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Volkacher Bote 98 (2013) - Deutsche Akademie für Kinder

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70IN MEMORIAMERICH JOOßDie Bilder und die StilleNachruf auf Max BolligerAls ich vor einigen Jahren meine bis dahin vor der Öffentlichkeit zurückgehaltenenGedichte publizieren wollte, kam eine Mitarbeiterin des Verlages auf mich zu mit derAnregung, doch über ein Vorwort nachzudenken. Lyriker äußern sich nicht gerne zuihren Gedichten; schon gar nicht wollen sie ihren Lesern die Deutung abnehmen. Alsobat ich die Mitarbeiterin, einmal bei Max Bolliger, dem fernen Freund, anzufragen.Selbst wollte ich das nicht tun, es erschien mir zu aufdringlich. Aber Bolliger warensolche Bedenken fremd. Er antwortete mit einer Einführung in meine Gedichte, in derer – wie öfters – die „Distanz zwischen unseren Wohnorten und Wirkungskreisen“ bedauerteund gleichzeitig unsere innere Verwandtschaft hervorhob. Dabei überging ergroßmütig, dass ich in diesem Verhältnis lange Zeit der Lernende gewesen bin und bisheute die Prägnanz seiner Sprache und den – bei aller Absichtslosigkeit und Leichtigkeit– immer vorhandenen ethischen Ernst seiner Texte bewundere.Die Welt der <strong>Kinder</strong>literatur ist überschaubar, jeder kennt fast jeden. Max Bolligergehörte nicht zu jenen selbstbewussten Verkäufern der eigenen Bücher, an die Verlageheutzutage gerne ihren Vertrieb delegieren. Er war eher ein Beobachter, zurückhaltendbis zur (freundlich) spürbaren Distanz, manchmal sogar bis zur Unsichtbarkeit. Sichselbst zählte er keinesfalls unter die Virtuosen, er verstand sich dezidiert als ein Handwerkerder Sprache. Doch dieses Handwerk beherrschte er meisterhaft, darin vermutlichnicht unähnlich seinem Großvater, einem Seidendrucker, und seinem Vater, einemSchreiner, der in Frankreich gelernt hatte, alte Möbel zu restaurieren. Aus der väterlichenWelt stammte auch ein Vergleich, auf den er bei seinen Vorträgen des öfteren zurückkam:<strong>Kinder</strong>, so führte er bedächtig aus, müssen nicht unbedingt zu Lesern werden.Sie können ohne Bücher genauso glücklich sein, beispielsweise als Schreiner. Nurum dann listig hinzuzufügen: Wer freilich Kunstschreiner werden will, muss spätestensdann die Geschichte seines Handwerks studieren und imstande sein, die alten Vorlagenzu lesen. Ein wenig an sich dürfte Max Bolliger auch gedacht haben, als er das Gebetdes Jacob Böhme schrieb: „Und hier, Herr“, sagt der Schuhmacher und Mystiker ausGörlitz, „sind meine Hände und tun geringe Arbeit.“Im gleichen Gebet spricht Jacob Böhme liebevoll-andächtig vom „Spinnweb“, daser seit Tagen hütet. Max Bolliger, der die kleinen Dinge, die einfachen Welten liebt,berief sich im Gespräch immer wieder auf das „sanfte Gesetz“ von Adalbert Stifter. Erwar darin sehr gewollt ein „Unzeitgemäßer“. Seine Geschichten und seine <strong>Kinder</strong>gedichte,von denen einige zum Besten der deutschsprachigen <strong>Kinder</strong>literatur zählen, habeneine ganz eigene, fast zärtliche Art der Annäherung an ihre Gegenstände und The-

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