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viertei jahresschrift des instituts für deutsche ostarbeit krakau

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G A L IZIE N UND DIE ERSTEN RUSSISCH-JÜDISCHENAUSWANDERUNGSWELLEN NACH AMERIKA1)( 1881- 1883)V O N D R . J O r S E F S O M M E R F E L D T, K R A K A UIm Gegensatz zu Kongreßpolen war Galizien das ganze 19. Jahrhundert hindurch ein Land,das nur selten die Aufmerksamkeit Europas auf sich lenkte. Seine Entwicklung verlief fast ohnealle großen Erschütterungen und Konflikte, die, wie es doch anders in Kongreßpolen beinahein jeder Generation geschah, sein inneres Leben hätten in dramatische Bewegungen versetzenund im Volke lange Zeit nachzittern können. Selbst das folgenreiche Geschenk der Bauernbefreiungund die politische Autonomie waren den Bewohnern Galiziens ohne wirklichen Krafteinsatzinfolge von Ereignissen in den Schoß gefallen, die sich zwar auf dem Boden <strong>des</strong> österreichischungarischenStaates, aber doch weit von den Grenzen <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> nördlich der Karpaten abspielten.Auch die Judenfrage — neben der Bauernfrage wohl das dringendste soziale Problem <strong>des</strong>Lan<strong>des</strong>, um <strong>des</strong>sen Bereinigung zu Beginn <strong>des</strong> Jahrhunderts in der Publizistik heftig gekämpftworden war — hatte während der 60er Jahre durch die bedingungslose Emanzipation in gesetzgeberischerHinsicht eine undramatische Erledigung gefunden, nachdem sie nach dem TodeJosephs II. von der Wiener Regierung zwar wiederholt auf die Tagesordnung gesetzt, aber niemalszu einer rechtskräftigen Entscheidung geführt worden war.W as die Zahl der Juden anbetraf, hatte Galizien in der österreichisch-ungarischen Monarchiedie Führung, vereinigte es doch 1880 von der gesamten Menge von 1005394 Juden in Cisleithaniennicht weniger als 686596 oder 6 8 ,2 9 % in seinen Grenzen. In weitem Abstand folgten Niederösterreichmit 95 058, Böhmen mit 94449 und die Bukowina mit 67 418 Juden. In Galizien machtendie Juden 11,5 3% der Bevölkerung aus. Einen höheren Hundertsatz hatte nur die Bukowinamit 1 1 ,7 9 % . Als natürlicher Schutzwall trennten die Karpaten diese beiden Judenprovinzenvon den übrigen Ländern der Donaumonarchie.Die völlige Emanzipation in den 60er Jahren gab den galizischen Juden die Möglichkeit zuungehemmter wirtschaftlicher Entfaltung, die von ihnen auch in jeder Richtung ausgenutztwurde. Seit den 70er Jahren tauchten sie in immer größerer Zahl im Großgrundbesitz und in dersich allmählich entwickelnden Industrie auf. Während die wirtschaftliche Lage der ländlichenBevölkerung infolge <strong>des</strong> Fehlens ausreichender Erwerbsmöglichkeiten auch nach der Bauernbefreiungtrostlos blieb und die N ot Galiziens in Österreich-Ungarn fast sprichwörtlich wurde,erweiterte eine verhältnismäßig kleine Gruppe der galizischen Judenschaft gegen Ende <strong>des</strong>vorigen Jahrhunderts seine finanziellen Machtpositionen mehr und mehr und wurde die Zielscheibe<strong>des</strong> sozialen Hasses der bäuerlichen Massen.Aber diese Entwicklung innerhalb der galizischen Bevölkerung wäre selbst in W ien wohl nochlange unbemerkt gebheben, wenn nicht Ereignisse außerhalb <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong> zu Anfang der 80erJahre in W ien und darüber hinaus in den ändern Großstädten Europas die öffentliche Meinungin Bewegung gesetzt und die innere Entwicklung Galiziens zu einem häufig behandelten Gegenstandder europäischen Presse gemacht hätten. Der Anstoß kam aus Südrußland, Jenseits derOstgrenze Galiziens, in den südrussischen Gouvernements, war die Spannung zwischender bäuerlichen Bevölkerung und den zugewanderten Juden in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19. Jahrhundertsvon Jahr zu Jahr in weit stärkerem Maße gewachsen als in dem Gebiet zwischen Weichseli) A u f Grund der Präsidialrektifikate N r. 566 der Statthalterei in Lem berg, die dem Verfasser v on der Direktionder Archive <strong>des</strong> Generalgouvernem ents im Krakauer Staatsarchiv zur Auswertung zur Verfügung gestellt wurden.187

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