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Facts & Figures. Romanisch - Lia Rumantscha

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Editorial7Sprachminderheiten gleichen sensiblen Ökosystemen,die auf kleinste Veränderungen ihrer Umwelt reagieren.Die romanische Sprachminderheit, die mit ihrengut 60000 Sprecherinnen und Sprechern problemlos ineinem Fussballstadion mittlerer Grösse Platz findenwürde, macht da keine Ausnahme. Eingebettet in denTalschaften des Schweizer Kantons Graubünden, allseitigumgeben von grösseren und mächtigeren Sprachgruppen,ohne sprachliches Hinterland auf sich alleingestellt, fristet sie seit Jahrhunderten ein eher ungemütlichesLeben.Der regionale Isolationismus als Resultat geschichtlicher,geographischer und politisch-konfessioneller Gegebenheitenhat die noch bis ins 19. Jahrhundert – zumindest geographisch – zusammenhängendeRumantschia in mehrere Sprachinseln aufgeteilt und die Entwicklung eines gemeinsamen Identitätsgefühlsbis heute verhindert. Es gibt denn auch streng genommen gar keine «Rumantschia», sondernfünf verschiedene, meist in sich gekehrte Sprachgruppen, die seit alters in Selbstzufriedenheitihre Dialekte und Schriftidiome besingen, in der festen Überzeugung, ein Wir-Gefühl, ausgedrücktdurch Momente wie eine gemeinsame Schriftsprache oder eine überregionale Tageszeitung, seireiner Luxus.Die <strong>Lia</strong> <strong>Rumantscha</strong>, 1919 als romanischer Dachverband gegründet, hat sich u.a. zum Ziel gesetzt, dielosen Kräfte zu bündeln und vereint gegen die drohende Auflösung (sprich: Germanisierung) des romanischenSprachgebietes anzukämpfen. Es gilt, die Romaninnen und Romanen zu motivieren, für ihreSprache einzustehen, vom Recht, ihre eigene Sprache zu lesen und zu schreiben, Gebrauch zu machen,diese möglichst überall in gesprochener und schriftlicher Form zu verwenden. Dazu braucht es sowohldie Förderung und Pflege der Dialekte und Idiome als auch die Verbreitung der gesamtbündnerromanischenSchriftsprache Rumantsch Grischun, die letztlich allein die angestrebte allgemeine Präsenzdes <strong>Romanisch</strong>en in allen Lebensbereichen garantieren kann.Die gesetzliche Grundlage, die für das <strong>Romanisch</strong>e in der Schweiz heute gegeben ist, ist selbstverständlichVoraussetzung für eine systematische und effiziente Spracherhaltungspolitik. Gesetze zumSchutz von Minderheitensprachen können aber nur greifen, wenn die Sprecherinnen und Sprecherselbst gewillt sind, ihre Sprache zu erhalten und zu fördern. Sie müssen bereit sein, über ihren eigenenSchatten zu springen, aus ihrer Kleinräumigkeit auszubrechen und ihre Eigeninteressen – zumindestteilweise – zugunsten einer starken Einheit aufzugeben.Das <strong>Romanisch</strong>e zählt zu den gefährdeten Sprachen Europas. Rein statistisch gesehen müsste es inwenigen Jahrzehnten von der Sprachenkarte der Schweiz verschwunden sein. Prognosen über sprachlicheEntwicklungen sind aber bekanntlich schwierig anzustellen. So wurde der Niedergang des<strong>Romanisch</strong>en bereits für die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts vorausgesagt. Die Prognose hat sichaber bis heute glücklicherweise nicht bewahrheitet. Solange die Romaninnen und Romanen gewilltsind, ihre Sprache zu sprechen, solange sie die Kraft zu immer wieder neuen Aufbrüchen haben,solange wird diese Sprache leben.Manfred Gross

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