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viertei jahresschrift des instituts für deutsche ostarbeit krakau

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und Zbrucz. Einen nie erlebten Höhepunkt erreichte sie nach den zwei Mißerntejahren 1879und 1880, als infolge einer bitteren Hungersnot eine riesenhafte Bauernauswanderung aus densüdlichen und zentralen Gouvernements Rußlands einsetzte und ganze Dörfer nach Sibirienübersiedelten. Zu dieser bitteren Not kam noch die allgemeine Unsicherheit der inneren Verhältnisse,die die Entstehung eines Konflikts begünstigte. Es fehlte in jenen Jahren in Rußlandder starke Mann, der mit einem klaren Programm die sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeitenund Spannungen hätte ausgleichen und überwinden können. Die ganze RegierungsmaschinerieRußlands lief in jenen Jahren ohne eigentliche Leitung; die Kräfte der'Ministerzermürbten sich in endlosem Intrigenkampf; der Beamtenapparat war völlig demoralisiert.Im Lande aber gewann die nihilistische Bewegung immer weiter an Boden und hielt das Volkdurch revolutionäre Propaganda und Attentate in ständiger Unruhe.Unter diesen Umständen konnte auch in der russischen Judenpolitik von einer klaren Liniekeine Rede sein. Die Verworrenheit der Judengesetzgebung bot den Behörden und denJuden zahllose Möglichkeiten zu willkürlichen Auslegungen und Ausnahmen. Es war in R ußlandletzten En<strong>des</strong> nur eine Geldfrage, ob die Behörden oder die Juden die faktische Entwicklungder Verhältnisse bestimmten. Trotz jahrzehntelanger Versuche war man in Rußland zu einerübersichtlichen Ordnung <strong>des</strong> Judenwesens nicht gelangt. Bei der daraus folgenden Unsicherheitder Rechtsverhältnisse mußte es also <strong>für</strong> die Juden zwangsläufig verhängnisvoll werden, wennder in den Massen der bäuerlichen Bevölkerung Rußlands angehäufte Sprengstoff eines Tageszur Entzündung kam. Das geschah im Frühjahr <strong>des</strong> Jahres 1881.Am 13. (1.) März 1881 wurde Zar Alexander II. das Opfer eines Attentats, an dem auch Judenals Urheber und Täter beteiligt waren. Diese Tat löste in Rußland eine Judenverfolgungaus, wie sie das Land bis dahin noch nicht erlebt hatte. Im Gebiet südlich der Linie Kiew—Charkow, wo es von jeher gegärt hatte, erfolgte der erste Ausbruch. Von Jelisawetgrad im GouvernementCherson griff die Bewegung in den Monaten April und Mai auf die GouvernementsKiew, Wolhynien und Podolien über, erreichte in den ersten Maitagen <strong>des</strong> Jahres 1881 in O<strong>des</strong>saihren Höhepunkt und schlug sogar in die Gouvernements Taurien und Jekaterinoslaw hinüber.Mitte Mai trat eine Ruhepause ein. In der zweiten Julihälfte flackerte die Pogrombewegungim Gouvernement Tschernigow und Weihnachten in Warschau auf. Ende März 1882 erneuertensich dann die Judenverfolgungen in Balta (Gouvernement Podolien) und erfaßten auch dasGouvernement Cherson. Das Jahr 1883 brachte noch zwei Pogrome in Rostow und Jekaterinoslaw.Die nächsten sechs Jahre verliefen fast völlig ruhig.Im Zusammenhang mit diesen Judenverfolgungen trat Galizien <strong>für</strong> kurze Zeit in das helle Lichtder Weltöffentlichkeit. Diese Ereignisse mußten in diesem Lande schon allein wegen seinerNachbarlage alarmierend wirken. Die Statthalterei be<strong>für</strong>chtete, daß die galizischen -Bauernsich der Bewegung gegen die Juden anschließen würden. Zu dieser Be<strong>für</strong>chtung kam noch dieSorge um zahlreiche galizische Firmen, die in der langen Friedenszeit mit den südrussischenStädten in enge Handelsbeziehungen getreten waren. Als Vertreter dieser Firmen hatten sichTausende galizischer Juden in Südrußland niedergelassen, die jetzt um den Schutz der österreichischenKonsulate baten oder in hellen Scharen nach Galizien zurückkehrten. A m 9. Mai1881 riet der österreichische Generalkonsul in Kiew dem Statthalter in Lemberg, die galizischenFirmen zur Einstellung der Warensendungen zu bewegen.Mit ähnlicher Aufmerksamkeit verfolgte man in Lemberg die Entwicklung in Kongreßpolen.Ein Übergreifen der südrussischen Pogromwelle auf dieses Gebiet hätte zur Folge gehabt,daß nicht nur die Ost- und Südostgrenzen Galiziens, sondern auch die langgestreckteNordgrenze, die von Zawichost bis Sokal, in Ermangelung eines natürlichen Schutzes, besonders188

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