8BEITRÄGEIn dieser Nacht tat Hanni keinAuge zu. Immer und immer wiederüberdachte sie ihre und PhilippesLage. Wenn es so war, dassman ihnen die Liebe ansah, wareine Trennung bis zum Friedendie beste Lösung. Sie war grausam,gewiss. Aber so eine bittereErfahrung wie Christel und Antoinedurchzustehen, würde nochgrausamer sein. Wer weiß, wassie mit Philippe anstellen würden.Sie weinte ins Kopfkissen, alssie an die Trennung dachte. Nichteinmal schreiben durften sie sich!Ihnen blieb nichts anderes übrig,als zu warten und zu hoffen aufein baldiges Kriegsende.So konnte Liebe also auchsein. Ganz anders, als Hanni siesich in ihren <strong>Kinder</strong>jahren vorgestellthatte. Als sie noch glaubte,dass man, wenn man sehr, sehrverliebt und dementsprechendglücklich ist, über den Regenbogengehen kann, ohne abzustürzen … (S. 188)Ansonsten bleibt die Darstellung Pausewangs auf der Ebene der Handlung und Faktenangesiedelt; dadurch wirkt sie oft holzschnittartig, was auch durch die kurzen, knappenSätze bedingt ist. Gudrun Pausewang enthält sich in ihrem Erzählen – und das machtdas Jugendbuch zu einem wahren Leseerlebnis – jeglicher Deutung bzw. Interpretation.Der Leser ist lediglich Beobachter der Szenerie, die ihn aber zu einer eigenen Stellungnahmeherausfordert. Gudrun Pausewang sagt zur Intention ihrer Jugendbücher:Ich will ihn [den Leser] herausfordern, aufrütteln, beunruhigen, damit er sich entschließt,etwas zu tun gegen die Gefahr. Im übrigen gehe ich mit Happy-Ends immersehr sparsam um. Im Leben sind sie auch nicht so üppig gesät. (Pausewang, zit. in: Mikota2009, S. 6)Ganz anders als Gudrun Pausewangs Buch ist Inge Barth-Grözingers sehr umfangreicherRoman Geliebte Berthe angelegt. Er umfasst den Zeitraum vom Ende des ErstenWeltkriegs bis in die 1960er Jahre; er erzählt die Geschichte eines jungen armenMädchens von der Schwäbischen Alb, das 1922 mit 18 Jahren ihr Elternhaus verlässt,nach Stuttgart geht, um bei Bosch zu arbeiten, aber weil sie dort unzufrieden ist, einemliebenswerten Professor der Romanistik den Haushalt führt, von ihm in das Französischeund in die Lyrik von Arthur Rimbaud eingeführt wird. So wird ihre Liebe <strong>für</strong> alles
Deutsch-französischer Freundschaftsvertrag 9Französische geweckt; und Rimbauds Lyrik begleitet sie ein Leben lang, denn sie hat –obwohl sie anfangs als ein naives Mädchen erscheint – ihre Seele irgendwie berührt.Nach dem Hitler-Putsch 1923 begeht der Professor aus Verzweiflung über die politischeSituation in Deutschland Selbstmord. Berthe 1 nimmt eine Stelle als <strong>Kinder</strong>mädchen inGengenbach, nahe der französischen Grenze, an. Am 14. Juli 1925, am französischenNationalfeiertag, unternehmen Berthe und ihre Freunde eine Reise nach Straßburg, umsich zu amüsieren. Dort begegnet sie dem jungen Drucker Armand. Ihre Liebe auf denersten Blick hat schicksalhafte Folgen <strong>für</strong> beide, obwohl sie sich erst Jahre später wiedersehenkönnen. Armand kehrt nach Südfrankreich zurück, wo sein Vater eine kleine Druckereibesitzt, und Berthe nach Gengenbach. Sehnsuchtsvolle Briefe wechseln hin undher, die den beiden Liebenden aber keine Zukunftsperspektive eröffnen.Berthe ergreift schließlich die Initiative und geht nach Marseille, denn sie hat jetztplötzlich zwei Männer, die sie suchen muss: Ihren Bruder Georg, der sich nach demErsten Weltkrieg den Kommunisten angeschlossen hat, um <strong>für</strong> den Frieden zu kämpfen,der aber deswegen in Deutschland von den Rechten und Nationalisten verfolgtwird und nach Marseille, später nach Spanien geflohen ist, und ihren Geliebten Armand,der es wegen des <strong>Deutsche</strong>nhasses seiner Mutter nicht wagen kann, eine deutscheFrau ins Haus zu holen, zumal ihr ältester Sohn im Ersten Weltkrieg gefallen ist.Von diesem Zeitpunkt an bekommt der Roman einen doppelten Spannungsbogen: Findetsie ihren Bruder? Und: Was wird aus der Beziehung zu Armand? Aber in Frankreicherlebt Berthe neben den Freundlichkeiten, die sie auf Grund ihrer Persönlichkeiterfährt, auch immer wieder Ablehnung, zumal sie mit ihren roten Haaren leicht als<strong>Deutsche</strong> identifiziert wird.Dank ihrer Hartnäckigkeit gelingt es ihr, Armand endlich dazu zu bewegen, nachMarseille zu kommen und sie abzuholen. Hier erleben sie ihre erste Liebesnacht. Alsdie beiden aber in Armands Heimatdorf Villeneuve ankommen, schlägt Berthe derblanke Hass entgegen. Im Lokal wird sie nicht bedient, ebenso wenig in den Geschäften.Da sie wegen der Selbstmorddrohung von Armands Mutter nicht in dessen Elternhauswohnen können, finden sie eine kleine Wohnung bei Armands Freund HenriDuchamps und dessen Frau Madeleine. Deren Haus und der Fußsteig davor werdenvon dem Zeitpunkt ihres Einzugs an fortlaufend mit dem Schimpfwort „boche“ undanderen abwertenden Parolen beschmiert, gegen die sie sich nicht wehren können. NurMadeleine wird nach anfänglichem Zögern zu Berthes bester Freundin und hilft ihr, wosie nur kann. Mit ihrer Hilfe überwindet Berthe langsam viele der Vorurteile, obwohlsie nicht gänzlich verschwinden.Die Integration Berthes schreitet voran, als dem Ehepaar nacheinander drei <strong>Kinder</strong>geboren werden. Armands Vater ist glücklich über seine Enkelkinder, aber seine Mutterbeharrt konsequent auf ihrer Einstellung.Als der Zweite Weltkrieg beginnt, flammt auch der alte Hass auf Berthe und alles<strong>Deutsche</strong> wieder auf. Sogar ihr eigener Sohn Pierre, der von seiner Großmutter massivbeeinflusst worden ist, wendet sich gegen seine Mutter. Armand, seine Freunde und1 Die Protagonistin heißt eigentlich Bertha; ihr Name wird aber in dem Roman mehr und mehrzu Berthe französisiert.
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