josef Kamphues<br />

Untersuchungen zu östrogen-bedingten-Störungen der Fertilität<br />

von Sauen mittels eines Reportergen-Assays<br />

Zusammenfassung<br />

Fruchtbarkeitsstörungen gehören zu den häufigsten Problemen<br />

in der Nutztierhaltung und verursachen weltweit hohe<br />

wirtschaftliche Verluste. Oft handelt es sich um ein multifaktorielles<br />

Geschehen, bei dem mehrere Ursachen gleichzeitig vorliegen.<br />

Im Zentrum vorliegender Untersuchungen stehen zurzeit<br />

jene Fruchtbarkeitsstörungen, bei denen ein Zusammenhang mit<br />

östrogen-aktiven Inhaltsstoffen in Futtermitteln vermutet wird<br />

oder nachgewiesen ist. Beim Schwein werden Zearalenonkontaminationen<br />

von Futtermitteln in allen Lehrbüchern der Nutztierreproduktion<br />

als Ursache von Hyperöstrogenismus und verminderten<br />

Konzeptionsraten genannt. Dabei konnte aber nur in<br />

einem Teil der Proben, die wegen des Verdachts auf eine Mycotoxinkontamination<br />

untersucht wurden, Zearalenon nachgewiesen<br />

werden (Abb.1). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob<br />

Phytoöstrogene für die Entwicklung des Hyperöstrogenismus<br />

beim Schwein von Bedeutung sein können. Soja bzw. Sojanebenprodukte<br />

(z.B. Sojaextraktionsschrot) als wichtige Proteinlieferanten<br />

in der Schweinefütterung und gleichzeitig eine der<br />

diätetischen Hauptquellen für Phytoöstrogene verdienen besonderes<br />

Interesse. Zum einen wurden Futtermittel aus Betrieben<br />

mit Hyperöstrogenismusproblemen mittels eines neuen Reportergen-Assays<br />

auf ihre östrogene Aktivität hin analysiert. Zum<br />

anderen wurde graviden Sauen phytoöstrogen-angereichertes<br />

Futter verabreicht, um zu untersuchen, ob so bei neugeborenen<br />

Ferkeln die besondere Form des Hyperöstrogenismus experimentell<br />

ausgelöst werden kann.<br />

Einige natürlich in Pflanzen vorkommende Substanzen zeigen<br />

östrogenartige Wirkungen und werden allgemein als Phytoöstrogene<br />

bezeichnet. Ihre Wirkung ist in der strukturellen Ähnlichkeit zum<br />

17 ß-Estradiol, dem potentesten weiblichen Sexualhormon, begründet.<br />

Anhand ihres chemischen Aufbaus lassen sich die Phytoöstrogene<br />

in drei Hauptgruppen unterteilen: den Isoflavonen, den<br />

Cumestanen, die jeweils zu den Flavonen gehören, und den Lignanen<br />

als Nicht-Flavonoide. Die wichtigsten Vertreter der Isoflavone<br />

sind Genistein, Daidzein und Glycitein. Sie werden fast ausschließlich<br />

in Leguminosen gefunden. Eine besonders reichhaltige Quelle<br />

dieser Phytoöstrogene ist die Sojabohne. Isoflavone sind in der<br />

Pflanze glycosidisch gebunden, sind aber in dieser Form nicht<br />

östrogen wirksam. Sie werden erst durch die Spaltung zu Aglyka<br />

aktiv. Isoflavone werden durch die Bakterienflora im Magen-Darm-<br />

Trakt deklycosidiert und in der Folge oxidiert. Die Isoflavone und<br />

deren Metaboliten werden resorbiert und weisen per se östrogene<br />

Effekte auf. Die Coumestane werden vor allem in verschiedenen<br />

Kleearten, Luzerne und auch in geringerem Ausmaß in Sojaspros-<br />

Summary<br />

Fertility disorders are among the most common problems in animal<br />

production and are responsible for high financial losses<br />

worldwide. Such disorders are often due to a variety of factors<br />

acting concomitantly. Research has concentrated on those fertility<br />

disorders suspected of being caused by estrogenically active<br />

substances in feedstuffs. The main reason cited in the literature<br />

for hyperestrogenism in pigs is contamination of feedstuffs by the<br />

mycotoxin zearalenone. Although there are many reports of<br />

hyperestrogenism, zearalenone has been found in only a few<br />

feed samples tested for mycotoxin contamination. Of particular<br />

interest in this context is the influence of phytoestrogens on the<br />

development of hyperestrogenism in pigs. There has been much<br />

research on soy and soy products, which are preferred ingredients<br />

in diets for pigs as a main source of proteins; but they are<br />

also a main dietary source of phytoestrogens.<br />

For the investigation of the relation between phytoestrogens and<br />

hyperestrogenism, a reporter gene assay was used to analyze<br />

feedstuffs from herds with hyperestrogenism problems. Furthermore,<br />

pregnant sows were fed a diet enriched with phytoestrogens<br />

to determine if the particular form of hyperestrogenism that<br />

occurs in newborn piglets can be induced by phytoestrogens.<br />

sen gefunden. Ihr wichtigster Vertreter ist Coumestrol. Lignane aus<br />

Ölsaaten, Früchten und den äußeren Schichten von Getreidekörnern<br />

sind selbst nicht östrogen aktiv. Sie werden erst von der Darmflora<br />

durch Demethylierung zu den wirksameren Formen Enterolacton<br />

und Enterodiol metabolisiert.<br />

Abb. 1: Nachweishäufigkeit einer Kontamination mit Zearalenon in Futterproben<br />

aus Sauenbeständen, die mit dem Vorbericht „Fruchtbarkeitsstörungen“ im<br />

Jahre 2000 eingesandt wurden.


Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo<br />

Institut für Tierernährung der TiHo<br />

Klinik für kleine Klauentiere und Forensische Medizin und Ambulatorische Klinik der TiHo<br />

Die Mehrheit der Phytoöstrogene gehört zur Gruppe der Flavone<br />

und kann bis zu 7 % der Trockenmasse einiger Pflanzen ausmachen.<br />

Es gibt große Unterschiede zwischen den Konzentrationen<br />

der Phytoöstrogene in den verschiedenen Pflanzen, aber auch<br />

innerhalb einer Pflanzenart selbst. Die Konzentration der östrogenaktiven<br />

Substanzen ist abhängig von Pflanzenspezies und -stamm,<br />

aber auch von Faktoren wie Erntezeitpunkt, geographische Lage<br />

des Pflanzenanbaus als auch von weiteren Umweltfaktoren wie z.B.<br />

der Wasserversorgung oder ein möglicher Pilzbefall.<br />

Östrogene Wirkungen<br />

Östrogenvermittelte biologische Reaktionen erfordern die Bindung<br />

des Hormons an den Estrogenrezeptor (ER). Dieser gehört zur großen<br />

Familie der nukleären Steroid-Rezeptoren. Die Strukturanalogie<br />

der Phytoöstrogene zum 17 ß-Estradiol bedingt die Affinität zum<br />

Estrogenrezeptor (Abb. 2). Durch die Bindung eines Liganden an<br />

den Estrogenrezeptor kommt es zur Konformationsänderung des<br />

Hormon-Rezeptor-Komplexes und Bildung eines Homodimers aus<br />

zwei Hormon-Rezeptor-Komplexen. Diese lagern sich an die Estrogen-Response-Elements<br />

(ERE) auf der DNA an und aktivieren so<br />

die Transkription östrogen gesteuerter Gene.<br />

Abb. 2: Strukturähnlichkeit der Phytoöstrogene vom Isoflavon-Typ zum Estradiol<br />

Es sind zwei Hauptisoformen des Estrogenrezeptors identifiziert: ER<br />

alpha und ER beta. Die Expression beider Rezeptoren in den Geweben<br />

ist unterschiedlich. Während der ER alpha vor allem in den<br />

Brustdrüsen, den Zellen der Vagina, dem Endometrium, im Ovar und<br />

im Hypothalamus stark verbreitet ist, kommt der ER beta vor allem<br />

in den Ovarien, im Hypothalamus, dem Knochengewebe, im Herz-<br />

Kreislaufsystem, in den männlichen Geschlechtsorganen und in der<br />

Großhirnrinde vor. Die Rezeptoren besitzen jeweils fünf unterschiedliche<br />

Domänen, jede von ihnen mit einer anderen Funktion. Die<br />

wichtigsten Domänen sind die DNA-Bindungsdomäne (mit zwei<br />

Zinkfingern für die spezifische Bindung an die DNA) und die Liganden-Bindungsdomäne<br />

(direkte Interaktion von Aminosäuren der<br />

Liganden-Bindungsdomäne mit dem Östrogenmolekül). Die Stärke<br />

dieser Interaktion steht in direkter Korrelation zur Affinität zum Estrogenrezeptor.<br />

Das 17 ß-Estradiol besetzt die Liganden-Bindungsstelle<br />

zu einem großen Teil und zeigt daher eine sehr hohe Affinität.<br />

Phytoöstrogene besitzen Hydroxylgruppen und Phenolgruppen, die<br />

eine ähnliche Raumanordnung wie die des 17 ß-Estradiols einnehmen<br />

(Abb.2) und binden ebenfalls an den Estrogenrezeptor, jedoch<br />

mit geringerer Affinität. Im Gegensatz zum 17 ß-Estradiol besitzen<br />

Phytoöstrogene und insbesondere Isoflavone außerdem eine deutlich<br />

höhere Affinität zum ER beta als zum ER alpha und können<br />

daher als SERMs (Selective Estrogen Receptor Modulator) bezeichnet<br />

werden. Die relative Bioaktivität von Phytoöstrogenen – gemessen<br />

mittels eines Bioassays mit humaner Zellkultur – ist im Vergleich<br />

zum 17 ß-Estradiol relativ gering: 17 ß-Estradiol 100 (Zearalenon 1),<br />

Coumestrol 0,202 , Genistein 0,084 und Daidzein 0,013 .<br />

Funktionelle Analytik: Reportergen-Assay<br />

Die große Vielfalt von Substanzen mit einer Affinität zum Estrogenrezeptor<br />

macht eine Voraussage des östrogenen Potentials eines Substanzgemisches<br />

schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Mit konventionellen<br />

analytischen Methoden wie der GC-MS oder LC-MS lassen<br />

sich zwar die Inhaltsstoffe einer Probe sehr gut ermitteln, es können<br />

jedoch keine Aussagen zur Wirksamkeit der gefundenen Substanzen<br />

getroffen werden, sofern nicht detaillierte pharmakologische oder<br />

toxikologische Daten vorliegen. Analytische Systeme zur Erfassung<br />

von Östrogenen bzw. östrogen-aktiven Stoffen sollten daher die<br />

potenzielle Wirkung eines Stoffes oder Stoffgemisches erfassen.<br />

Ein schnelles In-vitro-Screeningsystem zur Durchmusterung einer<br />

großen Anzahl unterschiedlicher Stoffklassen auf ihr hormonelles<br />

Potential ist ein Reportergen-Assay auf der Basis von Human<br />

Embryonic Kidney 293 Zellen (Hek 293 Zellen). Reportergene kodieren<br />

für Proteine, die leicht quantifizierbar sind und zugleich von<br />

endogenen Proteinen gut unterschieden werden können. In diesem<br />

Fall wurden die Hek 293 Zellen stabil (mit dauerhaftem Einbau des<br />

Reportergens in das Wirtszellgenom) mit dem Luciferase-Reportergen,<br />

dem Response Element und den entsprechenden Rezeptorgenen<br />

für ER alpha und beta transfiziert. Die Zellen exprimieren jeweils<br />

den ER alpha oder den ER beta. Nach Bindung eines Liganden an<br />

den Rezeptor ändert dieser seine Konformation, bindet im Zellkern<br />

an das Estrogen-Response-Element der DNA und aktiviert so die<br />

Transkription des vom Response-Element kontrollierten Luciferase-<br />

Reportergens. Zur Quantifizierung der gebildeten Luciferase werden<br />

Abb. 3: Funktionelles Prinzip des Reportergen-Assays. Messung der Luciferase-Aktivität.<br />

RE = Response Element.<br />

43


44<br />

Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo<br />

Institut für Tierernährung der TiHo<br />

Klinik für kleine Klauentiere und Forensische Medizin und Ambulatorische Klinik der TiHo<br />

Abb. 4 : Mittlere Gehalte an alpha-aktiven und beta-aktiven Estradiol-Equivalenten<br />

in μg EEQ / kg Futter in Proben aus Beständen mit (n=14) und ohne Hyperöstrogenismus<br />

(n=14)<br />

die Zellen lysiert, danach erfolgt die Messung der Lichtblitze, die bei<br />

der Umsetzung von zugesetztem Luciferin durch die Luciferase<br />

gebildet werden (Abb. 3).<br />

Zielsetzung<br />

Ziel der Untersuchungen war zunächst, in einem gemeinsamen Projekt<br />

des Instituts für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik,<br />

des Instituts für Tierernährung und der Klinik für kleine Klauentiere<br />

mit dem Reportergen-Assay eine geeignete funktionelle Methode<br />

zu etablieren, mit der ein Nachweis östrogen-aktiver Substanzen<br />

gelingt. Somit können Proben genauer untersucht werden, die im<br />

Zusammenhang mit dem Auftreten von Hyperöstrogenismus stehen,<br />

jedoch keine bzw. keine erhöhten Gehalte an Zearalenon aufweisen.<br />

In einem weiteren Schritt wurden die Phytoöstrogene aus Soja, die<br />

aufgrund ihrer östrogenen Aktivität eventuell Ursache für das Auftreten<br />

des Hyperöstrogenismus sind, konzentriert im Futter gravider<br />

Sauen (eine Woche vor der Geburt) eingesetzt, um experimentell<br />

das Bild des Hyperöstrogenismus bei neugeborenen Ferkeln auszulösen.<br />

Ergebnisse<br />

Untersuchungen von Futtermitteln aus Betrieben mit<br />

und ohne Hyperöstrogenismusproblematik<br />

Es wurden Mischfutterproben aus Betrieben, in denen wiederholt<br />

Tiere hyperöstrogene Effekte zeigten und zugleich Proben aus<br />

Betrieben ohne derartige Störungen mittels des dargestellten<br />

Reportergen-Assays untersucht. Die Vorbehandlung der Futterproben<br />

erfolgte durch eine Flüssig-Flüssig-Extraktion. Die molaren Estradiol-Dosisequivalente<br />

(EEQ) der untersuchten Proben in der Zellkultur<br />

wurden durch mathematische Ableitung aus Funktionsgleichungen<br />

von 17 ß-Estradiolstandardkurven ermittelt und auf μg<br />

EEQ pro Kilogramm Probe umgerechnet. Die mittleren Gehalte der<br />

Estradiol-Equivalente in Futterproben aus Betrieben mit Hyperöstrogenismussymptomen<br />

waren doppelt so hoch wie in Futterproben<br />

aus nicht betroffenen Tierbeständen. Es zeigte sich jedoch ein sehr<br />

inhomogenes Bild in der Verteilung der EEQ-Gehalte, so dass kein<br />

signifikanter Unterschied zwischen Proben aus Betrieben mit<br />

Hyperöstrogenismus und ohne Hyperöstrogenismus besteht. Eine<br />

parallel vorgenommene Untersuchung der Futterproben auf Zearalenon<br />

zeigte nur eine geringe Beteiligung an dem Gesamtgehalt<br />

östrogener Aktivität bzw. es wurde in vielen Fällen trotz hoher EEQ-<br />

Gehalte kein Zearalenon nachgewiesen.<br />

Untersuchungen zur möglichen Auslösung des Hyperöstrogenismus<br />

bei neugeborenen Ferkeln durch experimentell<br />

phytoöstrogen-angereichertes Futter<br />

Die östrogen-aktiven Phytohormone des Sojas wurden konzentriert<br />

in ein Mischfutter für laktierende Sauen eingemischt (10 g Isoflavongemisch<br />

pro Tier und Tag, d.h. im Durchschnitt 43 mg Isoflavone /<br />

kg KM). Nach Feststellung erhöhter östrogener Aktivität des Futters<br />

im Vergleich zu einem Kontrollfutter mittels des Reportergen-<br />

Assays wurde es über eine Woche ante partum an gravide Sauen<br />

verabreicht, um so eventuell das klinische Bild des Hyperöstrogenismus<br />

bei neugeborenen Ferkeln zu provozieren. Die Ferkel zeigten<br />

unmittelbar nach der Geburt klinisch aber nur bedingt und<br />

ansatzweise das „typische Bild“ des Hyperöstrogenismus. Bisherige<br />

Untersuchungen des Kolostrums der Muttersauen lassen nicht<br />

auf eine erhöhte östrogene Aktivität schließen, so dass die Exposition<br />

der Ferkel über das Kolostrum von Sauen, die kurz vor der<br />

Geburt sehr hohe Aufnahmen an Phytoöstrogenen hatten, in Frage<br />

steht.<br />

Ausblick<br />

Das Kolostrum von Sauen, die ein phytoöstrogen-angereichertes<br />

Futter erhielten, scheint bei Ferkeln mit hyperöstrogenen Effekten<br />

nicht der ausschlaggebende Faktor zu sein. Vielmehr ist zu prüfen,<br />

ob der intrauterinen Exposition eine größere Bedeutung zukommt.<br />

Des Weiteren sind auch kritische Expositionszeitpunkte in der Entwicklung<br />

des Ferkels zu berücksichtigen; wirkt sich die Phytoöstrogenbelastung<br />

auf die Ferkel nicht zum Zeitpunkt der Geburt aus, so<br />

kann es dennoch – entsprechenden experimentellen Untersuchungen<br />

an kleinen Labortieren zufolge – zu Entwicklungsstörungen zu<br />

einem späteren Zeitpunkt wie etwa in der Pubertät kommen.


Einleitung<br />

Institut für Tierzucht der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft Mariensee (FAL),<br />

Forschungsbereich Biotechnologie<br />

Christine Wrenzycki, Andrea Lucas-Hahn und Heiner Niemann<br />

Assistierte Reproduktionstechniken und Epigenetik:<br />

Die neue Flexibilität in der Embryonalentwicklung<br />

Zusammenfassung<br />

Die Produktion von Rinderembryonen im Reagenzglas (In-vitro-<br />

Produktion, IVP) wurde in den letzten Jahren bis zur Praxisreife<br />

entwickelt und stellt mittlerweile eine gute Ergänzung zu konventionellen<br />

reproduktionsmedizinischen Techniken wie der Superovulationstechnik<br />

und Embryonenspülungen dar. Allerdings können<br />

Embryonen und Kälber, je nach dem, ob sie mit der IVP-<br />

Technik produziert oder in vivo gewonnen wurden, Unterschiede<br />

aufweisen. Abnormalitäten, die bei den in vitro produzierten<br />

Tieren auftreten können, werden als „Large offspring syndrome<br />

(LOS)“ zusammengefasst. Die Ursachen für dieses Phänomen,<br />

das auch nach dem Transfer geklonter Embryonen auftreten<br />

kann, sind noch weitgehend unbekannt. Es wird vermutet, dass<br />

Störungen in der Expression entwicklungsrelevanter Gene bedingt<br />

durch Änderungen der epigenetischen Modifikationen, z.B.<br />

DNA-Methylierung und Histon-Modifikationen, während der<br />

frühen Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle spielen.<br />

Seit der Geburt des ersten Kalbes, das aus dem Transfer eines IVP-<br />

Embryos entstanden ist, hat die Technologie enorme Fortschritte<br />

erfahren und wird bereits vielfach in der Praxis angewendet. Die Invitro-Produktion<br />

von Embryonen wird heute häufig in Kombination<br />

mit weiteren biotechnischen Methoden eingesetzt, wie z.B. der<br />

Einfach<br />

gesundwachsen!<br />

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Summary<br />

In vitro production (IVP) of embryos has significantly been<br />

improved in cattle and can be used as an alternative to conventional<br />

MOET programs. However, the quality of IVP embryos is<br />

impaired in comparison with their in vivo counterparts, and a considerable<br />

proportion of the embryos is afflicted by the “large offspring<br />

syndrome (LOS)“ which is also seen after transfer of<br />

embryos derived from somatic nuclear transfer (sNT). The exact<br />

mechanism(s) by which IVP and sNT proceed are not yet known.<br />

It is thought that altered expression patterns of developmentally<br />

important genes due to abnormal epigenetic modifications, i.e.<br />

DNA methylation and histone modifications, are responsible for<br />

the induction of LOS.<br />

Eizellgewinnung vom lebenden Tier durch transvaginale Follikelpunktion<br />

(Ovum pick up, OPU) und dem Klonen mit Hilfe des somatischen<br />

Kerntransfers (somatic nuclear transfer, sNT). Der Anteil an<br />

IVP-Kälbern hat sich insbesondere nach der Praxiseinführung der<br />

transvaginalen Follikelpunktion deutlich erhöht. Die Anzahl lebender<br />

Nachkommen aus dem somatischen Kerntransfer ist dagegen<br />

noch begrenzt, obwohl die Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet<br />

des somatischen Klonens von Nutztieren nach der Geburt von<br />

„Dolly“, dem ersten Klonschaf, stark zugenommen haben. Die<br />

Anwendungsperspektiven für das Klonen in der Forschung, der Biomedizin<br />

und der praktischen Tierzucht sind sehr viel versprechend.<br />

ein optimales Darmklima, mehr Appetit, bessere Futter -<br />

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46<br />

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Forschungsbereich Biotechnologie<br />

In-vitro-Produktion von Rinderembryonen<br />

und somatisches Klonen: Erfolgsquoten<br />

Die IVP setzt sich im Wesentlichen aus drei methodischen<br />

Schritten zusammen:<br />

In-vitro-Reifung (in vitro maturation, IVM) der Eizellen<br />

In-vitro-Befruchtung (in vitro fertilization, IVF) der<br />

gereiften Eizellen<br />

In-vitro-Kultur (in vitro culture, IVC) der befruchteten<br />

Eizellen bis zum transfertauglichen Embryonalstadium<br />

(Morula, Blastozyste)<br />

Heute können bereits durchschnittliche Erfolgsraten von<br />

85-95% bei der In-vitro-Reifung, 80-90% bei der In-vitro-<br />

Befruchtung und 25-40% bei der Entwicklung bis zur<br />

Blastozyste erzielt werden, so dass bei einer Trächtigkeitsrate<br />

von durchschnittlich 50% 12-15 Kälber nach<br />

dem Transfer von IVP-Embryonen geboren werden können (Abb. 1).<br />

Körperzellen von Feten oder erwachsenen Tieren, die über längere<br />

Zeit in vitro kultiviert wurden, können erfolgreich im somatischen<br />

Kerntransfer eingesetzt werden. Die Effizienz der einzelnen Schritte<br />

beträgt beim Rind 95-100% für die Enukleation (Entfernen des<br />

genomischen Materials der Eizelle), für die Fusion der enukleierten<br />

Eizelle mit der Spenderzelle 80-90% und für die Aktivierung 90-95%.<br />

Durchschnittlich 20-30% der produzierten Embryonen entwickeln sich<br />

bis zur Blastozyste. Ist der Transfer des Embryos gelungen, werden<br />

10-15% lebende Nachkommen geboren (Abb. 1).<br />

Phänomen der übergroßen Kälber (LOS)<br />

Trotz der vielen Verbesserungen, die die IVP in den letzten Jahren<br />

erfahren hat, unterscheiden sich in vitro produzierte Embryonen<br />

nach wie vor in zahlreichen Details von in vivo gewonnenen<br />

Embryonen. Unterschiede wurden hinsichtlich der Morphologie, der<br />

Entwicklungsgeschwindigkeit, der Gefriertauglichkeit, metabolischer<br />

Parameter sowie im Genexpressionsmuster beschrieben.<br />

Unterschiede bestehen auch bei aus IVP- und sNT-Embryonen<br />

resultierenden Kälbern im Vergleich zu konventionell erzeugten. Sie<br />

werden unter dem Begriff „Phänomen der übergroßen Kälber<br />

(Large offspring syndrome, LOS)“ zusammengefasst. Neben der<br />

charakteristischen Übergröße treten Abweichungen in Form von<br />

erhöhten pränatalen Verlusten, Schwergeburten, verlängerten<br />

Trächtigkeiten, Atemproblemen, Saugschwierigkeiten sowie plötzlichem<br />

perinatalen Tod auf. Die Kälber weisen außerdem häufiger<br />

einen veränderten Energiestoffwechsel auf. Weiterhin sind Abnormalitäten<br />

in verschiedenen Organen beschrieben worden, z.B.<br />

erhöhte Muskelmasse, Veränderungen in der Zusammensetzung<br />

der Muskelfasern, zerebelläre Dysplasie sowie Missbildungen des<br />

Skeletts. Oft wird auch von Veränderungen der Plazenta, wie z.B.<br />

Eihautwassersucht, berichtet. Trotz des Übergewichtes und der teilweise<br />

erheblichen Übergröße zum Zeitpunkt der Geburt, hat sich<br />

gezeigt, dass nach 8-12 Monaten diese Unterschiede im Vergleich<br />

zu Kontrolltieren nicht mehr vorhanden sind. Abnormal große Herzen<br />

können zu diesem Zeitpunkt allerdings noch auftreten.<br />

Die ursächlichen Mechanismen sind noch weitgehend unbekannt.<br />

Es wird vermutet, dass Fehler in der Regulation embryonaler und<br />

Abb. 1: In-vitro-Produktion und somatisches Klonen beim Rind<br />

fetaler Gene bei der Ausbildung dieses komplexen Phänomens eine<br />

Rolle spielen. Die in der Humanmedizin auftretenden Erkrankungen,<br />

Beckwith-Wiedemann-Syndrom (BWS) und Angelman-Syndrom<br />

(AS), weisen große Ähnlichkeiten zu LOS auf. Es wird vermutet,<br />

dass die Erkrankungen im Zusammenhang mit der künstlichen<br />

Befruchtung auftreten.<br />

Expression entwicklungsrelevanter Gene während<br />

der frühen Embryonalphase<br />

Für die reguläre Entwicklung des Embryos vor dem Einsetzen in die<br />

Gebärmutter ist es wichtig, dass die Expression der entwicklungsrelevanten<br />

Gene genau abgestimmt ist. Die frühe Entwicklungsphase<br />

ist von Genprodukten abhängig, die bereits während der Eireifung<br />

synthetisiert wurden (maternales Genom). Die späteren Stadien<br />

sind auf embryonale Genprodukte angewiesen. Die Aktivierung<br />

des embryonalen Genoms erfolgt in zwei Schritten: der ersten<br />

frühen Aktivierung und der danach folgenden Hauptaktivierung.<br />

Beim Rind findet der Übergang der Kontrolle vom maternalen zum<br />

embryonalen Genom (maternal-embryonic transition, MET) im 8-<br />

16-Zellstadium statt (Abb. 2). Somit können die einzelnen Transkripte<br />

unterschiedliche Expressionsmuster aufweisen. Sie sind in<br />

Abbildung 3 dargestellt. Abweichungen von diesem Ablauf sind<br />

möglicherweise die Ursachen für das LOS.<br />

Molekulare Ursachen für LOS<br />

Der Begriff Epigenetik bezeichnet alle Veränderungen im Genom,<br />

denen keine Veränderung der DNA-Sequenz selbst zugrunde liegt.<br />

Bei Säugetieren spielen die DNA-Methylierung und die Modifikationen<br />

der Histone eine zentrale Rolle in der Epigenetik. Sie sind an<br />

wichtigen Entwicklungsvorgängen, wie dem genomischen Imprinting<br />

und der Inaktivierung des X-Chromosoms beteiligt. Das genomische<br />

Imprinting kann man vereinfacht als elternspezifische Ausprägung<br />

einer genetischen Anlage bezeichnen. Durch das Anhängen<br />

einer Methylgruppe werden die mütterlichen und väterlichen<br />

Gene entweder aktiviert oder abgeschaltet. Durch die Methylierung<br />

wird folglich geregelt, ob die mütterlichen oder die väterlichen Gene<br />

abgelesen werden. Die X-Chromosom-Inaktivierung tritt nur bei<br />

weiblichen Tieren auf. Im Laufe der Embryogenese wird eins der


Abb. 2: Maternale und embryonale Genexpression bei Rinderembryonen.<br />

Abb. 3: Mögliche Transkriptionsverläufe während der präimplantatorischen Entwicklung<br />

von Rinderembryonen.<br />

beiden X-Chromosomen inaktiviert. Auch die X-Chromosom-Inaktivierung<br />

wird durch die Methylierung der DNA wesentlich beeinflusst.<br />

Nicht so einheitlich in ihren Wirkungen auf die Genexpression<br />

sind die unterschiedlichen Veränderungen von Histonen. Eine<br />

Acetylierung der Histone führt meistens zur Aktivierung der Transkription,<br />

also dem Ablesen eines Gens. Bei der Methylierung von<br />

Histonen entscheidet die Position der Methylgruppe, ob die Transkription<br />

aktiviert oder gehemmt wird.<br />

Epigenetische Modifikationen wie DNA-Methylierungen und Histon-<br />

Modifikationen werden als mögliche Ursache des LOS diskutiert.<br />

Die DNA-Methylierungen des gesamten väterlichen und mütterlichen<br />

Genoms werden in zwei Entwicklungsphasen komplett gelöscht.<br />

Diese Demethylierungen finden einmal vor und einmal nach<br />

der Befruchtung statt. Die erste Phase findet in den Keimzellen beider<br />

Geschlechter statt und führt zu einer raschen Demethylierung<br />

des gesamten Genoms, bevor die neue Methylierung in den männlichen<br />

und weiblichen Keimzellen einsetzt. Die zweite Demethylierung<br />

wird nach der Befruchtung beobachtet. Zunächst erfolgt direkt<br />

nach der Befruchtung die schnelle aktive Demethylierung des väterlichen<br />

Genoms. Das mütterliche Genom unterliegt einer passiven<br />

Demethylierung während der sich anschließenden Teilungen.<br />

Einige dauerhaft elterlich geprägte (imprinted) Gene sind hiervon<br />

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48<br />

ausgenommen. Sie behalten ihre keimbahnspezifischen Methylierungsmuster<br />

bei. Die De-novo-Methylierung beginnt beim Rinderembryo<br />

im 8-16-Zellstadium. Also genau dem Zeitpunkt, zu dem die<br />

genetische Kontrolle des Embryos vom maternalen auf das<br />

embryonale Genom übergeht.<br />

Die Blastozyste besteht aus den Zellen der inneren Zellmasse (ICM)<br />

und des Trophektoderms (TE). Die DNA der Zellen der inneren Zellmasse<br />

der Blastozyste zeigt normalerweise eine besonders starke<br />

Methylierung (Hypermethylierung), während die DNA der Trophektodermzellen<br />

weniger methyliert ist (Hypomethylierung). Es konnte<br />

gezeigt werden, dass die DNA geklonter Blastozysten in allen Zellen<br />

eine Hypermethylierung aufweist (Abb. 4). Die DNA in den Zellen<br />

des Trophektoderms enthält also erheblich mehr Methylierungen als<br />

üblicherweise. Weiterhin konnte nachgewiesen werden, dass die<br />

Mengen der Transkripte der Enzyme, die die Methylgruppen an die<br />

DNA anlagern (DNA-Methyltransferasen) durch die In-vitro-Produktion<br />

und/oder dem somatischen Kerntransfer (sNT) beeinflusst werden.<br />

Über das genomische Imprinting beim Rind ist bisher wenig bekannt.<br />

Ein Gen, das dem Imprinting unterliegt, wird nur von einem der elterlichen<br />

Allele exprimiert. Ist es maternal „imprinted“, wird es vom<br />

väterlichen Allel exprimiert und umgekehrt. Bei Maus und Mensch<br />

sind mehr als 80 Gene bekannt, die dem Imprinting unterliegen.<br />

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Abb. 4: Rückprogrammierung der DNA-Methylierung in präimplantatorischen<br />

Rinderembryonen<br />

sind mittlerweile sechs bovine Gene identifiziert, die abhängig von<br />

ihrer elterlichen Herkunft exprimiert werden. Die Untersuchungen<br />

sind an fetalem oder adultem Gewebe geklonter Tiere durchgeführt<br />

worden. Ergebnisse für Embryonen liegen noch nicht vor.<br />

Untersuchungen auf mögliche Störungen der epigenetischen Rückprogrammierung<br />

und der damit in Verbindung stehenden Phänomene<br />

sind somit viel versprechend, um die zugrunde liegenden<br />

Mechanismen von Entwicklungsabnormalitäten (u. a. LOS) zu verstehen.<br />

Das Rind könnte aufgrund seiner ähnlichen frühen Embryonalentwicklung<br />

auch für den Menschen ein wichtiges Modell darstellen.<br />

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Versuchstier: Der Goldbaumsteigerfrosch<br />

Der Goldbaumsteigerfrosch, Dendrobates auratus (CITES Appendix<br />

II), ist ein ca. 3,5 - 4,5 cm langer und nur etwa 3 g schwerer Vertreter<br />

der Gattung Dendrobates innerhalb der Familie der Dendro-<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Christian Lipke, Sabine Meinecke-Tillmann, Burkhard Meinecke<br />

Assistierte Reproduktion bei Baumsteigerfröschen:<br />

Ein veterinärmedizinischer Beitrag zur Erhaltung<br />

gefährdeter Tierarten<br />

Zusammenfassung<br />

Die Geschichte des Frosches als Modelltier in der modernen Wissenschaft<br />

reicht bis in das 19. Jahrhundert und davor zurück. Er<br />

ist auch heute nicht aus den Forschungslaboratorien wegzudenken.<br />

Seit einigen Jahrzehnten allerdings ist ein erschreckender<br />

weltweiter Rückgang der Amphibienpopulationen zu<br />

beobachten, dessen Ursachen vor allem für die Frösche in Südund<br />

Mittelamerika nur unvollständig geklärt sind. So rücken die<br />

Frösche nun um ihrer selbst willen in den Fokus der Wissenschaft,<br />

um eine drohende Ausrottung dieser faszinierenden<br />

Tiere zu verhindern. Dabei wächst das Interesse an der<br />

Fortpflanzungsphysiologie dieser Tierarten, mit dem Ziel, in der<br />

Zukunft Gametenbanken anzulegen.<br />

In diesem Artikel soll neben der Laborhaltung gefährdeter tropischer<br />

Frösche, welche als Grundvoraussetzung für alle weiteren<br />

Arbeiten anzusehen ist, die Technik der Spermiengewinnung<br />

vom lebenden Frosch sowie die Morphologie und Morphometrie<br />

gewonnener Spermien am Beispiel des Goldbaumsteigers,<br />

Dendrobates auratus, als ein wichtiger Beitrag zur<br />

Erhaltung gefährdeter Tierarten beschrieben werden.<br />

Abb. 1: Der Goldbaumsteigerfrosch, Dendrobates auratus (Variante aus Costa<br />

Rica)<br />

Summary<br />

The history of frogs as laboratory animals in modern research<br />

began in the 19th century and even earlier, and frogs still play an<br />

important role in many laboratories. However, in recent decades<br />

there has been a worldwide and alarming decline in amphibian<br />

populations. The reasons for such losses in South and Central<br />

American frog populations in particular are still unknown.<br />

Thus the frogs themselves have now become the focus of scientific<br />

research to prevent the extinction of these fascinating animals.<br />

Of particular interest is their physiology and the establishment<br />

of gamete banks in the future.<br />

In addition to outlining the basic requirements for laboratory care<br />

and maintenance of endangered tropical frogs, this article also<br />

describes the method of induced spermiation and presents the<br />

morphology and morphometry of the spermatozoa of the Green<br />

Poison-Dart Frog, Dendrobates auratus, as an important contribution<br />

to the conservation of endangered species.<br />

batidae (Baumsteigerfrösche), dessen natürliches Verbreitungsgebiet<br />

sich vom Norden Kolumbiens, über Panama und Costa Rica,<br />

bis hin zum südlichen Nicaragua erstreckt (Abb. 1 u. 2). Zwei weitere<br />

Populationen sind auf Tobago und Oahu (Hawaii) beheimatet.<br />

Die tagaktiven Frösche bewohnen dort den bodennahen Wurzelbereich<br />

sowie die Laubschicht der tropischen Regenwälder.<br />

Abb. 2: Dendrobates auratus mit der Grundfarbe Bronze aus Panama<br />

49


50<br />

Die Grundfarbe der Haut ist meist schwarz, kann aber bei einigen<br />

Populationen auch bräunlich oder bronzefarben sein und wird stets<br />

von dunkel- bis hellgrünen, blaugrünen oder sogar weißen bis gräulichen<br />

Flecken oder Bändern durchzogen. In einigen Populationen<br />

kann die schwarze Grundfarbe die grüne Bänderung fast völlig verdrängen.<br />

Als ein sicheres äußeres Unterscheidungsmerkmal der Geschlechter<br />

gilt die Breite der Haftscheibe des dritten vorderen Fingers, welche<br />

beim männlichen Frosch relativ zur Körperlänge größer ausfällt<br />

als beim Weibchen. Ein schmaler Körperbau hingegen kann lediglich<br />

auf ein männliches Tier hinweisen.<br />

Reproduktionsverhalten<br />

Die männlichen Goldbaumsteigerfrösche verteidigen ihr festes<br />

Revier gegenüber anderen männlichen Eindringlingen, indem ständig<br />

wechselnde Rufplätze aufgesucht werden, von denen aus der<br />

Frosch einen schnarrenden Laut abgibt. Revierkämpfe zwischen<br />

zwei Männchen werden durch Schieben und Klammern der Gegner<br />

ausgetragen.<br />

Die Frösche sind ganzjährig fortpflanzungsfähig, allerdings wird die<br />

Fortpflanzungsbereitschaft durch klimatische Veränderungen wie<br />

Temperatur- oder Luftdruckschwankungen sowie durch höhere<br />

Luftfeuchte nach längeren Trockenphasen deutlich stimuliert.<br />

Ein herausragendes Merkmal von Dendrobates auratus sowie aller<br />

Baumsteigerfrösche stellt sowohl ein komplexes Paarungsverhalten<br />

als auch ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes Brutpflegeverhalten<br />

dar, was für Vertreter der Amphibien eine Besonderheit bedeutet.<br />

Betritt ein Weibchen das Revier, erfolgt eine erste Kontaktaufnahme<br />

in Form von gegenseitigen Kopfberührungen. Im weiteren Verlauf<br />

folgt das Weibchen visuell orientiert dem Männchen, bis ein geeigneter<br />

Ablaichplatz erreicht ist. Dabei kann ein recht weiter Weg von<br />

etwa 5 - 6 Metern in einer Zeit von 2 Stunden zurückgelegt werden.<br />

Sollte das Weibchen zurückbleiben, so wird es durch Berührungen<br />

des Partners zum Folgen aufgefordert. Am Ablaichort angekommen,<br />

übernimmt der weibliche Frosch die aktive Stimulation des<br />

Partners, indem der Rücken des Männchens bestiegen oder durch<br />

trommelnde Bewegungen mit den Hinterbeinen berührt wird. Darüber<br />

hinaus wird das Männchen wiederholt umrundet und mit Kopfberührungen<br />

fortwährend stimuliert. Nach der Ablage von 5 - 10<br />

Eiern auf einer glatten Fläche, z.B. einem Blatt, und der Befruchtung,<br />

trennen sich die Wege der beiden Geschlechtspartner wieder.<br />

Das anschließende Brutpflegeverhalten wird bei Dendrobates auratus,<br />

anders als bei anderen Baumsteigerfröschen, ausschließlich<br />

vom Männchen gezeigt. Kurze Zeit nach der Befruchtung kehrt es<br />

zurück und bewässert das Gelege, indem es sich direkt auf dieses<br />

setzt. Durch diese Prozedur wird eine Quellung der die eigentlichen<br />

Eier umgebenden Eigallerte gewährleistet. Nach etwa 14 Tagen<br />

sind die Kaulquappen ausreichend entwickelt, um aus den Gallerten<br />

zu schlüpfen. Dabei können sie von dem Männchen unterstützt<br />

werden, welches in regelmäßigen Zeitabständen das Gelege aufsucht.<br />

Indem es sich auf das Gelege setzt, wird zusätzlicher Druck<br />

von außen auf die Gallerthüllen ausgeübt, um den Schlupf ggf. zu<br />

beschleunigen. Jeweils 1 - 3 Quappen schlängeln sich auf den<br />

Rücken des männlichen Frosches und werden so zu einer geeigneten<br />

Wasseransammlung (z.B. Bromelientrichter) getragen, wo sie<br />

sich eigenständig entwickeln.<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Laborhaltung<br />

Sollen exotische Amphibien im Labor gehalten werden, sind vielfältige<br />

Voraussetzungen und Besonderheiten zu beachten. Die Tiere<br />

werden in Kleingruppen in Glasterrarien bei einer Umgebungstemperatur<br />

von 25 - 28 °C, einer relativen Luftfeuchte von ca. 85 - 95%<br />

und einem Lichtrhythmus von 12:12 Stunden gehalten (Abb. 3). Der<br />

Bodengrund besteht aus strukturiertem braunen Acrylglas, da dieses,<br />

anders als der häufig verwendete feine Blähton, problemlos zu<br />

reinigen ist. Darüber hinaus ist so die Gefahr des Verschluckens<br />

von Bestandteilen dieses Granulates und eines daraus folgenden<br />

tödlichen Darmverschlusses beseitigt. Die Seitenwände sind mit<br />

Baumfarnplatten ausgekleidet, die einerseits durch ihre Fähigkeit<br />

Wasser zu speichern, das Klima im Terrarium positiv beeinflussen<br />

und andererseits den Fröschen eine Struktur zum Klettern bieten.<br />

Die Fütterung erfolgt mit lebenden Fruchtfliegen, die vorher mit Vitaminpulver<br />

bestäubt werden.<br />

Abb. 3: Glas-Terrarium für vier Tiere (Acrylglas-Bodengrund mit Gefälle)<br />

Spermiengewinnung am lebenden Frosch<br />

Da eine Spermiengewinnung nach Tötung der Tiere und anschließender<br />

Isolierung der Hoden, wie es bei Laborfröschen gängige<br />

Praxis ist, bei gefährdeten Tierarten nicht in Betracht gezogen werden<br />

sollte, wird im vorliegenden Fall die Abgabe der Spermien<br />

durch hormonelle Beeinflussung induziert.<br />

Die für alle nachfolgenden Manipulationen essentielle sichere Fixierung<br />

der Goldbaumsteigerfrösche wird gewährleistet, indem der<br />

Frosch in ein mit Wasser angefeuchtetes Gazegewebe eingehüllt<br />

wird, welches Abwehrbewegungen weitestgehend unterbindet. Hingewiesen<br />

werden soll an dieser Stelle noch einmal auf die geringe<br />

Größe (3,5 - 4,5 cm) und das geringe Gewicht (ca. 3 g) von Dendrobates<br />

auratus. Diese Gegebenheiten erfordern sowohl in Hinblick<br />

auf die Entwicklung der Methoden als auch auf deren manuelle<br />

Ausführung höchste Präzision und Sorgfalt, damit die Tiere keinen<br />

Schaden erleiden.<br />

Die sicher fixierten männlichen Frösche erhalten eine Injektion von<br />

humanem Choriongonadotropin (hCG) in den dorsalen Lymphsack,<br />

um die Spermiation (Abgabe der Spermien) auszulösen (Abb. 4).


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52<br />

Abb. 4: Applikation von hCG in den dorsalen Lymphsack des sicher fixierten<br />

Frosches<br />

Dafür muss zuerst die äußerst derbe und verschiebliche äußere<br />

Haut durchdrungen werden, um das darunter gelegene Lymphsystem<br />

zu erreichen. Dieses System von Lymphräumen erstreckt sich<br />

über weite Teile des Froschkörpers und stellt einen geeigneten<br />

Zugang für Injektionen dar. Die Spermien werden durch Kloakenspülungen<br />

mit Hilfe einer kleinen Knopfkanüle zu verschiedenen<br />

Zeitpunkten gewonnen (Abb. 5). Bereits 15 Minuten nach Applikation<br />

von hCG kann eine Abgabe von Spermien nachgewiesen werden.<br />

30 Minuten nach hCG-Gabe ist die Spermienabgabe am<br />

höchsten, während nach 120 Minuten keine Spermatozoen mehr<br />

aus der Kloake gewonnen werden können.<br />

Abb. 5: Spülung der Kloake (Öffnung als V-förmiger Wulst erkennbar) mit Hilfe<br />

einer feinen Knopfkanüle zur Gewinnung der abgegebenen Spermien<br />

Die Spermien<br />

Die Spermien von Dendrobates auratus bestehen aus einem sichelförmig<br />

gekrümmten Kopfstück und einem Spermienschwanz. In der<br />

Biegung des hinteren Kopfbereiches befindet sich bei ca. 64 % der<br />

Spermatozoen eine inhomogene, zellähnliche Struktur, bei der es<br />

sich um eine akzessorische Zelle handeln könnte. Ein Mittelstück ist<br />

nur bei ca. 15 % der Spermien erkennbar, eine undulierende Membran<br />

fehlt stets.<br />

Institut für Reproduktionsmedizin der TiHo<br />

Die festgestellte durchschnittliche Gesamtlänge der Spermien<br />

beträgt ca. 56 μm. Die Länge des Kopfes wird mit etwa 21 μm<br />

gemessen, während der Schwanz eine Länge von etwa 35 μm aufweist.<br />

Der Durchmesser der Kopfmitte beträgt ca. 2 μm. Darüber<br />

hinaus kann sowohl der Umfang als auch der Flächeninhalt des<br />

Kopfstückes in der zweidimensionalen Ansicht bestimmt werden.<br />

Der Umfang beträgt etwa 44 μm, die Fläche des Kopfstückes wird<br />

mit ca. 36 μm 2 bestimmt (Abb. 6). Das Verhältnis von Kopf- zu<br />

Schwanzlänge beträgt 1 zu 1,7.<br />

Abb. 6: Spermium von Dendrobates auratus, Vermessung des Schwanzes mit<br />

der segmentierten Messmethode (800x, Phasenkontrastmikroskop)<br />

Weitere Vorhaben<br />

Um die Ultrastruktur der Spermatozoen näher charakterisieren zu<br />

können, wird zurzeit an Methoden gearbeitet, mit denen diese<br />

geringen Spermienmengen für die in der Elektronenmikroskopie<br />

notwendigen umfangreichen Fixierungs- und Färbeschritte vorbereitet<br />

werden können. Eine induzierte Abgabe von Eiern bei weiblichen<br />

Tieren ist nach gleicher Vorgehensweise erfolgreich durchgeführt<br />

worden. Die Struktur dieser Eier wird ebenfalls licht- und elektronenmikroskopisch<br />

näher untersucht.<br />

Ein weiterer wichtiger Schritt wird die Erarbeitung von Methoden zur<br />

Kryokonservierung befruchtungsfähiger Gameten des Goldbaumsteigerfrosches<br />

sein.<br />

Mit diesen Arbeiten soll gezeigt werden, dass einerseits etablierte<br />

reproduktionsmedizinische Techniken auch auf sehr kleine exotische<br />

Tiere anzuwenden sind, wenn diese entsprechend im Hinblick<br />

auf die besonderen Gegebenheiten angepasst werden. Andererseits<br />

finden durchaus auch in der Tiermedizin ökologisch motivierte<br />

Arbeiten ihren Platz, zumal sich der Tierarzt zukünftig dem wachsenden<br />

Interesse von Tierbesitzern an exotischen Tierarten nicht<br />

verschließen kann.


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größten Gebiet der tierischen Veredelungswirtschaft<br />

in Europa.<br />

Kontinuierliche Modernisierung, langjährige Marktkompetenz<br />

und eine hochqualifizierte Belegschaft<br />

haben bela-pharm zu einem der bedeutendsten<br />

Unternehmen der veterinär-pharmazeutischen<br />

Branche in Deutschland werden lassen.<br />

Das geschäftliche Engagement von bela-pharm läßt sich<br />

in folgende Bereiche gliedern:<br />

• die Produktion und die Neuentwicklung eigener<br />

Präparate und deren Zulassung für den<br />

nationalen/internationalen Vertrieb;<br />

• Zukauf und Übernahme von Mitvertriebsrechten;<br />

• eigener nationaler/internationaler Vertrieb;<br />

• Auftragsherstellung für namhafte in- und<br />

ausländische Firmen;<br />

bela-pharm GmbH & Co.KG · Arzneimittelfabrik<br />

Lohner Straße 19 · D-49377 Vechta<br />

Tel.: +49 (0)4441-873-0 · Fax: +49 (0)4441-873-140<br />

Internet: www.bela-pharm.com · E-Mail: info@bela-pharm.com

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