Standardsprache Rumantsch Grischun95Gymnasien: Gemäss Art. 3 der Verordnung über das Gymnasium im Kanton Graubünden (GymVO) vom1. 8. 1996 ist die zweite Landessprache für Bündner Schüler und Schülerinnen in der Regel eine Kantonssprache.Als romanische Schriftsprache gelangt RG zur Anwendung.Zweisprachige Maturität: Im Dezember 1996 beschloss die Regierung Graubündens, Unterrichtsmaterialienin RG für die zweisprachige Maturitat (seit 1999/2000 mit passiven und aktiven Kentnissen inRG) zur Verfügung zu stellen. Im selben Jahr beauftragte die Regierung das Erziehungs- Kultur undUmweltschutzdepartement, Vorschläge für die Einführung von RG auf den verschiedenen Schulstufenzu erarbeiten (Konzept Haltiner).Zweisprachige Schulklassen in Chur: In der Stadtschule Chur werden seit 2000/01 zweisprachigeromanisch-deutsche Schulklassen geführt. Als Unterrichtssprache gelangt RG zur Anwendung.KirchenIn den romanischsprachigen Regionen werden die Predigten und Messen in Deutsch oder im jeweiligenregionalen Idiom gehalten. Die Regierung Graubündens erlässt die Mandate für den EidgenössischenBettag in RG, was immer wieder Anlass zu Diskussionen und Reaktionen seitens der Pfarreien gibt.Verbreitung und AkzeptanzDas sprachliche Konzept des RG hat sich in der praktischen Anwendung bewährt. Übersetzungsaufträgeseitens öffentlicher und privatwirtschaftlicher Betriebe beschäftigen besondere Dienststellenbei der <strong>Lia</strong> <strong>Rumantscha</strong> und beim Kanton. Inserate, Gebrauchsanweisungen, Prospekte, Kundeninformationen,Formulare, An- und Aufschriften, Werbetexte, mittlerweile aber auch längere Publikationenwie die 4-bändige Literaturgeschichte «Funtaunas» (1987 – 93) von G. Deplazes, die 12-bändige Buchreihe«Ars Helvetica» über die visuelle Kultur der Schweiz (1991), das «Lexicon istoric retic» (für 2008geplante zweibändige Ausgabe des «Historischen Lexikons der Schweiz»: www.hls.ch), welches notabene– nebst Cla Bierts «La Müdada/Die Wende» – die einzige auch für Blinde und Sehbehinderte undauf Internet (www.e-lir.ch) zugängliche romanische Publikation ist (das Besondere daran: Die Technologiefürs «e-LIR» stammt nicht von einer «auswärtigen» Firma, sondern von der einheimischen InternetfirmaIC Surselva in Ilanz), das Geschichtsbuch «Istorgia Grischuna» (2003) von A. Collenberg/M. Gross (erste umfassende Geschichte Graubündens in romanischer Sprache und mit besondererBerücksichtigung des <strong>Romanisch</strong>en), das 5-bändige Lehrmittel für den Sportunterricht «Educaziunfisica» (2003), ein Vogel- und ein Blumenbuch, das «Handwörterbuch des Rätoromanischen» (1994,Idiome und RG) sowie Sprachspiele, Comicstrips, Kinder- und Jugendbücher, Bilderbücher, Videos,Broschüren, Abstimmungserläuterungen, usw. zeugen vom beachtlichen Entwicklungsstand des RG.Seit 1983 werden an kulturellen Anlässen, Schulen und Institutionen sowie bei der <strong>Lia</strong> <strong>Rumantscha</strong>regelmässig RG-Kurse erteilt, für die heute umfassende Unterrichtsmaterialien (auch zum Selbststudium)zur Verfügung stehen.Im Hinblick auf die Einführung von RG in der Schule wird auch der Kanton Graubünden in den nächstenJahren Kurse in Rumantsch Grischun für die romanische Lehrerschaft anbieten.Das RG hat mittlerweile eine starke Eigendynamik entwickelt und auch die kulturellen Bereiche Literatur,Musik und Theater erfasst. Kühne SchriftstellerInnen haben von Anfang an die Einheitssprache inihr Schriftwerk eingebaut und zahlreiche Bücher in RG herausgegeben. Die jährlichen Literaturtage inDomat-Ems, welche immer wieder das RG thematisieren (z.B. 1990: «RG als literarische Sprache»)werden zu einem beachtlichen Teil in RG abgehalten, und auch die Zeitschrift «Litteratura» gewährt
96 Standardsprache Rumantsch Grischundem RG einen grossen Raum. Im musikalischen Bereich haben sich Künstler aus sämtlichen romanischenTalschaften zusammengetan und wegweisende Projekte in RG realisiert. Erwähnenswert sinddie Live-Auftritt unter dem Titel «Prisas-Reprisas-Surprisas, the famous rumantsch all star cover revue»an der Schweizerischen Landesausstellung 2002 sowie das künstlerisch ambitionierte Kulturprojekt«Lain fabular» (Tonträger mit Beatles-Songs in RG, erscheint voraussichtlich Ende 2004). Auch wurdenbereits zwei Opern («Il Cerchel magic»/1986, «Tredeschin»/2004) sowie zwei Theaterstücke («La mortstancla»/1995, «A. è in’autra»/ 2002) in RG aufgeführt.Seit einigen Jahren machen auch die romanischen Print- und elektronischen Medien vermehrt vom RGGebrauch. Bei der Tageszeitung «La Quotidiana» hat RG teilweise die Rolle des Mantels und der überregionalenInformationen inne und auch die monatliche Jugendzeitschrift «Punts» räumt dem RGeinen gebührenden Platz ein. Die elektronischen Medien bedienen sich ebenfalls des RG, v.a. für denSchriftbereich sowie für Sendungen mit gelesenem, überregionalem Charakter (www.rtr.ch).Etwas schwieriger gestaltet sich das Bemühen, den Leuten in den romanischen Talschaften vomNutzen einer überregionalen Einheitssprache zu überzeugen. Auch wenn die Akzeptanz hier immergrösser zu werden scheint, so herrschen nach wie vor einige Vorbehalte und Ängste gegenüber demRG. Die teilweise heftigst geführten Diskussionen und Kontroversen gipfelten 1991 in einer an denBundesrat gerichteten Petition gegen die Verwendung des RG für amtliche Publikationen des Bundes.Diese Petition mobilisierte die Befürworter des RG: Es wurde ein Manifest publiziert, SchriftstellerInnen,StudentInnen und KünstlerInnen traten mit verschiedenen Aktionen und Publikationen aufden Plan und selbst aus den romanischsprachigen Talschaften wurden Stimmen laut, die zu einerFortsetzung des Projekts RG aufriefen. 1991 wurde unter dem Namen «Uniun Rumantsch Grischun»(URG) gar ein Verein gegründet, der sich für die Verbreitung der Standardsprache einsetzt und regelmässigPublikationen (Bilderbücher, Literatur, u.a.) in der Einheitssprache herausgibt.«Simsalabim»: Radio Rumantsch lancierte 2003 eineerste CD mit Märchen in Rumantsch Grischun.RG garantiert dem <strong>Romanisch</strong>en eine allgemeineschriftliche Präsenz in den verschiedenen Lebensbereichen.Die Sprache erhält so praktischen Nutzen.