10BEITRÄGEPierre schließen sich nach der Niederlage Frankreichs der Résistance an. Die Druckereiwird zu einem Zentrum des Widerstands. Als schließlich der Krieg zu Ende ist, kannder Frieden nur ganz langsam die tiefen Wunden heilen. Berthes Bruder macht Karrierein der DDR, was ihr gar nicht gefällt. Bevor sie ihn besuchen können, stirbt Armand,aber die Familie blüht weiter – im Mittelpunkt Berthe. Ihr Sohn Pierre übernimmt dieDruckerei vom Vater, ihre Tochter Anne wird Ärztin, ihr jüngster, 1940 geborener SohnHenri, ein Rotschopf wie seine Mutter, hat auch ihre Liebe zur Sprache und zur Lyrikgeerbt. Er ist der Künstler der Familie, schreibt Gedichte in französischer und deutscherSprache und studiert in Straßburg deutsche Literatur.1963 schließen de Gaulle und Adenauer den deutsch-französischen Freundschaftsvertragund beenden damit die alte „Erbfeindschaft“; 1965 bekommt Berthe bei einemFestakt der Gemeinde Villeneuve eine neu gestiftete Medaille der Stadt <strong>für</strong> ihre Verdiensteum die deutsch-französische Freundschaft überreicht. Damit schließt sich derbewegende Lebenskreis von Berthe mit all seinen Höhen und Tiefen.Der umfangreiche Roman bekommt seine Struktur durch die Lyrik von Rimbaud.Bei ihrem Romanistik-Professor lernt Berthe Das Pierrot-Lied kennen, ein Liebeslied,das sie ihr Leben lang begleiten wird und dessen Verse, neben Versen aus anderen GedichtenRimbauds, zu Kapitelüberschriften und damit zu Leitmotiven des Romanswerden, denn auch in der Handlung spielen sie immer wieder eine beziehungsreicheRolle. Nur wenige Kapitelüberschriften – am Anfang und am Schluss – verweisen aufdas Land Frankreich oder den historischen Kontext.Eine zweite Leitmotivkette wird durch das Märchen Das kalte Herz von WilhelmHauff gebildet, das im Schwarzwald zu einer Zeit spielt, da die Bewohner noch anWaldgeister glaubten. Dieses Märchen, das Berthe ihren <strong>Kinder</strong>n oft vorliest, wird zumSymbol <strong>für</strong> den Hass gegen alles <strong>Deutsche</strong> bei ihrem ältesten Sohn Pierre, aber zumSymbol der Zuneigung zu allem <strong>Deutsche</strong>n bei Berthes jüngstem Sohn.Die Autorin Inge Barth-Grözinger – das hat sie schon in ihren früheren Jugendbüchernbewiesen – hat sich in die historischen Kontexte ihrer Romane intensiv eingearbeitet,so dass sie die eigentliche Handlung bruchlos und überzeugend aus dem Historischenheraus entwickeln kann. Die Fülle der Personen bildet ein buntes Gemisch verschiedenerCharaktere, die die jeweilige Epoche glaubwürdig repräsentieren. Trotzdemsteht Berthe immer im Mittelpunkt. In ihr und ihrem Bewusstsein spiegelt sich dasganze Geschehen. Hinzu kommt, dass die Autorin als studierte Deutschlehrerin Wichtigesaus der Literatur gelernt und in ihre eigene Literatur integriert hat. Sie kennt ‚ihren’Fontane genau und weiß von ihm, dass man einen ganzen Roman zentral von denGesprächen her gestalten kann. Fontane hat das beispielhaft in Effi Briest gezeigt, undInge Barth-Grözinger übernimmt in ihrem Roman gekonnt diese Technik. In den Gesprächenzwischen einzelnen Personen, wie z.B. dem zwischen Berthe und dem Professor,kann die bisherige Lebensgeschichte Berthes zwanglos ausgebreitet werden. Esmuss zudem nicht chronologisch erzählt werden; Zeitsprünge sind möglich, Frühereskann nachgeholt oder Späteres vorausschauend angedeutet oder dargestellt werden.Der Roman wirkt auf diese Weise lebendiger, zumal die Personen durch ihre Gesprächsbeiträgeindividualisiert und charakterisiert werden.
Deutsch-französischer Freundschaftsvertrag 11Im Nachwort ihres Romans erklärt Inge Barth-Grözinger, dass es <strong>für</strong> die Geschichteder Berthe ein Vorbild gab, das sie noch persönlich kennengelernt hat:Ihr gilt mein erster und größter Dank, vor allem <strong>für</strong> ihren Mut und ihre Kraft, die sie befähigten,eine außergewöhnlich Liebes- und Lebensgeschichte zu meistern. Die Freundschaftzwischen dem deutschen und dem französischen Volk ist heute selbstverständlich, und erscheintdennoch vor dem Hintergrund unserer gemeinsamen, vielfältigen Geschichte wie einWunder. Menschen wie Bertha und Armand haben mit ihrer Liebe und ihrer Beharrlichkeitdas Fundament <strong>für</strong> jene Entwicklung gelegt, die vor nunmehr fünfzig Jahren in Reims begann.(S. 408, unpaginiert)PrimärliteraturBarth-Grözinger, Inge: Geliebte Berthe. Stuttgart, Wien: Thienemann 2012.Pausewang, Gudrun: Au revoir, bis nach dem Krieg. Hildesheim: Gerstenberg 2012.SekundärliteraturHoenig, Verena: Fraternisierung. Gudrun Pausewangs Roman über eine Liebe 1940. In:Süddeutsche Zeitung v. 8.2.<strong>2013</strong>, S. 15.Lange, Günter: Inge Barth-Grözinger. In: Franz, Kurt/Lange, Günter/Payrhuber, Franz-Josef (Hrsg.): <strong>Kinder</strong>- und Jugendliteratur – Ein Lexikon. Meitingen: Corian1995ff. (43. Erg.-Lfg. Oktober 2011, S. 1-25).Mikota, Jana (unter Mitarbeit von Günter Lange): Gudrun Pausewang. In: Franz,Kurt/Lange, Günter/Payrhuber, Franz-Josef (Hrsg.). <strong>Kinder</strong>- und Jugendliteratur– Ein Lexikon. Meitingen: Corian 1995ff. (37. Erg.-Lfg. Okt. 2009, S. 1–53).Osteroth, Reinhard: Wie liebt man im Krieg? Zwei historische Jugendromane erzählenvon zwei Paaren, die im Schatten beider Weltkriege <strong>für</strong> ihre Beziehung kämpfen.In: DIE ZEIT v. 17.1.<strong>2013</strong>, S. 38 (Neben Geliebte Berthe wird in diesem Artikelder Roman Das Karussell von Klaus Kordon rezensiert.)Inge Barth-Grözinger stellt ihrem Roman eine Widmung voran, in der sie „mitgroßer Wertschätzung“ Jean Egens und „seines wunderbaren Romans Die Lindenvon Lauterbach“ gedenkt, der eine andere deutsch-französische Lebensgeschichteerzählt.„Dieser autobiographische und zugleich humorvolle Roman wurde in Frankreichin wenigen Wochen 100 000mal verkauft. Aus der Perspektive eines Kindes, dasnie recht weiß, welcher Nation es sich zugehörig fühlen soll, erzählt der ElsässerJean Egen, geboren 1920, die bewegte Geschichte einer Provinz und die Wechselfälleeiner Familie zwischen Frankreich und Deutschland.“ (Umschlagtext)Jean Egen: Die Linden von Lauterbach. Eine deutsch-französische Lebensgeschichte.Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag 20. Aufl. 2012. 8,99 €.
- Seite 1 und 2: Heft 98 Juli 2013(1923 - 2013)
- Seite 3 und 4: Editorial 1EditorialLiebe Leserinne
- Seite 5 und 6: Inhaltsverzeichnis 3Franz-Josef Pay
- Seite 7 und 8: Deutsch-französischer Freundschaft
- Seite 9 und 10: Deutsch-französischer Freundschaft
- Seite 11: Deutsch-französischer Freundschaft
- Seite 15 und 16: Judith Kerr 13Noch 1933 werden die
- Seite 17 und 18: Judith Kerr 15Friedbert Stohner, Re
- Seite 19 und 20: Otfried Preußlers Der kleine Wasse
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- Seite 29: Andreas Steinhöfels Rico, Oskar
- Seite 32 und 33: 30BEITRÄGEtektiv bzw. ein ermittel
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