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1384 Glückauf Nr. 38ein unlauteres Kampfmittel darstelle, wie das Reichsgerichtin seiner Entscheidung vom 9. Juni 19251 angenommenhabe. Denn beim passiven Widerstandbeabsichtigten die Arbeiter durch Herabsetzung ihrerArbeitsleistungen auf ein Mindestmaß die Druckwirkungeines Streiks hervorzurufen, ohne sich wiebei diesem der Gefahr von Lohnausfällen auszusetzen.Dazu hätten die beiden Arbeitnehmerverbände aberihre Mitglieder nicht veranlaßt; diese sollten in derArbeitszeit ihre Pflicht voll und ganz erfüllen, nurgewisse Arbeit ablehnen. Daher treffe die beklagtenArbeitnehmerverbände nach Lage des vorliegendenFalles nicht der Vorwurf des Tarifbruches. Imvorliegenden Falle seien die Arbeitnehmerverbändean keine ändern Schranken als diejenigen gebundengewesen, welche die Rechtsordnung jedem Wirtschaftskampfund dem Gebrauch wirtschaftlicherKampfmittel überhaupt setze. Innerhalb dieser hättensich aber die Arbeitnehmerverbände gehalten. Deshalbentfalle mit dem Vorwurf der Tarifuntreue auchder eines unsittlichen Verhaltens, so daß die Kampfbetätigungder Arbeitnehmerverbände auch die Anwendungdes § 826 BGB. nicht zu rechtfertigen vermöge.Zuständigkeit der Gerichte im Schlichtungsverfahren.Ein Arbeitgeberverband hatte mit zwei Arbeitnehmerverbändenam 24. März 1922 einen Tarifvertraggeschlossen. Da Lohnstreitigkeiten entstandenwaren, fällte ein vom Reichsarbeitsminister gemäߧ 22 Abs. 2 der Tarifvertragsverordnung vom23. Dezember 1918 einberufener Schlichtungsausschußeinen Schiedsspruch über die Löhne vom 15. bis22. Oktober 1923. Darauf traten die Arbeiter in denAusstand. Am 26. Oktober erging ein neuer Schiedsspruchüber die Abstaffelung der Lolmtafel, die einenTeil des Tarifvertrages bildete. Trotzdem wurde aberdie Arbeit nicht wieder aufgenommen, weil keine Einigungüber die Wiedereinstellung der streikendenArbeiter erzielt wurde. Zur Beilegung dieses Streiteswurde vom Reichsarbeitsminister ein neuer Schlichtungsausschußeinberufen. Dieser fällte am 31. Oktobereinen Schiedsspruch, der unter ändern folgendeBestimmungen enthielt: »Die Arbeit wird bis zum2. November wieder aufgenommen; die Arbeiter werden— mit einzelnen hier nicht in Betracht kommendenAusnahmen — wiedereingestellt.« Dieser Schiedsspruchwurde vom Reichsarbeitsminister für verbindlicherklärt. Der Arbeitgeberverband und einzelneArbeitgeber weigerten sich, diesen Schiedsspruch alsverbindlich anzuerkennen. Die in dem Schiedsspruchvorgesehenen Schiedsstellen verurteilten darauf dieArbeitgeber zur Wiedereinstellung und zu Lohnzahlungen.Deshalb klagte der Arbeitgeberverband:1. auf Feststellung der Nichtigkeit des Schiedsspruchesvom 31. Oktober und der in seiner Durchführunggefällten Entscheidungen der Schiedsstellen,2. auf Feststellung seiner Nichtverpflichtung, seineMitglieder zur Befolgung dieser Sprüche anzuhalten,und 3. auf Feststellung, daß seine Mitglieder wedergegenüber den Arbeitnehmerverbänden noch gegenüberden einzelnen Mitgliedern dieser Arbeitnehmerverbändezur Erfüllung der Schiedssprüche verpflichtetseien. Das Reichsgericht2 entschied dahin,daß die auf Grund des Schiedsspruches vom1 s. die vorstehend behandelte Reichsgerichtsenlscheidung.* Reichsgericht vom 30. Juni 1925, Z. Bergr. Bd. 67, S. 78.31. Oktober 1923 gegen einzelne Arbeitgeber ergangenenSchiedssprüche unwirksam seien, unddaß die einzelnen Mitglieder des Arbeitgeberverbandesweder gegenüber den Arbeitnehmerverbändennoch gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Arbeitnehmerverbändeverpflichtet seien, den Schiedsspruchvom 31. Oktober 1923 und die Schiedssprüche dernach Maßgabe seines Inhalts gebildeten Schiedsstellenzu erfüllen. Im übrigen wies das Reichsgericht dieKlage ab. Die Begründung dieser Entscheidung gehtdahin: Es werde zunächst bemängelt, daß ein Landesratals Arbeitervertreter an dem Schlichtungsverfahrenteilgenommen habe. Dies sei nicht zu beanstanden,denn es handle sich um den Spruch eines gemäߧ 22 Abs. 2 der Tarifvertragsverordnung einberufeneilSonder-Schlichtungsausschusses. Greife der Arbeitsministerzu dieser nur für wichtige Fälle gegebenenAusnahmevorschrift, so bilde die einzige Schranke, andie er gebunden sei, die Bestimmung, daß bei derVerhandlung und der Abgabe des Schiedsspruchs Vertreterder Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicherZahl als Beisitzer mitwirken müßten; im übrigen überlassedas Gesetz die Auswahl der Arbeitgeber undArbeitnehmer dem pflichtmäßigen Ermessen desReichsarbeitsministers. Deshalb sei im Falle des§ 22 Abs. 2 der Tarifvertragsverordnung das Nachprüfungsrechtder Gerichte hinsichtlich der Besetzungder Schiedsstelle in der Regel nicht weiter als daraufauszudehnen, ob bei dem Spruche zahlenmäßig ebensovielArbeitgeber- wie Arbeitnehmervertreter mitgewirkthätten. Wie zu verfahren sei, wenn die Zusammensetzungder ministeriellen Schlichtungsstelleeine offenbare gröbliche Verletzung der natürlichenGrundsätze des Schlichtungswesens erkennen lasse,könne dahingestellt bleiben, denn ein solcher Fallliege unstreitig nicht vor, da der Landesrat Vertrauensmannder Arbeitnehmerverbände gewesen sei. Ebensowenigkönne die Bemängelung eines ändern ArbeitnehmervertretersErfolg haben, da dieser früher Bergarbeiterund noch vier Monate vor dem SchiedsspruchBezirksleiter eines Bergarbeiterverbandes gewesen sei.Ferner werde darauf hingewiesen, daß das Schlichtungsverfahrensich nur auf Gesamtstreitigkeiten»über Löhne und sonstige Arbeitsbedingungen«, nichtaber auf Streitigkeiten über die Frage beziehe,ob die einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verpflichtetseien, nach Lösung des alten Arbeitsverhältnissesneue Dienstverträge zu schließen; im Anschlußdaran werde bemängelt, daß der Schiedsspruchvom 31. Oktober dagegen verstoße und damiteiner Verbindlichkeitserklärung gar nicht fähig sei.Auch dieser Angriff sei hinfällig, denn nach Sinn undWesen der Tarifverträge und der für sie ergangenenBestimmungen — das Reichsgericht äußert sich hierübersehr eingehend — sei der Schiedsspruch einesSchlichtungsausschusses, der, wie im vorliegendenFalle, in einem Gesamtstreite zwischen einem Arbeitgeber-und einem Arbeitnehmerverband ergehe unddie Bestimmung enthalte, daß die Arbeit wieder aufzunehmenund die entlassenen Arbeiter wieder einzustellenseien, auch der Verbindlichkeitserklärungfähig. Seien nun aber der streitige Schiedsspruch undseine Verbindlichkeitserklärung wirksam, so sei dieRechtslage — so fährt das Reichsgericht fort — dieselbe,als hätten die Zwangstarifvertragsparteienseinen Inhalt im Wege freier Willenseinigung vereinbart.Die Pflichten, die sich daraus ergäben, seien

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