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RAUSCH Heft 1/2012 - Dr. Oliver Scheibenbogen

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47NachrichtenGlücksspiel im Deutschen Bundestag: mehr Kontrolle, freiwilligeSperren, entschleunigtes Zocken in Spielhallen und GaststättenDer Gesundheitsausschuss des DeutschenBundestags befasste sich in einer Anhörungmit dem Thema Glücksspiel. DieMehrheit der Experten forderte, Spielautomatenin Spielhallen und Gaststättensollten künftig stärker kontrolliert werden.Spieler sollten die Möglichkeit erhalten,sich freiwillig für die Geräte sperrenzu lassen. Einige Sachverständige würdennach vorliegender Faktenlage amliebsten die Geldgewinnspielautomatenaus den Gaststätten ganz verbannen.Der Ausschuss beriet den SPD-Antrag(17/6338). Die Sachverständigen gehenvon rund 500.000 pathologischenGlücksspielern und rund 800.000 problematischenSpielern in Deutschlandaus. Die Sozialdemokraten bezeichnenGeldspielautomaten unter Berufungauf das Projekt „PathologischesGlücksspielen und Epidemiologie“(PAGE) als „Suchtfaktor Nummer 1“.Meike Lukat, Kriminalhauptkommissarinaus Düsseldorf, bemängelte dieZulassung der Geräte durch die Physikalisch-TechnischeBundesanstalt.Um mutmaßliche Steuerhinterziehungund Geldwäsche durch die Betreiberder Automaten zu unterbinden,sei es notwendig, Gewinne undVerluste der Geräte genau zu kontrollieren.Der Vorsitzende des Verbandes derDeutschen Automatenindustrie e. V.(VDAI), Paul Gauselmann, sagte, dieBranche engagiere sich bereits etwasfür den Jugendschutz. „Wir leiden alsBranche unter zehn Prozent schwarzeSchafe“. Auf Nachfrage konnte Gauselmannnicht sagen, wie seine Branchegegen die schwarzen Schafe inden eigenen Reihen vorgehen könne.Beim Streitpunkt Sperrdatenbank undSperrverfahren gehen die Meinungenetwas auseinander. Tilman Becker,Professor an der Universität Hohenheim,und Professor Adams, UniversitätHamburg, sprachen sich für eineSperrdatenbank aus, die sowohl fürjeden Spielort gelten müsse, also, sowohlin Spielbanken/Kasinos als auchin Spielhallen und Gaststätten.Adams argumentierte noch stärkerzur Bekämpfung der Spielsucht: Erkönnte sich vorstellen, Geldgewinnspielgeräte(GGSG) ausschließlich inden stark kontrollierten Kasinos aufzustellen.Ilona Füchtenschnieder vonder Landesfachstelle GlücksspielsuchtNordrhein-Westfalen unterstütztediesen Vorschlag, bis die Gerätetechnisch-physikalisch so hergestelltwerden können, dass Missbrauchverhindert werde. Füchtenschnieder:„Gastronomische Betriebesind aus meiner Erfahrung herausüberfordert mit der Kontrolle. Sie habenzu wenig Personal dafür, außerdemwerden die Geräte häufig so aufgestellt,dass sie nicht einsehbar sind.“Ein Großteil der Spielsüchtigen verliereihr Geld an diesen Geldgewinnspielgeräten,sagte Tilman Becker,Professor an der Universität Hohenheim,Forschungsstelle Glücksspiel.Becker schlug einen Ausschuss für eineSpieler-Sperrdatei für Geldspielautomatenvor: Süchtige könnten sichfreiwillig eintragen lassen und würdendann am Spiel gehindert. Es müsseaber möglich sein, sich begrenztsperren zu lassen. Becker „denke aneine Mindestsperre von einem Jahr,und jeder Spieler kann darüber hinauswählen, wie lange er sich sperrenlässt.“ Darüber hinaus müsse jederSpieler eine persönliche Identifikationskartefür Automaten erhalten.Letzteren Vorschlag aus dem Bundeswirtschaftsministeriumhalten einigeExperten für ungeeignet, weil diesevernetzt oder als Kundenkarten missverstandenwerden könnten. Füchtenschniedernannte diese Idee reine„Zeitschinderei“.Der SPD-Antrag zielt darauf ab, anAutomaten die Gewinn- und Verlustmöglichkeitenzu reduzieren; zusätzlichsollten die Spiele entschleunigtwerden. Beides könnte das Suchtpotenzialund die wirtschaftlichen Schädenu.U. abschwächen.Bislang existiert in Deutschland nureine Studie zu den sozialen Kostendes Glücksspiels in Deutschland, dieden Standards der Weltgesundheitsbehörde(WHO) entspricht. Sie wurdeAnfang 2011 auf Anregung von BupriSvon der Forschungsstelle Glücksspielan der Universität Hohenheim(http://gluecksspiel.uni-hohenheim.de) veröffentlicht. Danach betragendie sozialen Kosten des Glücksspielsin Deutschland für das Jahr 2008 insgesamt326 Millionen Euro. Darinsind auch die Aufwendungen für denSpielerschutz und für die Glücksspielsuchtpräventionenthalten.Zum Vergleich: Die sozialen Kosten,die der Gesellschaft durch den TabakundAlkoholkonsum entstehen, liegenbei 20 bis 50 Milliarden Euro beim Tabakkonsumund bei 20 bis 30 MilliardenEuro beim Alkoholkonsum – undsind damit etwa zweihundertmal größer.Adams kritisierte zu Ende der Anhörungdie mangelnde Rotation beiden Beamtenposten beispielsweiseim Bundeswirtschaftsministerium(BMWi), in dem die bundesweite Gewerbeaufsichtinclusive der Automatenwirtschaftsbrancheangesiedelt ist.Mit seiner Kritik steht Adams nicht alleine:Ende des Jahres 2011 nahm dasTeam von Lobby Control die Spendenpraktikender Automatenwirtschaftunter die Lupe und stellte fest, dassPaul Gauselmann systematisch überein Jahrzehnt Spenden von unter zehnTausend Euro an Abgeordnete zahlteund einen guten <strong>Dr</strong>aht zum Leiter derAufsichtsbehörde im BMWi hegt. ■rrausch 1-<strong>2012</strong>

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