13.07.2015 Aufrufe

GLÜCKAUF

GLÜCKAUF

GLÜCKAUF

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

17. September 1927 Glückauf 1383setzung des Wirtschaftskampfes ebenso verschuldenwürden, wie sie seinen Beginn verschuldet hätten, aufUnterstützung durch den Verband, im besonderiiauf Streikgelder, nicht rechnen dürften. Einesolche Erklärung hätten weder die Organe des Verbandes,noch die seiner Ortsgruppe abgegeben; vorallein habe sich niemand an das Werk gewandt. Dieeinzelnen Beamten des Zentralverbandes hätten sichmit der objektiv unzutreffenden Angabe einzelnerArbeiter, daß keine Verhandlungsgrundlage gegebensei, begnügt, ohne Nachfragen beim Werk zu halten,das sie anders unterrichtet haben würde. So sei vonden Beamten des Verbandes fahrlässig gehandeltworden; so sei es denn auch zur Bewilligung derStreikgelder gekommen, gleichsam als ob das Werkzuerst von den Kampfmitteln Gebrauch gemachthätte. Das sei eine grobe Verletzung derFriedensklausel, ein Bruch des Tarifvertragesgewesen, zu dem das Werk keine Veranlassunggegeben habe. Aus diesem schuldhaften Verhaltendes Zentralverbandes und seiner Hilfspersonenfolge die Pflicht zur Schadlos haitu ngdes Werkes, wenn der Schaden ursächlich durchderen Verhalten entstanden sei. Die Frage, ob dieserursächliche Zusammenhang zwischen dem Verschuldendes Verbandes und seiner Organe und dem entstandenenSchaden vorliege, sei noch nicht geprüft;diese Prüfung müsse die Vorinstanz noch vornehmen,da die Feststellung des Tatsachenmaterials Sache derVorinstanzen sei. Insoweit müsse der Rechtsstreit indie Vorinstanz zurückverwiesen werden.Friedensp flicht.Der Arbeitgeberverband für Binnenschiffahrthatte am 31. März 1922 mit zwei Arbeitnehmerverbändeneinen Tarifvertrag geschlossen, der in zweiTeile zerfiel. Der Hauptteil, ein die Arbeitsbedingungenmit Ausnahme der Lohnhöhe regelnderManteltarif, sollte bis zum 31. März 1923 laufen undsich um ein weiteres Jahr verlängern, wenn er nichtzwei Monate vor seinem Ablauf gekündigt würde. Ihmwaren als Anhang die Lohnvereinbarungen beigefügt,die bis zum 30. Juni 1922, bei Zustimmung aller Vertragsparteienbis zum 30. September 1922 Geltunghaben sollten. Für den Dezember 1922 wurde eineEinigung über die Lohnhöhe nicht erzielt. EinemSchiedsspruch fügten sich die Arbeitnehmer nicht.Darauf forderten die beiden Arbeitnehmerverbände,die den Tarifvertrag geschlossen hatten, ihre Mitgliederdurch gedruckte Flugblätter auf, vom12. Dezember ab »nur noch acht Stunden Arbeit zuverrichten« und jede »Extra-, Überstunden- und Sonntagsarbeitabzulehnen«. Dieser Weisung folgten dieArbeitnehmer. Durch dieses Vorgehen sollen einzelnenMitgliedern des Arbeitgeberverbandes, der denTarifvertrag abgeschlossen hatte, Vermögensverlusteentstanden sein. Der Arbeitgeberverband klagte dahergegen die beiden Arbeitnehmerverbände auf Ersatzdieses Schadens, indem er behauptete," die beidenArbeitnehmerverbände hätten durch die erwähntenAufrufe gegen ihre tarifliche Friedenspflicht und zugleichgegen die guten Sitten verstoßen. Das Reichsgericht1gelangte zur Abweisung dieser Klage. DerStandpunkt dieses Gerichtes geht dahin: Der Tarifvertragvom 31. März 1922 enthalte keine ausdrücklicheFriedensklausel; aber auch ohne eine solche1 Reichsgericht vom 30. Nov. 1926, Entsch. RO. Bd. 113, S. 197.müsse — wenigstens in der Regel — die gegenseitigeÜbernahme der Friedenspflicht als von den Tarifvertragsparteiengewollt und stillschweigend vereinbartangesehen werden'-. Die Friedenspflicht seimit dem Wesen eines Tarifvertrages so eng verbunden,daß ohne sie die Erreichung der mit seinem Abschlußverfolgten rechts- und wirtschaftspolitischen Zielein hohem Grade gefährdet sein würde. Der Tarifvertragsolle nicht nur Arbeitsnormen schaffen,sondern auch die Möglichkeit ihrer Durchführunggewährleisten. Er solle die Teilnehmer des Tarifvertragesdagegen sichern, daß während seiner Dauerdie in ihm geregelten Arbeitsbedingungen zum Gegenständeeines Wirtschaftskampfes gemacht würden.Diese Sicherung würde aber nur sehr gering und unvollkommensein, wenn bei einem Verstoß gegen dieFriedenspflicht der schuldige Vertragsteil nur demVertragsgegner und nicht dessen geschädigten Einzelmitgliedernersatzpflichtig wäre. Eine solche Rechtslagewürde der Förderung des Wirtschaftsfriedensgerade abträglich sein, da durch wirtschaftlicheKampfmaßnahmen nicht die Verbände, sondern dieeinzelnen Verbandsmitglieder getroffen würden. Esenthalte deshalb jede, auch die stillschweigend vereinbarteFriedensklausel zugleich einen Vertragzugunsten der Verbandsmitglieder, derfür sie im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB. unmittelbarRechte und im Fall ihrer Verletzung Schadenersatzansprüchebegründe. Dieser Rechtsauffassung entsprechees, wenn inan den Tarifvertrag vom 31. März1922 dahin auslege, daß der Arbeitgeberverband beimVorliegen eines Tarifvertragsbruches oder einessittenwidrigen Verhaltens der ArbeitnehmerverbändeSchadenersatzansprüche geltend machen könne. DieFriedenspflicht der Tarifparteien sei nun, wenn sienicht im Einzelfalle durch ausdrückliche Abrede zueiner absoluten gestaltet werde, regelmäßig nurrelativ; es solle nur der Vertragsinhalt selbstgeschützt werden. Den Verbänden sei es dagegennicht verwehrt, sich wirtschaftlicher Kampfmittel zubedienen, um während des Bestehens eines Tarifvertragesnicht tariflich geregelte Streitpunkte einersolchen Reglung entgegenzuführen. Daß die Verbändeauch für derartige Fälle von vornherein auf jedenWirtschaftskampf verzichtet hätten, sei nicht zu vermuten;ein solcher Verzicht bedürfe einer unzweideutigenWillenserklärung und sei im vorliegendenFalle nicht als vorhanden anzunehmen, wenn man denTarifvertrag richtig auslegen wolle. Der Tarifvertraghabe zwei Teile enthalten, von denen der Lohntarifvertragerheblich früher erloschen sei als der Manteltarifvertrag.Der Fortfall des Lohntarifvertrageskönne jedoch auf das Weiterbestehen des Manteltarifvertrageskeinen Einfluß ausüben; der letzterebestehe nach dem Fortfall des Lohntarifvertragesallein weiter. Der von den Arbeitnehmern begonneneWirtschaftskampf habe sich nicht gegen die Normendes Manteltarifvertrages gerichtet, sondern sich nurauf dem Gebiete der Lohnfrage bewegt. Dieses Zielsei nicht rechtswidrig; ein Verbot, es unter Anwendungwirtschaftlicher Kampfmittel zu erstreben, enthalteder Manteltarifvertrag nicht. Auch die von den Arbeitnehmerverbändenempfohlenen Kampfmittel seienkeine unerlaubten gewesen. Man könne diese Kampfmittelnicht als passiven Widerstand auffassen, der2 vgl. Reichsgericht vom 20. Jan. 1910 und 29. Jan. 1915, Entsch. RO.Bd. 73, S. 92, und Bd. 86, S. 154.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!